2.181 Nord-Mazedonien

Aktualisiert im Juni 2020

 

 1. Vorwort – Einleitung

Der 25. 1. 2019 wird für den 1991 aus dem zerfallenden Jugoslawien hervorgegangen Staat "Republik Mazedonien" ein einschneidendes historisches  Ereignis bleiben. Denn mit diesem Tag wurde der seit über einem Vierteljahrhundert andauernde Namensstreít mit dem südlichen Nachbarn Griechenland endgültig beigelegt. Am 17. 6. 2018 hatten sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der mazedonische Ministerpräsident Zoran Zaev darauf verständigt, dass die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien künftig "Nord-Mazedonien" heißen soll. Nachdem das mazedonische Parlament bereits am 11. 1. 2019 der Einigung zugestimmt hatte, stimmte nun am 25. 1. 2019 auch das griechische Parlament der gefundenen Einigung zu
Übersicht                                                                                     

1.

Vorwort - Einleitung

2.

Lage und Zahlen

3.

Sprache(n)

4.

Geschichte

5.

Ethnien / Volksgruppen in Nord-Mazedonien

5.1

Slawo-Mazedonier

5.2

Albaner

5.3

Torbeschen

5.4

Roma und Balkan-Ägypter

5.5

Türken, Balkantürken

5.6

Serben

5.7

Bosniaken

5.8

Gorani / Goranen

5.9

Aromunen und Meglenorumänen

6.

Grenzen des Staates Nord-Mazedonien

7.

Die Mazedonisch-Orthodoxe Kirche

8.

Perspektiven – Hoffnung auf die EU

Weil Griechenland die Anerkennung des Staates Mazedonien unter dem in  seiner Verfassung festgelegten Namen „Republik Mazedonien“ (Република Македонија) -  fast drei Jahrzehnte lang verweigerte und international boykottierte, musste das Land während dieser Zeit  im internationalen offiziellen Sprachgebrauch als "Former Yugoslav Republic of Macedonia", kurz "FYROM" bezeichnet werden. Den Parlamentsentscheidungen in beiden Staaten gingen monatelange Proteste voraus, so dass bis zum letzten Augenblick die Annahme des "historischen Kompromisses" nicht sicher war. Bis zur endgültigen Abstimmung gingen hunderttausende Griechen zum Protest auf die Straße und vor der Abstimmung gab es im griechischen Parlament erhebliche Auseinandersetzungen und Tumulte.

Zoran Zaev, Ministerpräsident von Mazedonien, und Alexis Tsipras, Ministerpräsident von Griechenland: Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik darf sich künftig Nord-Mazedonien nennen. (Quelle: Dimitris Tosidis/XinHua/dpa)
Im Interesse einer Beruhigung der ohnehin nicht spannungsfreien Lage auf dem Balkan und im Hinblick auf eine evtl. Aufnahme von Nord-Mazedonien in die EU ist es nur zu begrüßen, dass sich die Realisten und Pragmatiker in beiden Staaten nun erfolgreich durchgesetzt haben. [1]
Weitere Einzelheiten zum bisherigen Namensstreit entthalten die Informationen über die folgenden Links.
http://de.wikipedia.org/wiki/Streit_um_den_Namen_Mazedonien und
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/tsipras-verkuendet-einigung-im-namensstreit-mit-mazedonien-15636691.html#void   sowie

http://www.spiegel.de/politik/ausland/mazedonien-soll-kuenftig-nord-mazedonien-heissen-namensstreit-mit-griechenland-a-1212589.html

Im übrigen verweise ich auf meinen übergeordneten Post „2.180 Mazedonier, historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien

2. Lage und Zahlen

Der Balkanstaat Republik Nord-Mazedonien (in Landessprache "Severna Makedonija") ist 1991 nach dem Zerfall des vormaligen Bundesstaates Jugoslawien entstanden und ist identisch mit der vormaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien. Seine Lage (MAZ) gibt die folgende Karte wieder:
 
Karte: Übersicht heutige Balkanstaaten (MAZ = Mazedonien, Kos. = Kosovo, Alb.= Albanien, MN = Montenegro, Bos.Hz. = Bosnien-Herzegowina, Slo = Slowenien)
Nord-Mazedonien hat laut der letzten Volkszählung 2002 genau 2.022.547 Einwohner. Der Fischer Weltalmanach gibt für 2011 eine Einwohnerzahl von 2.064.000 an[2]

Eine für 2011 angesetzte neue Volkszählung  wurde annuliert und bis auf weiteres zurückgestellt. Der Grund liegt in den zwischen 2000 und 2002 herrschenden bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Albaner zweifelten die Zahlen der Regierung an und behaupten – allerdings ohne nachprüfbare Grundlage – dass sie 40 bis 50 % der Einwohner Mazedoniens stellen. Tatsächlich ist in den letzten Jahren eine gewisse Beruhigung zwischen den Volksgruppen eingetreten. Auf Druck der Vereinigten Staaten und der EU wurde am 13. 8. 2001 nach Verhandlungen zwischen Mazedoniern und Albanern das Abkommen von Ohrid geschlossen, das die Grundlage für die seitdem friedlichere Entwicklung des Landes gelegt hat. Siehe dazu weitere Angaben unter den Punkten 4.Geschichte und 5 Ethnien [3]

3. Sprache (n)

Staatssprache ist Mazedonisch, eine südslawische Sprache, die eng mit dem bulgarischen verwandt ist (daher von den Bulgaren auch als bulgarischer Dialekt angesehen wird). Ausführlichere Hinweise zur mazedonischen Sprache siehe 2.180 Mazedonier, historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien. Nach dem bereits erwähnten Abkommen von Ohrid konnten die Albaner erreichen, dass ihre Sprache in vielen Bereichen gleichberechtigt ist. Siehe weitere Angaben unter 4. Geschichte.

Für die anderen Minderheiten des Landes stellt dieses Rahmenabkommen aber vornehmlich einen Kompromiss zwischen den Ansprüchen der albanischen und mazedonischen Bevölkerung dar. Anderen Ethnien, die ebenfalls in Mazedonien leben, wie z. B. den Türken,  Serben, Bosniern, Roma und Wlachen,die zahlenmäßig kleiner und territorial weniger konzentriert sind, wird bei der Umsetzung des Rahmenvertrags wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Lediglich auf kommunaler Ebene haben sie gewisse Rechte zur Benutzung ihrer Sprache. Siehe Pkt. 5. Ethnien


4. Geschichte

Zur Vorgeschichte verweise ich auf meinen Blog 2.180 Mazedonier, historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien

Nach dem 2. Balkankrieg 1913 wurden die heutigen Grenzen Mazedoniens im Vertrag von Bukarest (10.8.2013) im wesentlichen festgelegt. Dabei war Bulgarien der große Verlierer, der im 1. Weltkrieg an der Seite der Mittelmächte versuchte, verlorenes Terrain zurück zu gewinnen, was aber fehlschlug. Im Ergebnis verlor Bulgarien im Frieden von Neuilly auch noch seinen Zugang zur Ägäis an Griechenland und einen weiteren Teil Mazedoniens um Strumica an Serbien.(siehe Karte unter Blog 2.180 Geschichte). Serbien und das spätere Jugoslawien betrachteten die eroberten mazedonischen Gebiete als Südserbien und deren Bewohner als Serben mit einem eigenen Dialekt. Zwischen den Weltkriegen wurde daher auch in der Schule vor allem die serbische Sprache unterrichtet.

