1. Vorwort – Einführung
Nach
dem Wahlsieg der national-konservativen Fidesz-Partei mit dem
Ministerpräsidenten Viktor Orban im Jahre 2010, der 2014 im gleichen Umfang
wiederholt werden konnte, verfolgt die ungarische Regierung einen ausgeprägt
nationalistischen und teilweise undemokratischen Kurs. Angetrieben wird sie
dabei zusätzlich von der extrem-nationalistischen Jobbik-Partei, die über 20 %
der Stimmen erreichte. Davon betroffen ist vor allem die Roma-Minderheit in Ungarn. Probleme gibt es aber auch mit den Nachbarstaaten wegen der dort
lebenden ungarischen Minderheiten.
Dazu muss man wissen, dass es in Ungarn nach wie vor ein Trianon-Trauma gibt. Während in Deutschland in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ein Versailles-Trauma herrschte, weil man den Friedensvertrag und die damit verbundenen Gebietsverluste als ungerecht empfand, ist Versailles bei uns heute kein Thema mehr, sicherlich aufgrund der viel größeren Belastungen und Gebietsverluste nach dem 2. Weltkrieg und der Vertreibung vieler Deutscher aus ihren Siedlungsgebieten im ehemaligen deutschen Osten und in Osteuropa. Anders in Ungarn, denn im Friedensvertrag von Trianon, den es als Verlierer des 1. Weltkriegs 1920 unterzeichnen musste, hat Ungarn damals mehr als zwei Drittel seines vorherigen Staatsgebietes verloren.[1] (weitere Hinweise siehe unter Lage und Zahlen und Geschichte) Dabei missachteten die Siegermächte in besonders eklatanter Weise das von ihnen selbst propagierte Selbstbestimmungsrecht der Völker, denn Ungarn musste nicht nur von anderen Volksgruppen besiedelte Gebiete abtreten, sondern auch Territorien mit geschlossener oder überwiegender ungarischer Bevölkerung. Seitdem leben mehrere Millionen ethnischer Ungarn als Minderheiten in den Nachbarstaaten, was die aktuelle Regierung immer wieder zu besonderen Aktionen für ihre Landsleute veranlasst und was dann häufig zu Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten führt. Dazu mehr unter Ungarische Volksgruppen in den Nachbarstaaten.
Dazu muss man wissen, dass es in Ungarn nach wie vor ein Trianon-Trauma gibt. Während in Deutschland in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ein Versailles-Trauma herrschte, weil man den Friedensvertrag und die damit verbundenen Gebietsverluste als ungerecht empfand, ist Versailles bei uns heute kein Thema mehr, sicherlich aufgrund der viel größeren Belastungen und Gebietsverluste nach dem 2. Weltkrieg und der Vertreibung vieler Deutscher aus ihren Siedlungsgebieten im ehemaligen deutschen Osten und in Osteuropa. Anders in Ungarn, denn im Friedensvertrag von Trianon, den es als Verlierer des 1. Weltkriegs 1920 unterzeichnen musste, hat Ungarn damals mehr als zwei Drittel seines vorherigen Staatsgebietes verloren.[1] (weitere Hinweise siehe unter Lage und Zahlen und Geschichte) Dabei missachteten die Siegermächte in besonders eklatanter Weise das von ihnen selbst propagierte Selbstbestimmungsrecht der Völker, denn Ungarn musste nicht nur von anderen Volksgruppen besiedelte Gebiete abtreten, sondern auch Territorien mit geschlossener oder überwiegender ungarischer Bevölkerung. Seitdem leben mehrere Millionen ethnischer Ungarn als Minderheiten in den Nachbarstaaten, was die aktuelle Regierung immer wieder zu besonderen Aktionen für ihre Landsleute veranlasst und was dann häufig zu Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten führt. Dazu mehr unter Ungarische Volksgruppen in den Nachbarstaaten.
