1. Vorwort – Einführung
Im August 2013 fand in Gelsenkirchen ein
Qualifikationsspiel zur europäischen Fußball-Champions-League zwischen dem FC
Schalke 04 und und dem griechischen Club Paok Saloniki statt, das anschließend
für Schlagzeilen in allen Medien, und das nicht nur im Sportteil, sorgte. Was
war der Grund?
Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot und unter
Einsatz von Pfefferspray in den Schalker Fanblock eingedrungen, um ein Banner
zu entfernen, das von befreundeten Anhängern des mazedonischen Klubs Vardar
Skopje präsentiert wurde. Dieses Banner ist häufig im Schalker Block zu sehen,
seitdem die Schalker Fans sich mit den Mazedoniern nach einem UI-Cup-Spiel im
Jahr 2004 angefreundet hatten.Es handelt sich bei der Fahne des Fanklubs mit
der Aufschrift Komiti Düsseldorf (in kyrillischer Schrift) um die so genannte Vergina-Sonne auf
rotem Grund, die nach der Unabhängigkeits-Erklärung Mazedoniens im Jahr 1992
die Nationalflagge der früheren jugoslawischen Teilrepublik wurde.[1]
Seit der Unabhängigkeit der Republik Mazedonien ist diese
Episode nur ein kleiner Ausschnitt aus einem langen Namens- und Flaggenstreit
zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien. (siehe Geschichte)
Das Symbol der Sonne von Vergina soll auf die mazedonische
Dynastie von Philipp II und Alexander d. Gr. zurückgehen. Das antike
16-strahlige Symbol fand man bei Ausgrabungen im griechischen Teil der Region
Mazedonien. Daher beanspruchte Griechenland das Symbol für sich, ebenso wie es
sich gegen den Landesnamen „Mazedonien“ wandte. Von 1992 bis 1995 wurde dieses
Symbol auf roten Grund vom neuen unabhängigen Staat Mazedonien als Staatsflagge
benutzt, bis man sich griechischem Druck beugte und seitdem ein anders
stilisiertes Symbol verwendet. (s.u.) Noch heute benutzen viele Vereine und
Organisationen in Nord-Mazedonien das Symbol der Vergina-Sonne, ebenso auch
in Griechenland, wo die griechische Region Makedonien dasselbe Symbol, jedoch
auf blauem Grund verwendet. Aus ähnlichen Gründen wehrte sich Griechenland über ein Vierteljahrhundert
gegen die Namensbezeichnung des neuen unabhängigen Mazedonien.[2]
Mit einem historisch zu nennenden Kompromiss einigten sich die beiden Staaten 2018 auf den Namen Nord-Mazedonien für die ehemalige jugoslawische Teilrepublik. Im Januar 2019 stimmten die Parlamente beider Staaten nach langen vorausgegangenen Protesten dieser Einigung zu. Darüber berichte ich in meinem Post 2.181 Nord-Mazedonien.
Mit einem historisch zu nennenden Kompromiss einigten sich die beiden Staaten 2018 auf den Namen Nord-Mazedonien für die ehemalige jugoslawische Teilrepublik. Im Januar 2019 stimmten die Parlamente beider Staaten nach langen vorausgegangenen Protesten dieser Einigung zu. Darüber berichte ich in meinem Post 2.181 Nord-Mazedonien.
Den Streit kann man nur verstehen, wenn man die Geschichte
Mazedoniens und die daraus herrührenden Empfindsamkeiten Griechenlands kennt.
Griechenland hat nämlich eine starke emotionale Bindung an das Reich Alexander
des Großen entwickelt, den man als Heros des griechischen Altertums als Vorbild
für das moderne Griechenland sieht. In gleicher Weise fühlen sich aber auch die
Mazedonier in der neuen Republik als Nachfahren Alexanders. Der junge Staat will seine Geschichte neu definieren und hat im Stadtzentrum von Skopje eine 25 m hohe Figur erstellen lassen, die Alexander der Großen darstellen soll. Allerdings hat
Alexander d. Gr. zwar weite Teile Vorder-Asiens bis nach Persien erobert, aber
Skopje – die heutige Hauptstadt der Republik Mazedonien - gehörte nie zu seinem Königreich. Einen Ehrenplatz im neuen Stadtbild von Skopje nehmen auch die Slawenapostel Kyrill und Method ein, die aus Saloniki stammen. Sie waren Griechen, waren aber mit der damaligen südslawischen Sprache vertraut. Auch hier sehen wir wieder die Gemeinsamkeiten zwischen Griechen und Südslawen, die allerdings durch Extremisten auf beiden Seiten gestört wird, in dem sie eine Alleinstellung und eine geschichtliche Wahrheit für sich allein beanspruchen.