Im 2. Weltkrieg versuchte Bulgarien an der Seite Deutschlands erneut, Mazedonien zurückzugewinnen und es konnte große Teile der gesamten Region Mazedonien besetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die alten Grenzen wieder hergestellt. Der Kriegspartisan Tito führte in Jugoslawien eine völlige Neuordnung des Staates auf föderaler Basis durch. Dabei erhielt Mazedonien den Status einer gleichberechtigten autonomen Teilrepublik und seine Bewohner wurden fortan "Mazedonier" genannt. Nach dem Bruch Titos mit dem übrigen kommunistischen Ostblock gab es zwar wieder Spannungen zwischen Bulgarien und Jugoslawien wegen Mazedonien, aber zwischen 1950 und 1990 blieb die Lage auf dem südlichen Balkan relativ stabil. In dieser Zeit festigte sich ein eigenständiges mazedonisches Nationalbewußtsein und die mazedonische Sprache wurde aufgewertet und als gleichberechtigt in Jugoslawien anerkannt. Zwischen der jugoslawischen Republik Mazedonien und Bulgarien wurde vor allem um den Status der Pirin-Mazedonier gerungen. Mazedonien sah hier eine mazedonische Minderheit, Bulgarien stellte fest, dass alle Slawen des historischen Bereichs von Mazedonien Bulgaren seien, die von den Serben zunächst als Südserben reklamiert worden seien und nun über den Umweg einer eigenen Republik als eigenständiges Volk etabliert und als Bulgaren entnationalisiert würden.[5] Mit dem Zerfall Jugoslawiens und der Gründung der unabhängigen Republik Mazedonien flammte der alte Streit wieder auf. Nun kam es erneut zu Spannungen mit Bulgarien und aus anderen Gründen (s. u.) vor allem mit Griechenland.

Wie schon in der Einleitung vermerkt, gab es einen jahrzehntelangen Namensstreit mit Griechenland. Obwohl die USA, Russland und China den Staat Mazedonien anerkannten, haben die übrigen Mitgliedsländer der NATO und der EU auf Grund massiven griechischen Drucks und aus Solidarität mit Griechenland eine seltsame Namensgebung akzeptiert, unter der dieser Staat auch in die UN aufgenommen wurde: The former Yugoslav Republic of Macedonia (dt. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien). Als Kürzel der englischen Bezeichnung wurde  bis 2019 der Name F.Y.R.O.M. verwendet, der bei den Mazedoniern allerdings nicht auf Gegenliebe gestoßen ist. Der Namensstreit mit Griechenland dauerte bis in das Jahr 2018 an. (siehe meine Ausführungen unter 1. Vorwort – Einleitung und unter  2.180 Mazedonier, historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien und die dortige Fußnote 2 und 3).Seit der Einigung mit Griechenland ist der offizielle Staatsname nunmehr Republik Nord-Mazedonien.

Bulgarien hatte bereits am 16.01.1992 als erster Staat der Welt die Unabhängigkeit der Republik Makedonien anerkannt. Nicht anerkennen wollte Bulgarien jedoch die Eigenständigkeit einer mazedonischen Nation und das Mazedonische als eigene Sprache. Für Bulgarien sind und bleiben die ethnischen bzw. slawischen Mazedonier Teil der bulgarischen Kulturnation. Im Jahr 1999 legten die bulgarische und die mazedonische Regierung ihren jahrelangen Streit offiziell bei, der die bilateralen Beziehungen schwer belastete. Bulgarien erkannte die Eigenständigkeit der mazedonischen Sprache erstmals offiziell als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes der mazedonischen Bevölkerung an, Mazedonien entsagte im Gegenzug jeglicher Einflussnahme auf die slawisch-mazedonische Minderheit im bulgarischen Teil Mazedoniens (Pirin-Mazedonien). Dennoch blieb Bulgarien aber weiterhin bei der grundlegenden Haltung, das die mazedonische Nation im Prinzip Teil der bulgarischen Kulturnation sei. So gibt es auch immer wieder bei geringsten Anlässen Empfindlichkeiten auf beiden Seiten. Auch hinsichtlich des Beitritts von Mazedonien zur EU zeigt Bulgarien eine zwiespältige Haltung,[4]

Nach der Unabhängigkeit Mazedoniens  im November 1991 verabschiedete das Parlament eine neue Verfassung, die bei der albanischen Bevölkerung auf großen Widerstand stiess. Der albanische Unmut ging auf die Präambel und den "Minderheitenbegriff" der mazedonischen Verfassung vom November 1991 zurück. Darin wurde Mazedonien als "Nationalstaat des mazedonischen Volkes" bezeichnet. Der Begriff "Nation" bezog sich ausschließlich auf die mazedonische Gemeinschaft. Albanisch wurde nicht als offizielle Sprache anerkannt. Die Diskriminierung zeigte sich auch daran, dass nur 3 Prozent aller Polizisten Albaner waren, aber rund ein Viertel der Bevölkerung Albaner sind.

Am 15. Februar 1995 wurde die Universität in Tetovo eröffnet, die von der albanischen Gemeinschaft in Eigenregie geplant, gebaut und aus privaten Mitteln finanziert worden war. Die Lehrveranstaltungen sollten ausschließlich in Albanisch abgehalten werden. Doch nur zwei Tage nach der Eröffnung wurde sie von der mazedonischen Polizei gewaltsam geschlossen. All dies führte in der Folge zu erheblichen Spannungen zwischen den beiden großen Volksgruppen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Erst nach massivem Druck der USA, der NATO und der EU auf beide Seiten vereinbarten schließlich am 13. 8. 2001 die wichtigsten Parteien der Slawo-Mazedonier und der Albaner das Rahmenabkommen von Ohrid.[5] 
Dieses Abkommen legte ein System der Machtteilung vor allem zwischen der mazedonischen Mehrheitsbevölkerung und der größten Minderheit der Albaner fest. Danach muss immer mindestens eine albanische Partei in der Regierung vertreten sein. Zudem müssen Gesetze, die die albanische Volksgruppe betreffen von mindestens 50% der albanischen Abgeordneten akzeptiert werden. Neben Mazedonisch wurde Albanisch zur zweiten Amtssprache - vor allem in Gemeinden mit einer albanischen Mehrheit oder einem wesentlichen Minderheitsanteil.  Die albanische Universität in Tetovo wurde wiedereröffnet und ist inzwischen Staatsuniversität.