2. Lage und Zahlen - Minderheiten in Ungarn
Die
Lage des heutigen Ungarns ist aus der nachstehenden Grafik ersichtlich (grüne
Fläche). Gleichzeitig gibt diese Karte eine geschichtliche Übersicht über das
ungarische Staatsgebiet vor 1918 und die im Frieden von Trianon abgetretenen
Gebiete (blaue Flächen):
Das
heutige ungarische Staatsgebiet umfasst eine Fläche von 93.030 qkm und hat 9,94
Millionen Einwohner (2011), davon 1,73 Mio. in der Hauptstadt Budapest. 92 %
der Bevölkerung sind ethnische Ungarn.
Gemäß der Volkszählung 2011 gibt es eine Anzahl ethnischer Minderheiten,
darunter ca. 186.000 Ungarndeutsche und ca.
316.000 Roma. Außerdem noch Slowaken, Kroaten, Serben, Slowenen, Polen,
Griechen, Armenier, Bulgaren, Rumänen, Ruthenen und Ukrainer.
3. Geschichte
Vor 830 findet man in keiner europäischen Chronik einen Hinweis auf die Magyaren. Finn-Ugrische Volksgruppen (der byzantinische Kaiser Konstantin VII erwähnt 7 magyarische Stämme) lebten ursprünglich in Sibirien und ließen sich zunächst ab ca. 800 in der südrussischen/südukrainischen Steppe nieder. Seit
dem Ende des 9. Jahrhunderts drangen diese magyarischen Stämme nach Europa ein und siedelten sich im Bereich des sogenannten Pannonischen
Beckens – der ungarischen Tiefebene – an. Nach den Chroniken war es der Großfürst Árpád, der die ungarischen Stämme nach 895 einte und die dort lebenden germanischen, slawischen
und dakoromanischen Volksgruppen in relativ kurzer Zeit assimilieren konnte. Árpad war der Namensgeber der ersten ungarischen Herrscherfamilie der Árpáden, die bis 1301 Ungarn regierten. Nach der Ansiedlung in der ungarischen Tiefeben unternahmen die Magyaren im 10. Jahrhundert viele Raubzüge in ganz
Europa. 955 wurden sie von ostfränkischen und verbündeten Truppen unter Otto
dem Großen auf dem Lechfeld entscheidend geschlagen. Eine Wende trat um die
Jahrtausendwende ein. Der Großfürst Vajk (geb. 975 bei Gran, gest. 1038 in Buda)
hatte sich 985 zusammen mit seinem Vater Géza auf den Namen Stefan taufen lassen. Während der Großfürst Géza trotz der Taufe im Grunde
Heide blieb, erhielt
Stefan eine christliche Erziehung und heiratete die bayrische Herzogstochter
Gisela, eine Schwester des späteren Kaisers Heinrich II. Stefan wurde Christ
aus Überzeugung und ließ bei seinen Landleuten vor allem durch deutsche
Ordensleute das Evangelium verkünden. 1001 wurde er als Stefan I durch eine von
Papst Sylvester II verliehene und übersandte Krone zum König von Ungarn gekrönt. Der Papst verlieh ihm auch den Titel "Apostolischer König", ein Titel, den die folgenden Könige aus dem Hause Árpád und alle Nachfolger als Träger der heiligen Stephanskrone bis 1918 mit Stolz trugen. Die
Lebensleistung Stefans, der später heilig gesprochen wurde, war die Integration
seines bis dahin halb nomadischen Volkes als anerkannter Bestandteil in das christliche
Europa.[2] 1081
wurde Kroatien samt Dalmatien in Personalunion mit Ungarn verbunden. Nach
Einfällen und einer Besetzung Ungarns durch die Mongolen in der Mitte des 13.