2. Name, Lage und Zahlen
Im deutschen Sprachraum ist die Schreibweise Mazedonien am häufigsten, es wird aber auch Makedonien verwandt.Zur Klärung der Situation ist es notwendig zwischen dem Mazedonien des Altertums, der neuzeitlichen überstaatlichen Region Mazedonien, dem seit 1991 unabhängigen Staat Republik (Nord-)Mazedonien (dem früheren Teilstaat Jugoslawiens) und der griechicschen Region Mazedonien zu unterscheiden. Dies zeigt die nachfolgende Karte
Hieraus ist gut zu ersehen, dass die Region Mazedonien
heute auf vier bzw. sogar 5 oder 6 Staatsgebiete aufgeteilt ist. Im Norden liegt die seit
1991 unabhängige Republik Nord-Mazedonien, im Süden die griechische Region
Mazedonien und im Nordosten gehört das sogenannte Pirin-Mazedonien zu
Bulgarien. Ein kleiner Zipfel im Westen gehört zu Albanien. Außerdem liegt das für die Mazedonier historisch wichtige Kloster Prohor Pcinjski auf serbischem Territorium. Schließlich siedelt die den Mazedoniern verwandte Volksgruppe der Gorani im Kosovo und einigen Dörfern Albaniens und Mazedoniens ( siehe https://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2022-kosovo-kosovo-albaner.html und dort den Abschnitt 5.5 )
. Dies ist das
Ergebnis der Geschichte insbesondere des 20. Jahrhunderts. (siehe 4. Geschichte)
3. Sprache
Im 6. und 7. Jahrhundert
dringen slawische Stämme von Norden her auf dem Balkan vor und kommen bis auf
den Pelopones. Ureinwohner wie Illyrer und Thraker werden integriert. Lediglich
Griechen sowie später Rumänen und Albaner können sich der Slawisierung
entziehen. Griechen im mittleren Teil des heutigen Griechenland integrieren
sogar die Eindringlinge. Nicht so im Bereich Mazedonien, wo sich um Saloniki
Slawen dauerhaft festsetzen. Von hier aus missionierten im 9. Jahrhundert die
Brüder Kyrill und Method die Slawen bis hinauf nach Mähren. Sie selbst waren
zwar Griechen, verstanden aber die Dialekte der Slawen in Ägäisch-Mazedonien
und schufen daraus eine slawische Kirchensprache, in die sie die Bibel
übersetzten. Dies erleichterte die Bekehrung aller slawischen Stämme. Sie
benutzten dazu ein aus dem Griechischen entlehnte Alphabet, das Kyrillisch
genannt wurde aber eigentlich glagolithisch war. Es ergänzte das griechische
Alphabet um Zeichen für slawische Laute, die im Griechischen nicht vorkommen.
Ab dem 10./11. Jahrhundert wurde die
Glagoliza-Schrift durch Reformen von der Kyrillischen Schrift verdrängt. Bis
heute ist das Kirchenslawische die Liturgie-Sprache der othodoxen Kirchen.
Nicht zuletzt deshalb
bestehen zwischen den geschichtlich gewachsenen slawischen und vor allem
südslawischen Sprachen große Gemeinsamkeiten. So ist es nicht verwunderlich,
dass Bulgaren das Mazedonische als bulgarischen Dialekt bezeichnen und Serben
als südserbisch.
Als im 19. Jahrhundert
auch bei den Slawen des Balkans die nationale Frage aufkam entstand in Saloniki
1838 die erste slawische Druckerei, die Schriften in slawischer Sprache
herausbrachte. Heute wird dies von Mazedoniern als Beginn der mazedonischen
Schriftsprache betrachtet, damals war es wohl eher ein westbulgarischer
Dialekt.
Erst Tito gab mit einer
diplomatischen Meisterleistung im Jahre 1944 der bisherigen serbischen Provinz Vardarska Banovina
(d. h. Distrikt des Flusses Vardar) den Namen Volksrepublik oder Sozialistische Republik
Mazedonien und das Mazedonische – bisher ein westbulgarischer Dialekt – wurde zu einer anerkannten offiziellen Sprache des
Bundesstaates Jugoslawien.