Die Festlegungen des Ohrid-Abkommens, wie die Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung, die Neufestlegung von Gemeindegrenzen und Wahlbezirken unter Berücksichtigung der territorialen Verteilung der ethnischen Gemeinschaften sowie die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung, sind heute in der Verfassung verankert und in nationale Gesetze gegossen. Dazu gehört auch der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und proportionalen Vertretung der ethnischen Gemeinschaften in der öffentlichen Verwaltung, Armee, Polizei und in staatlichen Unternehmen.[5]

5. Ethnien in (Nord-)Mazedonien


Nach den Auseinandersetzungen mit der großen albanischen Minderheit im Lande, hat Mazedonien auf Druck der USA und der EU-Staaten daher am 20. 11. 2001 seine Verfassung in zwei wichtigen Punkten ergänzt. In Artikel 48 heißt es nun, dass die Angehörigen der Nationalitäten/Gemeinschaften das Recht haben, frei ihre Identität und Eigenarten … zu pflegen, weiterzuentwickeln und die Symbole ihrer Gemeinschaft zu gebrauchen und dass ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität von der Republik garantiert wird.

Mazedonien hat das Rahmenübereinkommens des Europarats über den Schutz von Minderheiten unterschrieben  und  ratifiziert. Darin erkennt es folgende Volksgruppen/Minderheiten an: Albaner, Türken, Wlachen (Aromunen), Serben, Roma und Bosniaken. Das Ministerkomitee des Europarates hält in seiner Bewertung fest, dass das Land immer noch ethnisch gespalten sei und man spricht gar von „Parallelgesellschaften“[6]

Weitere Angaben zu den  verschiedenen Ethnien, Volksgruppen und Minderheiten mache ich im folgenden.

5.1 Slawo-Mazedonier

Nach der Unabhängigkeit Mazedoniens  im November 1991 verabschiedete das Parlament eine neue Verfassung. Darin wurde Mazedonien als "Nationalstaat des mazedonischen Volkes" bezeichnet. Der Begriff "Nation" bezog sich ausschließlich auf die mazedonische Gemeinschaft mit dem Merkmal der slawisch-mazedonischen Sprache und christlich-orthodoxer Religion und Kultur. Wie oben unter 2. vermerkt sind jedoch nur 64% der Bewohner Nord-Mazedoniens slawische Mazedonier. Über ihre Geschichte, Kultur und Sprache berichte ich in meinem Post http://euro-ethnien.blogspot.com/2013/11/2180-mazedonier-historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien

5.2 Albaner

 Neben den slawischen Mazedoniern lebt in Nord-Mazedonien die große Volksgruppe der Albaner, die mit 25% ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmacht. Über das albanische Volk und seine gemeinsamen Wurzeln mit den Albanern im Kosovo und Albanien berichte ich in meinem Post http://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2030-albaner-albanisches-volk.html .

              Albaner in Nordmazedonien Quelle: https://commons.wikimedia.org

Seit der Unabhängigkeit Nord-Mazedoniens und der Verabschiedung der Verfassung gab es großen Unmut und Widerstand der albanischen Bevölkerung. Der albanische Unmut entzündete sich vor allem an der Präambel und dem "Minderheitenbegriff" der mazedonischen Verfassung vom November 1991. Die Diskriminierung zeigte sich nicht nur daran, dass Albanisch nicht als offizielle Sprache anerkannt wurde,  sondern auch an der mangelnden Berücksichtigung der Albaner bei öffentlichen Stellen, so waren nur 3 Prozent aller Polizisten Albaner, obwohl rund ein Viertel der Bevölkerung Albaner ausmachen.

Die bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Jahre 2001 und die Vereinbarung von Ohrid (siehe 4. Geschichte). konnten erst durch dieses Abkommen beigelegt werden, das die Grundlage für die seitdem weitgehend friedlichere Entwicklung des Landes gelegt hat.[5]

Aufgrund des Abkommens von Ohrid wurden wesentliche Formulierungen der mazedonischen Verfassung geändert, u. a. über die Rechte der Minderheiten. Unterricht in albanischer Sprache gibt es seitdem in allen Altersstufen bis hin zur inzwischen staatlichen Universität in Tetovo. Politisch werden die Albaner durch mehrere albanische Parteien im Parlament von Skopje vertreten, die allerdings wegen ihrer Zersplitterung keine gebündelte Kraft darstellen. An mehreren Regierungen Nord-Mazedonien waren albanische Parteien beteiligt.

Seit dem Abkommen von Ohrid dominieren die beiden großen Volksgruppen – Albaner und Mazedonier –den ethnischen Diskurs in Mazedonien und häufig geraten die kleinen Minderheitengruppen „zwischen die Stühle“. Die Albaner profitieren u. a. auch vom Bekenntnis der Torbeschen zu einer albanischen Nationalität (siehe folgenden Punkt 5.3).

Zu den international  bekanntesten Albaner(innen) gehört  Mutter Teresa, die als Anjeza Gonxhe Bojaxhiu in Skopje geboren wurde und durch ihre humanitären Hilfsprojekte vor allem für Arme und Kinder in Indien weltweit Bekanntheit erlangte. Ihre Familie stammt hingegen nicht aus Nordmazedonien, der Vater kam aus Albanien und die Mutter aus dem Kosovo.[7] 

5.3 Torbeschen

Die Torbeschen in Mazedonien sind slawischsprachige Muslime wie die Bosniaken in Bosnien, die Pomaken in Bulgarien und Griechenland oder die Bosniaken und Goraner im Kosovo.

Sie sprechen die gleiche mazedonische Sprache wie die christlichen Mazedonier und werden daher vom nordmazedonischen Staat nicht als Minderheit anerkannt. Da in Mazedonien – ähnlich wie in Serbien oder Bulgarien – die Nationalität bzw. die nationale Identität praktisch identisch ist mit einem Bekenntnis zum christlich-orthodoxen Glauben, fühlen sich die Torbeschen jedoch nicht der mazedonischen Nationalität zugehörig.