Jahrhunderts folgten Jahre des Aufschwungs, der in der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts mit der Regentschaft von Matthias Corvinus seinen Höhepunkt
erreichte. Zeitweise waren die Könige von Ungarn auch gleichzeitig Könige von
Polen. Darnach folgten Auseinandersetzungen mit den Osmanen, die große Teile
Ungarns besetzen oder in Abhängigkeit bringen konnten. Das Land war bis zum
Ende des 17. Jahrhunderts dreigespalten: Der westliche und nördliche Teil ging
an die Habsburger, in der Mitte herrschte der osmanische Sultan und lediglich
Siebenbürgen konnte zwischen Habsburg und den Osmanen eine weitgehende Unabhängigkeit
bewahren. Nach der vergeblichen
osmanischen Belagerung Wiens (1683) und der Eroberung Budas (1686) durch
kaiserliche Truppen fiel Ungarn an die Habsburger, die damit über weite Teile
des ungarischen Königreichs herrschten. Habsburg gewährte den Ungarn jedoch
weitgehende Autonomie, In der
ungarischen Verfassung wurde die Unteilbarkeit der Habsburger Lande festgeschrieben,
den Ungarn wie auch Siebenbürgen eine Eigenständigkeit innerhalb der Monarchie
mit einem ständischen Landtag zugesichert.[3]
Nachdem
schon ab 1150 in Siebenbürgen Siedler aus deutschen Landen ansiedelten, wurden
nach dem Sieg über die Osmanen weitere deutsche Siedler in das teilweise entvölkerte Land gerufen,
die sich vor allem im Banat und im Sathmarer Bereich niederließen. Ausführliche Hinweise zu diesen deutschen Siedlern siehe unter Deutsche Volksgruppe(n) in Rumänien.
Im
19. Jahrhundert erwachte im Zeitalter der Romantik auch in Ungarn der
Nationalstolz und damit verbunden der Wille nach Unabhängigkeit von den
Habsburgern. Ein Aufstand nach der Revolution von 1848 wurde durch
österreichische Truppen, unterstützt von Russland, niedergeschlagen. Nach der
Niederlage Österreichs im deutsch-deutschen Krieg von 1866 mussten die
Habsburger jedoch den Ungarn entgegenkommen und es kam 1867 zum sogenannten
Österreichisch-Ungarischen Ausgleich. Die Katastrophe von Königsgrätz hat
verbunden mit dem nationalistischen Zeitgeist das letzte abendländische
Universalreich zerstört. Das Habsburger Reich wurde praktisch in eine
dualistische Föderation zweier Territorialstaaten umgewandelt (eine
österreichische und eine ungarische Reichshälfte), die nur durch die Krone
Habsburgs verbunden blieben. (Siehe obige Karte). Nachdem das Banat schon 1860
mit Ungarn vereint wurde, endete 1868 die Eigenständigkeit Siebenbürgens. Die
ungarische Regierung gestand im gleichen Jahr lediglich Kroatien-Slawonien als
selbständigem Königreich innerhalb der ungarischen Reichshälfte eine gewisse
Eigenstaatlichkeit zu. Die im gesamten
übrigen ungarische Reichsteil lebenden Minderheiten, vor allem Deutsche,
Slowaken und Serben, waren nun bis zum Ende des 1. Weltkriegs einer
verhängnisvollen Magyarisierungspolitik ausgesetzt. Von der französischen Revolution übernahm man die These, dass es in einem Staat nur eine Nation mit einer Kultur und einer Sprache geben solle. Mit allen Mitteln betrieb Ungarn eine Madyarisierungspolitik, die darauf abzielte, die beherrschten nichtmagyarischen Bevölkerungsteile kulturell und physisch einzuschmelzen. Dies stand jedoch ganz im Gegensatz zum Staatsgründer König Stephan den Heiligen, auf den sich die Ungarn sonst gerne beriefen, der seinen Sohn Emerich ermahnte alle Bürger Ungarns müssten in ihrer Sprache und Sitte respektiert werden.(3a)
Die
Niederlage der Mittelmächte im 1. Weltkrieg traf Ungarn sehr hart. Am 31. 10.
1918 erklärte Ungarn den Austritt aus der Union mit Österreich, drei Tage vor
dem Waffenstillstand, der die Kämpfe zwischen Österreich-Ungarn und den Entente-Mächten beendete. Darauf
erklärte König Karl IV (Kaiser Karl I von Österreich) am 13. 11. 1918 seinen
Verzicht auf seine Rechte in Ungarn. Nun
wurde unter Führung von Graf Karolyi die ungarische Republik ausgerufen. Er
hoffte – wie Deutsche und Österreicher – auf den amerikanischen Präsidenten
Wilson und das von diesem verkündete Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Aufgrund der faktischen Territorialverluste musste er jedoch am 21. 3. 1919
zurücktreten.