Erst seit dieser Zeit kann man von einer mazedonischen Schriftsprache
sprechen.[3]
Kontroversen über den Namen
einer Sprache lassen sich oft auf politische Auseinandersetzungen oder
Grenzziehungen nach Kriegen zurückführen. Dies gilt insbesondere für das
Mazedonische. Im Bereich zwischen Bulgarien, Mazedonien und Serbien besteht ein
Dialekt-Kontinuum, so dass sich solche Konflikte niemals durch Anlegen
linguistischer Maßstäbe lösen lassen.[4]
Bulgarien hatte zwar die Republik Mazedonien 1992 als
Staat sofort anerkannt, weigerte sich aber jahrelang eine mazedonische
Minderheit im eigenen Land und das Mazedonische als eigene Sprache
anzuerkennen. Im Jahr 1999 legten die bulgarische und die mazedonische
Regierung ihren jahrelangen linguistischen Streit bei, der die bilateralen
Beziehungen schwer belastete. Bulgarien erkannte die Eigenständigkeit der
mazedonischen Sprache als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts offiziell an, Mazedonien entsagte im
Gegenzug jeglicher Einflussnahme auf die slawisch-mazedonische Minderheit im
bulgarischen Pirin-Mazedonien. Bulgarien weigert sich aber weiter, die
Mazedonier der ehemaligen jugoslawischen Republik als eigenständige
Nation/Kulturgemeinschaft anzuerkennen. Dafür setzen sich vor allem die ca. 1,5
Millionen Slawo-Mazedonier ein, die aus dem griechischen Teil Mazedoniens
vertrieben, geflüchtet oder umgesiedelt wurden (s. u.), und sich als „echte“
Bulgaren fühlen. Daraus ergeben sich immer wieder Konfliktsituationen zwischen
den Nachbarstaaten.
Über die Frage, ob die Mazedonier eine eigene Nation
bilden und eine eigene Sprache haben, ist schon viel geschrieben worden und es
gibt keine eindeutigen Antworten. Ich schließe mich bei dieser Frage der
Meinung von Wolfgang Libal an, der schreibt:…dass die Mehrzahl der Experten
meint, dass die Mazedonier Teil der größeren bulgarischen Kulturgemeinschaft
sind und ihre Sprache ein westbulgarischer Dialekt.[5]
4. Geschichte
Zur Vorgeschichte der Region Mazedonien verweise ich auf
die ausführliche Darstellung unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Makedonien.
Außerdem verweise ich auf meine Übersichtstabelle
2.901 Balkan – Geschichte.
Wichtig zu erwähnen für
die neuere Gescchichte ist der am 3. 3. 1878 geschlossene Präliminarfrieden von
San Stefano zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, der eine Vergrößerung
Bulgariens um fast das ganze historische Mazedonien vorsah. Dieser
Friedensvertrag trat jedoch nie in Kraft, denn auf dem Berliner Kongress im
Juli 1878 wurde diese Grenzziehung revidiert und Mazedonien verblieb unter
gwissen Auflagen beim Osmanischen Reich. Die Sehnsucht der Bulgaren nach einem
Groß-Bulgarien wurde erstmals enttäuscht.[6]
Ausgangpunkt
für die Aufteilung der Region und die heutigen Grenzen sind die sogenannten
Balkankriege von 1912 und 1913. Nach vielen Geheimverhandlungen kam ein
„Balkan-Pakt“ gegen das osmanische Reich zustande, das bis dahin immer noch
erhebliche Gebiete des Balkans besetzt hielt (Albanien, Kosovo,
Gesamt-Mazedonien). Gemeinsam gingen 1912 Serbien, Montenegro, Bulgarien und
Griechenland gegen das Osmanische Reich vor. Schon nach kurzer Zeit mussten die
Türken in einen Waffenstillstand einwilligen. Mazedonien war befreit, aber von
den Armeen dreier Länder besetzt. Parallel dazu erklärte Albanien am 28. 11.
1912 seine Unabhängigkeit. Die Sieger des 1. Balkankriegs wurden aber sehr bald
über die Kriegsbeute uneins. Sie warfen sich gegenseitig vor, gegen die
vorherigen Abmachungen zu verstossen. Auch die Großmächte mischten bei diesen
Auseinandersetzungen kräftig mit. So sorgte Österreich-Ungarn z. B. dafür, dass
Serbien einen Teil Mazedoniens wieder räumen und dem neu geschaffenen Staat
Albanien überlassen musste, wofür Serbien
einen Ausgleich in anderen Teilen Mazedonien verlangte. Die Türken
konnten mit der Unterstützung vor allem Englands rechnen, dass sie das von Bulgarien
besetzte Gebiet um Adrianopel zurück erhielten. So kam es 1913 zum 2. Balkankrieg, In dem Bulgarien plötzlich isoliert dastand und
gegen Serben, Griechen, Rumänen und Türken der große Verlierer wurde. Im Vertrag
von Bukarest (10. 8. 1913) wurde Mazedonien zuungunsten Bulgariens im wesentlichen
zwischen Serben und Griechen aufgeteilt. Bulgarien behielt lediglich den
Bereich von Pirin-Mazedonien, außerdem noch einen ca. 40 km langen
Küstenstreifen in Ägäis-Mazedonien. Darüberhinaus musste es einen Teil der
Dombrutscha an Rumänien abtreten.