Diese Tatsache führt zu den merkwürdigsten Selbstzuschreibungen. Beispielsweise ist Labuništa im Südosten an der Grenze zu Albanien eines der größten Torbeschen-Dörfer Nord-Mazedoniens. Fast alle Bewohner bezeichnen sich als Albaner, obwohl sie kaum ein Wort albanisch sprechen, sondern eben mazedonisch. Ein weiterer Teil der Einwohner dieses Dorfes bezeichnet sich als Türken oder Bosniaken, sind aber ebenso muttersprachliche Mazedonier. Allerdings schicken die Eltern des Ortes ihre Kinder inzwischen in eine zweisprachige Schule, in der sowohl mazedonisch als auch albanisch unterrichtet wird. Der Grund für das Bekenntnis zur albanischen Nationalität ist unterschiedlich. Zum einen sind die Albaner Nord-Mazedoniens überwiegend auch Muslime, zum anderen wurde mit dem Abkommen von Ohrid 2001 der Status der albanischen Sprache als wichtigste Landessprache neben mazedonisch anerkannt und der Einfluss albanischer Parteien im Staat ist seitdem gewachsen. Beispielsweise bekommt man leichter Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, wenn man sich zur albanischen Nationalität bekennt.

Ein anderes Beispiel ist das Torbeschen-Dorf Dolno Količani, südlich der Hauptstadt Skopje gelegen. Hier bezeichnet sich die Mehrheit der Einwohner als Türken, obwohl auch sie die türkische Sprache nicht beherrschen, sondern mazedonisch ihre Muttersprache ist. Für sie ist das Bekenntnis zur türkischen Nationalität gleichbedeutend mit der Aussage, dass man Muslim und nicht Christ ist. Die Absurdität wird von manchen Eltern sogar so weit getrieben, dass sie ihre Kinder in türkisch-sprachigen Klassen unterrichten lassen, obwohl ihre Kinder bei der Einschulung praktisch kein Wort türkisch beherrschen.

Auch als mazedonisch-sprachige Muslime wollen sich die Torbeschen nicht bezeichnen lassen, weil eben mazedonisch mit christlich gleichgesetzt wird und Christen wollen sie auf keinen Fall sein. Dabei hat das Bekenntnis zum Islam – ebenso wie in anderen Balkanstaaten – oft nichts mit der religiösen Überzeugung zu tun, sondern vor allem ist es ein Bekenntnis zum kulturellen Erbe. Die islamische Kultur ist diesen slawischen Muslimen wichtiger, als die Gemeinsamkeit  der Herkunft und Sprache.

Wie in anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien haben die slawischsprachigen Muslime seit dessen Zerfall häufig ihre Identität gewechselt (siehe meinen Post Bosnien-Herzegowina, und dort den Punkt 4.1) Wichtig für viele Torbeschen ist im praktischen Leben nicht wie man sich fühlt, sondern wie man sich deklariert.

Die Gemeinschaft der Torbeschen ist also in der Frage der nationalen Identität tief gespalten. Während ein großer Teil von ihnen sich zu einer anderen Nation (Albaner, Türken, Bosniaken) bekennt, legt inzwischen auch eine Minderheit Wert auf die Bewahrung und Festigung einer eigenen Identität als Torbeschen. Dem steht allerdings entgegen, dass der Staat Nord-Mazedonien die Torbeschen, als Volksgruppe nicht anerkennt. Das Bekenntnis als Albaner, Türke oder Bosniake ist also auch ein Akt des Widerstands gegen diese Politik des mazedonischen Staates. Da der ethnische Proporz bei der Verteilung wichtiger Ämter oft entscheidet, ist auch keine Partei der anderen Minderheiten bereit, die Torbeschen in ihrem Anliegen als eigenständige Nationalität zu unterstützen, weil ihnen dann bei der nächsten Volkszählung wichtige Prozentanteile verloren gehen.

Auf Grund der oben beschriebenen Selbstdeklarierungen ist eine Angabe über die Zahl der Torbeschen bzw. muslimischen Nord-Mazedonier schwierig. Schätzungen schwanken zwischen 40.000 und 70.000.[8]

5.4 Roma

Ein großes, ungelöstes Problem ist die Situation der Roma des Landes, die weiterhin in allen Bereichen der Gesellschaft diskriminiert werden. Die Lebensbedingungen der Minderheit sind zum Teil katastrophal. In der Resolution CM/ResCMN(2012)13 des europäischen Ministerrats vom 4. 7. 2012 wird festgestellt, dass mehr als 70% der Roma arbeitslos sind und dass der mazedonische Staat das Problem nicht mit der nötigen Entschlossenheit angeht, obwohl es in vielen Roma-Wohngebieten nach wie vor  keine Elektrizität, kein fließendes Wasser und keine ordentlichen Straßen gibt. Daran hat sich bis heute wenig geändert.  Srdjan Govedarica,  Korrespondent des ARD-Studios Wien, berichtet beispielsweise  2019 über die Zustände im Roma-Viertel der Stadt Bitola im südlichen Nord-Mazedonien: Überall Müll, miserable Infrastruktur, kaum Arbeit. Viele versuchen ihr Glück in Deutschland oder Westeuropa, denn sie können ohne Visum in den Schengenraum einreisen und dort 90 Tage bleiben. Oft stellen sie dann einen Antrag auf Asyl, der aber fast immer abgelehnt wird, weil Nord-Mazedonien als sicheres Herkunftsland gilt.[9]

Die Zahl der Roma wurde im Jahr 2002 mit 53.879 angegeben. Das sind 2,66 Prozent der Landesbevölkerung. Andere Quellen berichten von 80,000 bis zu 260,000 Roma in Mazedonien. Der Europarat spricht in seiner Veröffentlichung über die Rechte der Roma von einem Anteil von 9,59% an der Gesamtbevölkerung Nord-Mazedoniens, das sind ca. 200.000 Personen. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung geht von einer Zahl 185.000 aus. Roma bemängeln, dass sie in offiziellen Statistiken oft gegen ihren Willen zu den  Mazedoniern gezählt werden, weil ihre Muttersprache häufig Mazedonisch ist. Auf jeden Fall ist die Zahl der Roma in Nord-Mazedonien erheblich höher, als es die offiziellen Statistiken aussagen.

Wegen der großen Armut leben die Roma meist in Städten, da sie sich dort ein besseres Leben erhoffen. So  stellen sie in einem der 10 Bezirke der Hauptstadt Skopje die Mehrheit der Einwohner. Dieser Bezirk Šuto Orizari ist der einzige auf der ganzen Welt, in der die Roma eine Mehrheit bilden.  Die Mehrzahl der Einwohner sind hier muslimische Roma, hinzu kommen einige christliche Roma und einige Albaner. Der Bürgermeister des Bezirks, Elvis Bajram, ist ethnischer Roma.