Denn
bereits Im Juli 1918 hatte sich in Paris ein Nationalrat der Tschechen und
Slowaken gegründet, der am 28. 10. 1918 die Tschechoslowakische Republik
ausrief. Kroatien und Slawonien gründeten am 5. 10. 1918 den Nationalrat der
Serben, Kroaten und Slowenen, der keine
Weisungen aus Budapest mehr annahm und sich am 30. 10. 1918 zum Bestandteil des
neuen südslawischen SHS-Staates (später Jugoslawien) erklärte. Auch die
Nationalversammlung der Vojvodina beschloss am 25. 11. 1918 den Anschluss an
Serbien. Die Rumänen in Siebenbürgen
sprachen sich am 1. 12. 1918 in den Karlsburger (Alba Julia) Beschlüssen für
die Vereinigung mit dem Königreich Rumänien aus. Auch Versammlungen der
Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben entschieden sich 1919 für den
Anschluss ihrer Gebiete an Rumänien, zumal man ihnen und den Ungarn in den
Karlsburger Beschlüssen weitgehende Minderheitenrechte zugestanden hatte (die
später allerdings nicht eingehalten wurden).
Nachfolger
Karolyis wurde der Kommunist Bela Kun, der eine ungarische Räterepublik ausrief
und versprach die alten nationalen Grenzen wiederherzustellen. Nachdem
Verhandlungen scheiterten suchte Kun sein Heil in einer militärischen Lösung
und begann einen Krieg gegen Rumänien und die Tschechoslowakei. Aber auch damit
hatte Kun keinen Erfolg. Die im Januar 1920 gewählte Nationalversammlung wählte
am 1. 3. 1920 Miklos Horthy zum Reichsverweser. Unter seiner Regierung musste Ungarn am 4. 6. 1920 im Friedensvertrag
(Diktat) von Trianon alle oben
angeführten Gebietsabtretungen
anerkennen, dazu weitere kleinere Gebiete, wie das heutige Burgenland an
Österreich, die Stadt Fiume (Rijeka) an Italien und ein Kleines Gebiet im
Norden an Polen.[4]
Die
Ungarn waren über dieses Friedensdiktat schockiert und es begann das von mir
bereits angesprochene ungarische Trianon-Trauma. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts mussten
die Schüler jeden Morgen folgendes Gebet sprechen: „Ich glaube an einen
Gott, ich glaube an eine Heimat, ich glaube an die unendliche göttliche
Wahrheit, ich glaube an die Auferstehung Ungarns!“ Fairerweise muss man allerdings einräumen, dass es in
Mittel-/ Osteuropa nie klare ethnische Grenzen gab und so beschreibt der
ungarische Philosoph und Volkskundler Mihali Vajda das schier unlösbare Problem
wie folgt:„Es gibt keine gerechten Grenzen…. Natürlich waren die Grenzen des
Versailler (Trianon-) Vertrags absolut ungerecht, doch wenn wir das sagen,
müssen wir uns darüber im klaren sein, dass wirklich gerechte Grenzen gar nicht
gezogen werden können.“[5]
Zwischen den beiden Weltkriegen verfolgte keine der neuen Staaten mit ungarischen Minderheiten eine vorbildliche oder auch nur zufriedenstellende Nationalitätenpolitik. Das veranlasste viele Auslands-Magyaren zur Übersiedlung nach Ungarn, wo sie national-chauvinistischen Kräften Verstärkung gaben. Daher arbeitete die Regierung Ungarns in der Zwischenkriegszeit auf eine
Revision der Grenzen hin. Um das zu erreichen kam es zur Annäherung an das
nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien. In den
sogenannten Wiener Schiedssprüchen von 1938 und 1940 wurden die Grenzen von
Trianon im Sinne Ungarns korrigiert und Ungarn trat an der Seite der
Achsenmächte in den 2. Weltkrieg ein. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs, der
Besetzung Ungarns durch die Sowjet-Union und der Errichtung einer von den
Sowjets abhängigen kommunistischen Regierung musste Ungarn im Friedensvertrag
von Paris am 10. 1. 1947 anerkennen, dass die Wiener Schiedssprüche von Anfang
an ungültig waren und die Grenzen von Trianon nach wie vor gültig bleiben.