Karte Staatsgrenzen
nach dem 2. Balkankrieg 1913
5. Die verschiedenen Bereiche Mazedoniens
Aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs der Geschichte in den einzelnen Bereichen der historischen Region Mazedonien möchte ich in diesem Abschnitt auf die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen der historischen Region Mazedonien eingehen und abschließend Grenzfragen erörtern.5,1 Vardar-Mazedonien – heutige Republik Nord-Mazedonien
dazu verweise ich auf
einen eigenen ausführlichen Post unter
2.181 Nord-Mazedonien.
5.2 Ägäisch-Mazedonien
Vor dem 1. Weltkrieg
lebten im Bereich des heutigen Ägäisch-Mazedonien einschließlich West-Thrakien
etwa 1 Million Einwohner, davon je 30% Griechen, Slawo-Mazedonier und Türken.
Der Rest verteilte sich auf verschiedene Volksgruppen (Aromunen, Vlachen,
Pomaken, Roma, Arvaniten). Dies sollte sich nach dem 1. Weltkrieg dramatisch
ändern. Nach der Niederlage der Türken im 1. Weltkrieg gaben sich die Griechen
mit dem Gewinn von Ägäis-Mazedonien und West-Thrakien nicht zufrieden und
versuchten ihren Anspruch auf das sogenannte byzantinische Erbe durchzusetzen
indem sie in die vermeintlich nunmehr schwache Türkei einfielen, wo Kemal
Atatürk gerade dabei war einen neuen westlich geprägten Nationalstaat
aufzubauen. Das griechische Abenteuer endete in einer für die Griechen
katastrophalen Niederlage vor Ankara. Daraufhin nahm Atatürk bittere Rache an
den auf türkischen Gebiet seit Jahrhunderten siedelnden Griechen: Sowohl die am Schwarzen Meer lebenden Pontos-Griechen, als auch die Griechen in der Westtürkei (Zentrum Smyrna, heute Izmir) wurden vertrieben oder flohen vor der türkischen
Armee. In Pogromen wurden hunderttausende Griechen ermordet.[8]
Legalisiert wurde dieser „Bevölkerungsaustausch“ durch den
Vertrag von Lausanne[9] vom 24. 7. 1923, der auf Veranlassung des
Völkerbundes zwischen der Türkei und Großbritannien, Frankreich, Italien,
Japan, Griechenland, Rumänien und dem südslawischen Staat geschlossen wurde. Er
beinhaltet eine vorab am 30.
Januar 1923 vereinbarte Konvention
zwischen Griechenland und der Türkei zum Bevölkerungsaustausch. Die
aktuellen griechisch-türkischen Grenzen haben ihren Ursprung in diesem Vertrag.
Ein Großteil der ca. 1,5 Millionen aus der
Türkei vertriebenen Griechen wurden nun in Griechisch-Mazedonien angesiedelt.
Im Gegenzug wurde der Großteil der Türken und der muslimischen Bevölkerung aus
dem jetzt griechischen Teil Mazedoniens in die Türkei ausgewiesen. Der Vertrag
von Lausanne hat damit erstmals die Umsiedlung und Vertreibung als Mittel der
Volkstums-Politik anerkannt und damit ein negatives Beispiel gesetzt, das sich
nach dem 2. Weltkrieg in der Vertreibung und Umsiedlung von vielen Millionen
Menschen (vor allem der Deutschen aus den Ostgebieten und Osteuropa)
fortsetzte.
Paralleil hatten Griechenland und
Bulgarien 1919 ebenfalls das unselige Mittel des Bevölkerungsaustausch
vereinbart, wodurch viele Slawo-Mazedonier nach Bulgarien ausgesiedelt wurden
und im Gegenzug Griechen aus dem Süden Bulgariens in das nunmehr griechische Mazedonien kamen.
Damit war in Ägäis-Mazedonien eine völlig neue ethnische, d. h. griechisch
dominierte, Bevölkerungsstruktur entstanden. Die in Griechenland verbliebene
slawische Minderheit (Pomaken, Slawo-Mazedonier) war in der Folge einer massiven Graecisierungs-Politik
ausgeliefert. Personen und Ortsnamen wurden geändert, der Gebrauch der
slawischen Sprache verboten oder unterdrückt. Daher kämpften nach dem 2.