Große Probleme in Šuto Orizari sind die hohe Arbeitslosigkeit, Schwarzarbeit, Kriminalität und Drogenmissbrauch. Laut  Europaratsbericht kam es hier im April 2010 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.[9]

Die Situation hat sich in den letzten Jahren zumindest für die Schulkinder etwas gebessert. Während noch vor 10 Jahren viele Kinder gar keine Schule besuchten und Analphabeten blieben,  gehen nun mehr Kinder auf eine der zwei Grundschulen in Šuto Orizari und zwar  für acht Schuljahre. Das Problem der Kinder besteht oft darin, dass sie auf Mazedonisch unterrichtet werden, während ihre Muttersprache Romani ist. Unterricht auf Romani gibt es nur als zusätzliches Wahlfach. Viele Kinder und ihre Eltern sprechen auch Deutsch, weil sie längere Zeit als Gastarbeiter oder Asylbewerber in Deutschland gelebt haben. Seit einiger Zeit können Schüler ab der 6. Klasse auch Deutsch als Sprache lernen. Der Bau einer berufsbildenden Mittelschule wurde kürzlich beschlossen. Die Mittel dafür stammen zum Teil von der österreichischen Entwicklungsagentur (ADA).[9]

Der Beratende Ausschuss des Europarats regte an, die Balkan-Ägypter auch in den Status einer Minderheit zu heben. Bislang lehnt Skopje dieses Ansinnen ab, mit der Begründung es handele sich um eine Roma-Gruppe. Tatsächlich handelt es sich um eine Romagruppe, die sich jedoch selbst von den Romani sprechenden Roma bewusst abgrenzt. Die Balkan-Ägypter sprechen hier Mazedonisch als Muttersprache und begründen ihre besondere Identität mit dem Herkunftsmythos einer Herkunft aus Ägypten. (Weitere Hinweise zu den Balkan-Ägyptern siehe in meinem Blog ….

Der 8. April ist der Internationale Tag der Roma und in Nordmazedonien ein optionaler Feiertag. Dieses Datum verweist auch auf ein traditionelles Fest derRoma in Transsylvanien, den „Tag des Pferds“, an dem die Pferde aus dem Winterstall gebracht, geschmückt und mit Girlandenbekränzt wurden. An diesem Tag finden überall auf der Welt Kulturveranstaltungen der Roma statt. Er ist für die Angehörigen der Roma-Minderheit arbeitsfrei, Schulen und die meisten Geschäfte in Orten mit vielen Roma-Angehörigen sind geschlossen.[10]

5.5 Türken, Balkantürken

Mazedonien war bis zum Jahre 1912 über Jahrhunderte Teil des Osmanischen Reiches. Als Folge dieser langen gemeinsamen Geschichte leben noch heute viele Muslime in Nord-Mazedonien und auch noch eine  anerkannte Minderheit der Balkantürken. Sie stellten im Jahr 2002 mit 3,85 Prozent offiziell die drittgrößte Volksgruppe. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich viele Torbeschen als Türken deklarierten (siehe 5.3) und dass die Zahl der Roma-Angehörigen wohl nach oben zu korrigieren ist (siehe 5.4).  In den offiziellen Zahlen waren das im Jahr 2002 laut Statistik 77.959 türkische Personen.Darüberhinaus beherrschen allerdings auch viele Mitglieder anderer Nationalität die türkische Sprache.

Die türkische Bevölkerung verteilt sich vor allem in den Städten des Westens und der Mitte Nordmazedoniens.

Aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid vom 13. August 2001 und der darauf hin erfolgten Änderung der makedonischen Verfassung am 20. November 2001, darf neben der makedonischen Sprache die einer ethnischen Gemeinschaft im amtlichen Verkehr verwendet werden, wenn deren Angehörige in einer Gemeinde bzw. Stadt einen Anteil von mindestens 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung stellen.

Im Falle der Angehörigen der türkischen Gemeinschaft wurde dieses Quorum bereits nach der Verfassungsänderung in den Gemeinden bzw. Städten Studeniçan, Gostivar, Vrapçişte, Merkez Jupa, Plasnica und Çayır ve Doyran  erreicht. In diesen Kommunen darf neben der makedonischen Sprache das Türkische im amtlichen Verkehr benutzt werden. Amtliche Formulare, Bescheide und sonstige Schriftstücke können also auch auf Türkisch verfasst werden und es gibt für Schulkinder Unterricht in türkischer Sprache. Im Jahre 2016 kam noch die westmazedonische Stadt Kicevo (türkisch Kircova) hinzu, in der nun Mazedonier, Albaner und Türken gleichberechtigt zusammen leben.[11]

5.6 Serben

Laut Volkszählung von 2002 gaben 35.939 Personen = 1,78%  als Nationalität „serbisch“ an. Wie im Post http://euro-ethnien.blogspot.com/2013/11/2180-mazedonier-historische Region - slawisch u. griechisch Mazedonien

nachzulesen wurde das heutige Nordmazedonien nach den Balkankriegen 1912/13 dem serbischen Staat als Süd-Serbien angeschlossen. In den Folgejahren war serbisch offizielle Sprache auch im Unterricht der Schulen. Aufgrund des Dialekt-Kontinuums der slawischen Sprachen auf dem Balkan war dies durchaus möglich. Wie ebenfalls im vorgenannten Post beschrieben, wurde erst im 2. Weltkrieg und später unter Tito-Jugoslawien die eigenständige Sprache und Nationalität „mazedonisch“ geschaffen. So verwundert es nicht, dass vor allem in Grenzgebieten sich immer noch eine Minderheit zur serbischen Nationalität bekennt. Ausführliche Angaben zum serbischen Volk siehe https://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2260-serben-serbisches-volk.html

5.7 Bosniaken 

Bei der Volkszählung im Jahre 2002 deklarierten sich 17.018 Personen oder 0,84% als Bosniaken. Anzunehmen ist, dass es sich vor allem um Torbeschen handelte bzw. um muslimische Slawo-Mazedonier. Wie in anderen Bereichen des ehemaligen Jugoslawien konnten sich Muslime nicht mehr als besondere Nationalität bekennen und wählten daher in Verbundenheit mit den Bosniaken in Bosnien die Nationalität „Bosniake“ (siehe meinen Post Bosnien-Herzegowina und dort unter 4.1)

Der 28. September ist der Internationale Tag der Bosniaken und für Angehörige dieser Minderheit ein optionaler Feiertag.(siehe Anmerkung [10] )

5.8 Gorani/Goranen

In der Grenzregion zwischen Albanien, dem Kosovo und Mazedonien lebt die kleine Volksgruppe der Goranen. Der größere Teil der Goranen lebt in den Bergregionen des südlichen Kosovo und in Albanien. Zwei goranische Dörfer liegen auf dem Territorium Mazedoniens.