Weltkrieg im Griechischen Bürgerkrieg (1946-50) viele Slawo-Mazedonier auf der
Seite der kommunistischen Rebellen, die eine Besserung der Lage versprachen.
Nach der Niederlage der Rebellen flüchteten erneut ca. 100.000 Slawo-Mazedonier
nach Bulgarien oder Jugoslawien ( Teil-Republik Mazedonien).[10]
Der Vertrag von Lausanne sah für
Griechenland nur einen Minderheitenschutz für die muslimische Bevölkerung in
Griechisch-Mazedonien vor. An diese Bestimmung hält sich Griechenland bis heute
und erkennt daher nur muslimische Türken, Pomaken und Roma als Minderheit an,
nicht jedoch die nicht muslimischen Pomaken und Roma, die Slawo-Mazedonier,
Aromunen/Vlachen, Megleno-Rumänen und Arvaniten. Allerdings beklagt die FUEV in
ihrer Resolution 2013-06, dass auch die Rechte der muslimischen Minderheit nur
unzureichend gewährt werden und dass z. B. die türkische Minderheit einer
wachsenden Zahl von Terrorakten durch rechtsgerichtete Griechen ausgesetzt ist.[11]
Trotz dieser Negativ-Meldungen und der
offiziell restriktiven griechischen Minderheiten-Politik zeigen sich aber auch
positive Entwicklungen ab. So ist an der Grenze zu Mazedonien und dem nahen
Bitola zu beobachten, dass große Dorffeste mit slawischem Charakter
veranstaltet werden und man sich als „Makedonas“ versteht, obwohl man teilweise
die Sprache der Eltern z. T. nicht mehr sprechen kann. Deshalb sind
Zahlenangaben zur slawischen Minderheit in griechisch Mazedonien auch sehr
schwankend - zwischen offiziellen ca. 12.000 und inoffiziellen 150.000 – 200.000. An den Rand der
Bevölkerung gedrängt sind auch die anderen Minderheiten, die Türken in
West-Thrakien, die Pomaken (= muslimische Slawen mit einem dem bulgarischen
nahestehenden Dialekt), die Aromunen/Vlachen und Megleno-Rumänen (Minderheiten
mit Sprachen, die dem Rumänischen nahe stehen- Siehe beim Link unter Pkt. 3.311 und 3.321). Offiziell werden alle
nicht-muslimischen Minderheiten geleugnet und ihre Angehörigen z. B. als Hirten
oder Bergvolk bezeichnet, Aromunen gibt es offiziell gar nicht. Das Festhalten
der Griechen an dieser feindlichen Politik gegenüber Minderheiten kann man nur
teilweise damit entschuldigen, dass man mit Blick auf die Türkei feststellt,
dass dort der Lausanner Vertrag
überhaupt nicht eingehalten wurde.[12]
Im Zuge der Euro-Krise und der umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen
für Griechenland sollte durch die EU mehr Druck auf Griechenland ausgeübt
werden, dass dort die Minderheiten zu ihrem Recht kommen. Ein erster Schritt
wäre die Ratifizierung des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten
und der Europäischen Charta für Regional- und Minderheiten-Sprachen.[13]
5.3 Pirin-Mazedonien
Eine große Rolle bei der
Betrachtung der Geschichte der Region Mazedonien spielt eine 1893 gegründete
Organisation „IMRO“ (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation“) und deren
legendärer Führer Goce Delcev. Die Organisation spaltete sich bald in
verschiedene Lager mit unterschiedlichen Zielen. Heute betrachtet Bulgarien
Delcev als bulgarischen Revolutionär und Mazedonien als Vorkämpfer für die Selbständigkeit
Mazedoniens. Zwischen den beiden Weltkriegen sorgte die in sich zerstrittene
IMRO immer wieder für Zündstoff zwischen Jugoslawien und Bulgarien. Auch nach
dem 2. Weltkrieg und einer kurzen Phase der Annäherung zwischen Titos
Jugoslawien und Bulgarien ging der Streit um die Mazedonische Frage weiter.
Heute kann man feststellen, dass es für die Bulgaren keine „Pirin-Mazedonier“
gibt, sondern dass Pirin-Mazedonien ein Landesteil Bulgariens ist und im
übrigen alle slawischen Mazedonier zur bulgarischen Kulturnation gehören. Für die Republik Mazedonien gibt es hingegen
weiterhin Pirin-Mazedonier, deren Zahl mit 230.000 bis 250.000 beziffert wird.