Die Gorani sprechen einen südslawischen Übergangs-Dialekt vom Serbischen zum Mazedonischen und Bulgarischen, den sie selbst als Našinski (das bedeutet: unsere Sprache) bezeichnen. Ausführliche Angaben zu dieser Volksgruppe mach ich  in meinem Post  https://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2022-kosovo-kosovo-albaner.html Pkt. 5.5

Das heutige Nord-Mazedonien – und dort vor allem die national eingestellten Slawo-Mazedonier – erkennen die Gorani nicht als eigenständige Volksgruppe an. Ähnlich wie bei den Torbeschen argumentieren sie, dass die Gorani einen der mazedonischen Sprache verwandten Dialekt sprechen und daher Slawo-Mazedonier seien. Auf Grund dessen wird ihnen der Minderheitenstatus verweigert. [12]

5.9 Aromunen /Vlachen - Meglenorumänen

Als kleine Minderheit sind noch gemäß Volkszählung (von 2002) 9.696 Aromunen / Vlachen, davon wiederum ca. 1.000 Meglenorumänen zu erwähnen. Sie wohnen in einigen Dörfern an der Grenze zu Griechenland in der Nähe der Stadt Bitola. Viele dieser Dorfbewohner haben ihren Wohnort inzwischen allerdings verlassen und sind in andere nordmazedonische Städte gezogen oder sogar weiter ins westliche Ausland, da in ihren Wohnorten keine Verdienstmöglichkeiten bestehen und auch der mögliche Fremdenverkehr in dieser reizvollen Landschaft nicht gefördert wird. Die Dörfer ( wie    z. B.Nizepole, Maloviste, Gopes) haben jedoch kunstvoll ausgestattete orthodoxe Kirchen, die von früherem Wohlstand und einer weitaus größeren aromunischen Vergangenheit zeugen.

Aromunen sind unter der Bezeichnung Vlachen in Mazedonien - als einem von wenigen Balkanstaaten - anerkannte Minderheit. Aromunische Aktivisten geben an, dass ihre Minderheit viel größer sei, als  bei der letzten Volkszählung (s.o.) offiziell ermittelt. Viele Aromunen würden sich bei Volkszählungen als Mazedonier bekennen, obwohl sie eine mehr oder weniger ausgeprägte aromunische Identität bewahrt hätten. Tatsächlich ist die Assimilierung bei vielen Vlachen weit fortgeschritten. Vlachische Organisationen nennen unter Berücksichtigung doppelter Identitäten bis zu 100.000 Angehörige ihrer Volksgruppe. Nur noch wenige Meglenorumänen leben in einigen Dörfern an der griechischen Grenze bei Gevgelija. Ihre Sprache ist vom Aussterben bedroht.[8]

Nähere Angaben zu dieser romanisch-sprachigen Minderheit auf dem Balkan enthält mein Post Rumänen - romanische Volksgruppen auf dem Balkan  Pkt. 3.3.

6. Grenzen des Staates Nord-Mazedonien

Als reiner Binnenstaat, der an 5 Nachbarstaaten angrenzt, hat das relativ kleine Mazedonien (25.713 qkm – zum Vergleich das deutsche Bundesland Hessen ist 21.115 qkm groß) eine Grenzlänge von insgesamt 838 km, davon eine gemeinsame Grenze von 181 km mit Albanien, 162 km mit Bulgarien, 234 km mit Griechenland, 160 km mit dem Kosovo und 101 km mit Serbien.

Als Kleinstaat mit zudem einem großen Anteil an Minderheiten und einer bis in die jüngste Vergangenheit ungeklärten nationalen Identität, musste Mazedonien von Beginn seiner Unabhängigkeit an bestrebt sein, dass seine Grenzen zu allen Nachbarn nicht in Frage gestellt werden. In Artikel 50 der Vderfassung wurde  der Zusatz aufgenommen, dass sich die Republik nicht in die souveränen Rechte anderer Staaten und in deren inneren Angelegenheiten einmischen wird, obwohl man sich in diesem Verfassungsartikel verpflichtet, die Angehörigen des mazedonischen Volkes in den Nachbarstaaten zu unterstützen und sich für deren kulturelle Entwicklung einzusetzen.
Da alle Teilrepubliken oder autonomen Provinzen in der Zeit Jugoslawiens zum selben Staat gehörten, hatte man damals den exakten Trennlinien zwischen ihnen nicht immer so große Bedeutung beigemessen. Daraus ergaben sich nun aber für die neuen selbständigen Staaten durchaus Probleme.

Mit Serbien wurde 2001 ein Grenzvertrag geschlossen, bei dem Serbien (damals noch als Jugoslawien) auch für die Grenzen des Kosovo handelte. Dabei  wurde eine Einigung hinsichtlich des für Mazedonien historisch wichtigen Klosters Prohor Pcinjski   im südlichen Zipfel Serbiens geschlossen. Das Kloster sollte demnach weiter auf serbischen Gebiet verbleiben, erhielt aber den Status eines mazedonischen kulturgeschichtlichen Denkmals. Im Gegenzug wurde von Mazedonien ein historisch für die Serben wichtiges Kriegerdenkmal aus dem ersten Balkankrieg auf seinem Territorium unter besonderen Schutz gestellt

Das Kloster Prohor Pčinjski ist eines der ältesten südslawischen Klöster. Es liegt heute auf serbischem Gebiet in unmittelbarer Nähe zur Grenze der Republik Mazedonien. Es ist dem heiligen Einsiedler Prohor geweiht. Der Legende nach hat er dem späteren byzantinischen Kaiser Romanus Diogenes geweissagt, dass er Kaiser würde. Dieser errichtete dann im 11. Jahrhundert anstelle der Einsiedlerhöhle einen Klosterbau.  Die Fußabdrücke in Felsgestein werden von den Gläubigen hier ebenfalls verehrt. Das Kloster in der heutigen Form wurde nach mehrfacher Zerstörung immer wieder aufgebaut, zuletzt im Jahre 1878. Wertvolle Ikonen aus dem 15. Jahrhundert sind noch im Kloster zu besichtigen. Das Kloster ist sowohl für serbisch- als auch mazedonisch-orthodoxe Christen von großer kultureller und religiöser Bedeutung. Aber auch für die junge Nationalgeschichte der Slawo-Mazedonier ist dies ein historischer Ort, denn hier wurde im August 1944 der „Antifaschistische Rat der nationalen Befreiung Mazedoniens“  gegründet, der die Bildung einer „Mazedonischen Volksrepublik“ im Rahmen der künftigen Jugoslawischen Föderation beschloss. Als eine weitere seiner ersten Handlungen beschloss de Rat hier  die Einführung der „mazedonischen Sprache“, die in der künftigen Mazedonischen Volksrepublik Amtssprache werden sollte.

Bezüglich der Grenzen zum Kosovo wurde vereinbart, dass in den kommenden zwei Jahren (nach 2001)  die endgültige Demarkationslinie festgelegt wird.([13]. Dazu ist es dann wegen des Kosovo-Krieges und seinen Folgen nie gekommen. In dem Vertrag waren 2500 Hektar Bergweiden bei Debalde Mazedonien zugeschlagen worden. Dagegen hatten ansässige albanisch-stämmige Hirten protestiert, die sich Kosovo verbunden fühlen. Nachdem Mazedonien den neuen Staat Kosovo bereits 2008 anerkannte, wurden im Oktober 2009 diplomatische Beziehungen aufgenommen und der Grenzstreit beigelegt. Entgegen dem zuvor erwähnten Abkommen mit Serbien kam die makedonische Regierung der Regierung des Kosovo dabei entgegen und änderte den Grenzverlauf eines umstrittenen 20.000 Hektar großen Gebietes in der Umgebung der mazedonischen Dörfer  Debelde und Tanusevci zu Gunsten des Kosovo. Als Ausgleich bekam die Regierung in Skopje Territorium im Länderdreieck Kosovo – Makedonien – Albanien. Prompt kam natürlich Protest aus Belgrad, das bereits bei der Anerkennung des Kosovo durch Skopje den serbischen Botschafter aus Skopje abgezogen hatte.[14]

7. Die Mazedonisch-orthodoxe Kirche

Um eine eigenständige mazedonische Identität zu fördern, haben im Oktober 1958  die orthodoxen Bischöfe der Teilrepublik Mazedonien mit Förderung der kommunistischen Machthaber in Skopje eine eigene Kirchenorganisation geschaffen. Während des damaligen zweiten mazedonischen Nationalkonzils wurde Bischof Dositej  zum Erzbischof von Ohrid gewählt. Dies bedeutete für die Mazedonier auch die Wiedererrichtung des im 18. Jahrhundert untergangenen Erzbistums von Ohrid. Gleichzeitig mit Dositej wurden zwei weitere Bischöfe mazedonischer Nationalität gewählt und so eine Synode der nunmehr autonomen mazedonischen Kirche gebildet.

Im Jahre 1967 hat sich diese Kirche gegen den Willen des serbischen Patriarchats für autokephal erklärt. Auch die anderen orthodoxen Kirchen – einschließlich des ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel – haben diese selbständige mazedonische Kirche bisher nicht anerkannt. Im Gegenteil: Die Patriarchen von Belgrad  beharren bis heute auf ihrer Zuständigkeit und haben ein eigenes autonomes Erzbistum Ohrid eingerichtet. Auch der Patriarch von Sofia / Bulgarien, dem die mazedonischen Bischöfe bis zum Ende des 1. Weltkriegs unterstanden, hat seine Ansprüche geltend gemacht. Aufgrund der Friedensverträge nach dem 1. Weltkrieg wurden dann im März 1920 due Bistümer in Vardar-Mazedonien vom ökumenischen Patriarchen an die serbische Kirche übergeben, die bis in die 1940er-Jahre ausschließlich Serben als Bischöfe eingesetzt hat.

Die mazedonisch-orthodoxe Kirche hingegen beruft sich auf die mittelalterliche Tradition des autonomen Erzbistums von Ohrid, das erst unter der Herrschaft der Osmanen und im Einvernehmen mit dem Patriarchen von Konstantinopel 1767 aufgelöst wurde. Danach wechselten sich die orthodoxen Kirchen der Griechen, Bulgaren und Serben in ihrer Zuständigkeit für Vardar-Mazedonien ab.

Für die Mazedonier war es außergewöhnlich wichtig, trotz der Sanktionen anderer Kirchen, den Schritt in die Unabhängigkeit zu machen, um eine eigenständige Nation – unterscheidbar von Serben und Bulgaren – zu festigen.
Nach eigenen Angaben bekennen sich etwas zwei Drittel der (nord-) mazedonischen Bevölkerung zur mazedonisch-orthodoxen Kirche. Heute hat diese Kirche ein Erzbistum (Ohrid – Sitz des Erzbischofs ist aber Skopje) und 7 Bistümer (Eparchien) in Mazedonien sowie 3 weitere im Ausland (Amerika, Australien, und West-Europa (mit Sitz in Malmö/Schweden). Auch in Deutschland gibt es mehrere mazedonisch-orthodoxe Kirchengemeinden, u. a. in Berlin, Hannover, Stuttgart, München und Dortmund.

Die Auseinandersetzungen zwischen der serbischen und der mazedonischen Orthodoxie konnten auch nach der Unabhängigkeit Mazedoniens nicht beigelegt werden. Sie sind sogar noch eskaliert, als im Jahre 2002 der mazedonische Bischof Jovan von Vels seine Eparchie der serbisch-orthodoxen Kirche unterstellte und er daraufhin vom Belgrader Patriarchat zum Exarchen des Erzbistums Ohrid ernannt wurde. Daraufhin wurde Jovan von der mazedonischen Kirche exkommuniziert und es gibt nun 2 Erzbischöfe von Ohrid. Dem Beispiel Jovans folgten 2004 vier mazedonische Klöster mit 30 Mönchen.

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche fordert  weiterhin die Rückkehr der Mazedonischen Kirche unter ihre Hoheit und ist lediglich bereit, eine Autonomie innerhalb des serbischen Patriarchats anzuerkennen. Noch im März 2018 hat die serbische Orthodoxie eine neue Kirchenverfassung beschlossen, in der nach wie vor der Eindruck erweckt wird, dass die mazedonische Orthodoxie ein unabänderlicher Bestandteil des serbischen Patriarchats sei. Auch droht im Zusammenhang mit dem von Griechenland ausgelösten Streit um den offiziellen Namen Mazedoniens auch ein Konflikt um den Namen „Mazedonisch-orthodoxe Kirche“. Erst nach der endgültigen politischen Beilegung dieses Streits ist wohl auch hier eine Lösung möglich. Ein möglicher Vorschlag lautet: „Autokephales Erzbistum Ohrid“.

Gegen die neue serbische Kirchenverfassung und die Absicht der Serben weitere Bischöfe in Mazedonien zu weihen gab es heftigen Protest des mazedonischen Kirchenoberhaupts Erzbischof Stefan Veljanovski von Ohrid.