In bulgarischen Statistiken sind sie von 187.789 im Jahre 1956 auf 8750 im
Jahre 1965 geschrumpft und ab 1975 wurde in Bulgarien bis zur Wende bei
Volkszählungen keine mazedonische Nationalität mehr festgestellt.[14]
Im Bezirk (Oblast) Blagoewgrad
(identisch in etwas mit Pirin-Mazedonien) lebten bei der 2001 durchgeführten
Volkszählung 341.173 Einwohner. Davon bezeichnen sich 84,0 % als Bulgaren,
9,3 % als Türken, 3,6 % als Roma und weniger als 1,0 % (3.117)
als Mazedonier.[15]
So feierte Bulgarien am 5. 10. 2012 den 100.
Jahrestag der Befreiung der bulgarischen
Stadt Gorna Dschumaja (heute Blagoewgrad) und der Region Pirin-Mazedonien von
türkischer Fremdherrschaft. Die
feierlichen Veranstaltungen begannen mit einer Inszenierung der Geschehnisse
auf der Brücke am Rilska-Fluss beim Dorf Barakowo, wo im Jahre 1912 der Beginn
des ersten Balkankrieges ausgerufen wurde. Am Abend gab es in Blagoewgrad einen
feierlichen Appell, an dem Staatspräsident Rossen Plewneliew teilnahm.[16]5.4 Mazedonier in Albanien
Nach den Balkankriegen
1912/1913 wurde unter dem Einfluss der damaligen Gro0mächte das heutige Albanien ein unabhängiger Staat,
dem ein kleiner Streifen des historischen Mazedoniens zugesprochen wurde (s. o.
Geschichte). Hier lebten ohnehin überwiegend Albaner, jedoch in einigen Dörfern
entlang des Westufers des Prespa-Sees (der zu 3/5 zur heutigen Republik
Mazedonien und zu je 1/5 zu Griechenland und Albanien gehört) lebt eine
Minderheit slawischer Mazedonier. Es handelt sich um 9 Dörfer mit ca. 3900
Einwohnern (1982). Auf eine damals gestellte Frage, ob es hier keine Albaner
gäbe, wurde geantwortet, dass die Leute von hier wegen schlechter
Verdienstmöglichkeiten wegziehen. Also wohl auch viele Mitglieder der
mazedonischen Minderheit.[17]
An dieser Situation hat sich auch nach der politischen Wende in Albanien nicht
viel geändert. Die ca. 4000 Einwohner der oben genannten 9 Dörfer der Gemeinde
Liqenas sind fast ausnahmslos Slawen, sie haben eigene Schulen in denen bis zur
4.Klasse in mazedonisch unterrichtet wird, auch gibt es im Hauptort der
Gemeinde das einzige mazedonische Gymnasium in Albanien. Weitere Mazedonier
leben verstreut in der Hauptstadt Tirana und dem übrigen Land, vor allem an der
Grenze zum Kosovo, Serbien und Mazedonien. Laut der Volkszählung von 2011
bekannten sich 0,2% bzw. ca. 20.000 der Einwohner Albaniens als ethnische
Mazedonier.[18]
Am 1. 7. 2010 berichtete
die Deutsche Welle, dass Bulgarien versucht, die ethnischen Mazedonier in
Albanien als Angehörige der bulgarischen Nation zu beeinflussen.[19]
Außerdem berichtete die Deutsche Welle am 16. 10. 2011 über die umstrittene
Volkszählung in Albanien,[20]
die auch nicht dazu beiträgt, verlässliche Zahlen über die Minderheiten zu
erhalten. Inzwischen hat sich in Albanien auch eine mazedonische Partei
gebildet (Partia Aleanca e Maqedonasve për Integrim Evropian),
die als Mitglied der Allianz für Arbeit, Wohlfahrt und Integration bei den
Parlamentswahlen antrat. Die Allianz, bestehend aus 25 Einzelparteien, gewann
unter Führung der Demokratischen Partei knapp 40% der Stimmen. Die Sitze gingen
allerdings vornehmlich an die Demokraten und zwei weitere Parteien. 22 kleinere
Parteien, darunter auch die Partei der mazedonischen Minderheit gingen leer
aus.[21]
5.5 Die
Volksgruppe der Gorani (Goranen, Goranci)
In der Grenzregion
zwischen Albanien, dem Kosovo und Mazedonien lebt diese kleine Volksgruppe
slawischer Muslime. Der größere Teil von ihnen lebt in den Bergregionen des
südlichen Kosovo. Außerdem liegen 9 oder 10 Dörfer in Albanien und zwei goranische Dörfer auf dem Territorium
Mazedoniens.