Seit November 2017  sah es nach einer Annäherung zwischen mazedonischer und bulgarischer Orthodoxie aus. Die mazedonisch-orthodoxe Kirche in einem offiziellen Schreiben an Sofia erklärte, man sei bereit, die bulgarisch-orthodoxe Kirche als ”Mutterkirche” zu akzeptieren, wenn Sofia zuvor die “Autokephalie” (Selbständigkeit) der Mazedonier offiziell anerkenne. Im Februar 2018 begleitete Metropolit Nikolai von Plovdiv dann den bulgarischen Präsidenten Rumen Radev bei einem Besuch mazedonischer Klöster. Dabei rief der bulgarische Präsident Radev im Anschluss an einen Staatsbesuch in Skopje in alle orthodoxen Kirchen dazu auf, nicht länger die Ächtung der mazedonischen Orthodoxie durch Belgrad mitzutragen. Es sei Zeit, endlich  die autokephale eigenständige Landeskirche Mazedoniens  anzuerkennen. Natürlich löste dies in Athen und Belgrad Missfallen aus. Aber auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I nannte die Aktionen der bulgarischen Kirche bezüglich der schismatischen mazedonischen Kirche ausdrücklich als „unkanonisch“ und als  nach Ostern der mazedonische Präsidenten Gjorgje Ivanov den Ökumenischen Patriarchen besuchte, zeigte dieser keine Bereitschaft, auf die Wünsche Mazedoniens einzugehen.

Ende Mai 2018 bei der 1000-Jahr Feier des Patriarchats von Ohrid kam dann die Heilige Synode von Sofia der Einladung zum Jubiläum nicht nach. Demgegenüber erklärte die bulgarische Kirche ihren kanonischen Anspruch als Rechtsnachfolgerin der Erzeparchie Ohrid. Am 24. Mai – am Festtag des Heiligen Kyrill – fanden sich zwar am Grab des Slawenapostels  in der Basilika San Clemente erstmals offizielle staatliche Delegationen aus Sofia und Skopje (unter Führung der Ministerpräsidenten Bojko Borisov und Zoran Zaev) gemeinsam ein (ein solches Miteinander hatte es bisher noch nie gegeben). Beiden Delegationen gehörten auch orthodoxe Bischöfe an. Allerdings gab es keine gemeinsame Göttliche Liturgie am Grab Kyrills, die bulgarischen Hierarchen konnten mit den offiziell als Schismatiker geltenden Mazedoniern nicht konzelebrieren.

Nachdem im Streit zwischen Griechenland und (Nord-)Mazedonien nun eine Einigung erzielt wurde, ist im Streit um den Status der mazedonischen Kirche bis heute eine Lösung nicht in Sicht.[15]

8. Perspektiven - Hoffnung auf die EU

Zusammenfassend muss man feststellen, dass der junge Staat Republik Nord-Mazedonien sowohl im inneren als auch im Verhältnis zu seinen Nachbarn mit schwerwiegenden Problemen belastet ist. Ein wichtiges, verbindendes Element ist trotz der EU-Krise, der Wunsch der politischen Eliten Mazedoniens – egal ob Albaner oder ethnischer Mazedonier - in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Daher stellte das Land im März 2004 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Union. Die Kommission gab im November 2005 eine befürwortende Stellungnahme ab und der Rat beschloss im Dezember 2005, dem Land den Status eines Bewerberlandes zu verleihen. Im Oktober 2009 empfahl die Kommission die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen.[16] Durch die Einigung mit Griechenland auf den Staatsnamen "Nord-Mazedonien" ist ein wichtiges Hindernis aus dem Weg geräumt. Dieübrigen  Voraussetzungen für eine Aufnahme in die EU sind m. E. aber noch lange nicht erfüllt. Hier ist auf die oben angesprochenen Probleme mit den Minderheiten, aber auch auf Defizite in der Verwaltung, der Justiz und eine erhebliche Korruption hinzuweisen. Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten sollten den Aufnahmewunsch Mazedoniens als Druckmittel benutzen, um eine Verbesserung dieser Probleme herbeizuführen, bevor es zu Beitrittsverhandlungen kommt.




Anmerkungen und Quellenangaben

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/mazedonien-soll-kuenftig-nord-mazedonien-heissen-namensstreit-mit-griechenland-a-1212589.html

[2] Der Fischer Weltalmanach. © Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012.

[3] http://living-diversity.blogspot.de/2012/08/mazedonien-europarat-besorgt-uber.html und http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/741.html Deutschlandfunk: Hintergrund Politik vom: 18.9.2002

[4]http://www.welt.de/print-welt/article566730/Bulgarien-erkennt-Mazedonien-als-Nation-an.html

[5] https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54789/mazedonien

[6]http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/minorities/3_FCNMdocs/PDF_3rd_OP_FYROM_en.pdf 

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Mutter_Teresa

[8] Wichtige Angeaben zu den Torbeschen und Aromunen/Vlachen verdanke ich dem Buch von Cyrill Stieger „Wir wissen nicht mehr, wer wir sind“ und darin dem Kapitel „Wie kann ich einer Nation angehören, die es gar nicht gibt“ BPB-Schriftenreihe Band 10292, Bonn 2018, ab S. 61

[9] https://www.ard-wien.de/2019/02/11/das-roma-viertel-bair-in-bitola/  und  Flüchtlingsrat Baden-Württemberg: Länderbericht Mazedonien – Stand Juli 2018

[10] Angehörigen wichtiger Religionsgemeinschaften (Orthodoxe, Moslems, Juden und Katholiken) sowie nationalen Minderheiten (Albaner, Roma, Bosniaken) werden zusätzliche Feiertage mit vergüteter Arbeitsbefreiung gewährt. Diese können bis zu fünf Arbeitstage umfassen. Siehe https://www.coe.int/en/web/roma-and-travellers/home und https://www.timeanddate.de/feiertage/mazedonien

[11] https://www.neopresse.com/politik/asien/mazedonien-tuerkisch-wird-amtssprache-in-weiterer-stadt/
[12]Thomas Schmidinger: Gora: Slawischsprachige Muslime zwischen Kosovo, Albanien, Mazedonien und Diaspora

[13] https://derstandard.at/480997/Jugoslawien-und-Mazedonien-vereinbarten-Grenzlinie

[14] https://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/515881/Kosovo-und-Mazedonien-legen-Grenzstreit-bei-

[15] Die Ausführungen zur mazedonischen Kirche habe ich unter Nutzung folgender Informationen verfasst:https://ostkirchen.info/mazedonische-kirche-konstantinopel-greift-ein/  und  https://mazedonien-nachrichten.blogspot.com/2018/03/mazedonische-orthodoxe-kirche-gegen.html  und http://sveti-nikola.de/?page_id=633  und http://pelagon.de/?p=6608

[16] http://ec.europa.eu/enlargement/countries/detailed-country-information/fyrom/index_de.htm







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