Die Gorani sprechen
einen südslawischen Übergangs-Dialekt vom Serbischen zum Mazedonischen
und Bulgarischen, den sie selbst als Našinski (das bedeutet: unsere
Sprache) bezeichnen. Das heutige (Nord-) Mazedonien - und dort vor allem die nationalistisch eingestellten Slawo-Mazedonier - erkennt die Gorani überhaupt nicht als eigenständige
Volksgruppe an, sondern betrachtet sie als Mazedonier. Daher haben die Gorani in Mazedonien auch keinen Minderheitenstatus. Ausführlich berichte ich über die Goranen in meinem Post https://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2022-kosovo-kosovo-albaner.html und dort den Abschnitt 5.5 ).[23]
6. Grenzfragen
– wo endet Mazedonien?
5.5 Die Volksgruppe der Gorani (Goranen, Goranci)
6. Grenzfragen – wo endet Mazedonien?
Die Region Mazedonien
ist nur schwer zu bestimmen. Dies verdeutlicht bereits der Namensstreit
zwischen Griechenland und der Republik (Nord-)Mazedonien. Aber auch die Grenzen
des slawisch besiedelten Mazedonien sind unscharf. Wie bereits an anderer
Stelle vermerkt, besteht bei den südslawischen
Sprachen ein Dialektkontinuum von den östlichen Alpen bis zur Westküste des Schwarzen Meeres. So konnten Serbien und Bulgarien über lange Zeit die mazedonischen
Dialekte als Südserbisch oder (mit
linguistisch besseren Argumenten) als bulgarischen Dialekt für ihre Hochsprache
beanspruchen. Nach dem 2. Weltkrieg 1945 entstand unter dem Einfluss Titos die neue jugoslawische
Teilrepublik Mazedonien. Gleichzeitig kam es zur Einführung einer eigenständigen mazedonischen
Schriftsprache, die sich bewusst am serbisch-kyrillischen Alphabet orientierte
und in der der Wortschatz von sogenannten Bulgarismen gereinigt wurde. Hätten Serbien
oder Bulgarien eine dauerhafte Herrschaft über das (nord-)mazedonische Gebiet festigen können, gäbe es heute keine
mazedonische Schriftsprache, sondern die mazedonischen Dialekte würden durch
die serbische oder bulgarische Hoch-/Schriftsprache ohne große Probleme überdacht.
Ein eigenständiges
(slawisch-)mazedonisches Nationalbewusstsein hat sich erst in der von Tito
geschaffenen Teilrepublik Jugoslawiens entwickelt. Erst in der Endphase des 2.
Weltkriegs wurde die Einführung einer eigenständigen mazedonischen
(Schrift-)Sprache beschlossen, erst in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg
entwickelte sich eine eigene (slawisch-)mazedonische Identität, die nach Sicht
des heutigen (Nord-)Mazedonien an seinen Staatsgrenzen nicht aufhört. Der
unabhängige Staat Republik Mazedonien hat in seiner Verfassung (Artikel 49) sogar
festgelegt, dass der Staat Mazedonien für die Angehörigen des mazedonischen
Volkes in den Nachbarländern ein Sorgerecht in Anspruch nimmt, sich für deren
Status, Recht und kulturelle Entwicklung einzusetzen.(24)
Daneben hat sich nach dem Ende des 1. Weltkriegs die griechische Region Mazedonien gebildet und dort hat ein gewaltiger Bevölkerungsaustausch stattgefunden. Inzwischen hat sich auch dort eine regional-griechische Identität entwickelt, wie dies besondere griechisch-mazedonische Vereine bei Migranten im Ausland, so z. B. in Deutschland zeigen.
Wenn man als neutraler Beobachter über Mazedonien spricht, muss man also stets bemüht sein, genau zu definieren, was man unter Mazedonien versteht und welche Volksgruppe man als Mazedonier bezeichnet. Damit schließt sich der Kreis zu der eingangs erwähnten Auseinandersetzung bei einem Fussballspiel in Deutschland.
[1]
http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/champions-league-mazedonier-irritiert-ueber-schalker-polizeieinsatz-12542128.html
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Streit_um_den_Namen_Mazedonien - eine ausführliche Darstellung des Konflikts aus griechischer Sicht findet man in einem pdf-Dokument unter
http://www.intersticeconsulting.com/documents/FYROM.pdf
[3] Wichtige Hinweise zu den obigen Ausführungen habe
ich dem Buch von Wolfgang Liblal „Mazedonien zwischen den Fronten- junger Staat
mit altern Konflikten“ – Europa-Verlag Wien/Zürich 1993 entnommen. Außerdem dem
Pogrom-Heft 209 – 2/2001
[4] David Crystal „Die Cambridge Enzyklopädie der
Sprache“ Campus-Verlag, Frankfurt, 1995, S. 25
[5] Wolfgang Liblal „Mazedonien zwischen den Fronten“ –
Europa-Verlag Wien/Zürich 1993, Seite 128f und 140
[6] Margareta Mommsen: „Nationalismus in Osteuropa“
(Beck’sche Reihe), S.174
[7] siehe Fußnote 6, S. 175f
[8] Klemens Ludwig: „Ethnische Minderheiten in Europa“
(Becksche Reihe), S. 156f,163f
[10] Klemens Ludwig: „Ethnische Minderheiten in
Europa“ (Becksche Reihe), S. 166 und Pogrom 209- 2/2001
[11]
https://www.fuen.org/fileadmin/user_upload/downloads/Resolutionen_2013_DE.pdf
[12] Pogrom 209 – 2/2001 und 249-250 - 4-5/2008
[13]
http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=148&CM=1&DF=&CL=GER
[14] Wolfgang Liblal „Mazedonien zwischen den Fronten-
junger Staat mit altern Konflikten“ – Europa-Verlag Wien/Zürich 1993, S. 127f
[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Oblast_Blagoewgrad
[17] Ruhrnachrichten/dpa v. 25. 6. 1982
[20]
http://www.dw.de/umstrittene-volkszälung-in-albanien/a-6637769
[21] http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_Albanien_2013
(22) http://www.panacomp.net/saint-prohor-of-pcinja-monastery/ und https://derstandard.at/480997/Jugoslawien-und-Mazedonien-vereinbarten-Grenzlinie sowie Wolfgang Libal
„Mazedonien zwischen den Fronten“, Wien 1993, S. 84 und https://de.wikipedia.org/wiki/Mazedonische_Sprache
(23) https://euro-ethnien.blogspot.com/2012/12/2022-kosovo-kosovo-albaner.html
(24) http://pelagon.de/?p=6227
(24) http://pelagon.de/?p=6227
Das Antike Makedonien war ja Griechisch, die Slawo-Mazedonier haben nix mit der antike zu tun wäre fair wenn sie ihren namen ändern und friedlich eine lösung mit griechenland finden
AntwortenLöschenDas antike Makedonien war makedonisch. Dazu kann man die Antiken Griechen selbst befragen die die Makedonier als Barbaren und Nicht-Griechen bezeichneten. Ob die heutigen Makedonier verwandt mit den Antiken Makedonier sind ist irrelevant da die heutigen Modernen Griechen auch ein Konstrukt der Neuzeit sind.
LöschenWas die Neugriechen betrifft,es ist bestimmt kein Zufall ,dass sie seit Jahrtausende die selbe Schrift und Sprache benutzen mit einige Vereinfachungen im Laufe der Zeit bedingt,und dass sie nie ihre Herkunft verleugnet haben,sie haben die Invasion der Römer,der Osmanen,der Slawen überlebt und bis heute bewahren sie den griechischen Geist,glauben Sie mir,dass ist kein Zufall.
LöschenMakedonen,ipiroten,thessalier u.v.a waren griechische Stämme,die griechisch sprachen und schrieben.sie haben in Städte- Staaten gelebt,haben unter einander Allianzen gehabt sowie auch Bürgerkriege,das hatten die Neugriechen auch,im Jahre 1945-1949,war der letzte griechische Bürgerkrieg,zwischen Kommunisten und konservativen.das liegt dennen im Blut.unter den großen Alexander aber,haben sie gemeinsam ein Befreiungskrieg gegen das persische reich siegreich in Kraft gesetzt.die Perser hatten viele Jahre lang griechische Gebiete an das persische reich mit Gewalt anschließen wollen
LöschenAm besten,Sie lernen bisschen Geschichte ,bevor Sie komentieren.lassen Sie sich informieren,denn König Phillip von makedonien sowie sein Sohn,der Große Alexander haben an die olympischen Spiele teilgenommen und wie bekannt,da dürften nur Griechen teilnehmen
AntwortenLöschenEin interessanter artikel,nur eine Information zum Bevölkerungs Austausch zwischen Griechenland und der Türkei.in Griechenland kammen 1,5 mill. Griechen aus der heutigen Türkei und nach Türkei gingen 500.000 thsnd,die sich zu Türkei gehörig fühlten.es blieben Griechen in konstadinoupolis und Moslems in thrakien.das war der Deal.heute leben in der Türkei Ca. 2000 Griechen und in Griechenland fast 170000 Moslems von damals.finden Sie den Fehler!
AntwortenLöschenSiehe dazu meinen Post http://euro-ethnien.blogspot.de/2015/12/210-griechen-griechenland-zypern.html und dort besonders die Abschnitte 2.3a Griechen in der Türkei und 3.2 Traumata der Verfolgung und des Gegensatzes zur Türkei
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