1956 erhoben sich die Ungarn im Volksaufstand gegen die von der
Sowjet-Union abhängige Regierung. Der Aufstand wurde jedoch blutig
niedergeschlagen und viele Ungarn flohen in das westliche Ausland. Dennoch
konnte Ungarn in der Folgezeit zumindest auf dem Gebiet der Wirtschaft einen
liberaleren Kurs steuern, so dass sich Ungarn im Wendejahr 1989 in einem
„reiferen“ Zustand als andere Ostblockländer befand. Das erleichterte eine
schnelle Umstellung auf das marktwirtschaftliche System und die Integration in
die demokratischen westlichen Systeme. Seit 1999 ist Ungarn Mitglied der NATO
und seit dem 1. 5. 2004 Mitglied der Europäischen Union.
4. Sprache
Die
ungarische Sprache gehört zum finnisch-ugrischen Zweig der uralischen
Sprachfamilie. Neben dem Finnischen und Türkischen ist sie damit eine der
wenigen europäischen Sprachen, die nicht zur indo-europäischen Sprachfamilie
gehören. Für Indoeuropäer ist sie daher schwer erlernbar. Das Ungarische ist
heute die bedeutendste Sprache des ugrischen Zweigs der Sprachfamilie. Am
nächsten verwandt mit ihr sind das Chantyisch
(frühere Bez. Ostjakisch) und das Mansisch (frühere Bez. Wogulisch), die von
weit verstreuten Volksstämmen in Sibirien gesprochen werden, im Gegensatz zum
Ungarischen aber nie zu Staatssprachen wurden. Die finnisch-ugrischen Sprachen
haben sich im Laufe ihrer Entwicklung in ihrem grammatischen Bau, ihrem
Wortschatz und ihrem Lautstand weit voneinander entfernt.
Auf dem langen Weg der Ungarn von Sibirien nach
Europa in das Pannonische Becken, wo sie sich Anfang des 10. Jahrhunderts
niederließen, wurde die Sprache vor allem durch viele Begriffe der Turksprachen
beeinflusst. Nach der Christianisierung durch slawische und deutsche Mönche
fanden slawische, lateinische und germanische Begriffe Eingang in die
ungarische Sprache. Seit dem Mittelalter wurde Ungarisch besonders durch die
deutsche Sprache beeinflusst, da sich besonders in den Städten viele Deutsche
niedergelassen hatten. Durch die lange Herrschaft der Habsburger wurde dieser
Effekt noch verstärkt. Nach vielen Kriegen und langer türkischer
Fremdherrschaft kam es Ende des 18. Jahrhunderts zu einer nationalen Rückbesinnung mit einem
neuen Kult der Sprache. Nachdem Herder 1791 noch das baldige Verschwinden des
Ungarischen vorausgesagt hatte, ging man mit schöpferischem Elan eine Reform
des Ungarischen an. Man schuf unzählige neue Wörter durch Entlehnungen und
Nachbildungen des Deutschen, durch Neubelebung einheimischer Wurzeln und
Wiederbelebung ungebräuchlich gewordener Begriffe. Das unter Geschichte bereits
erwähnte wichtige Jahr 1867 brachte die entscheidende Wende von einer
weitgehend unterdrückten Sprache zum offiziellen Kommunikationsmittel eines
multinationalen Staates. Die Staatsmacht begann nun den bereits erwähnten Druck
zur Magyarisierung auf die von ihr
abhängigen Untertanen auszuüben, eine Epoche die dann nach dem verlorenen 1.
Weltkrieg wieder umschlug in nationale Depression und das erwähnte Trauma von
Trianon.[6]
5. Ungarn in Nachbarstaaten
Als
Folge von Trianon (s. o.) leben mehrere Millionen Ungarn als Minderheiten in
den Nachbarstaaten. Die folgende Karte gibt eine Überblick über Lage und
ungefähre Zahlen dieser Minderheiten:
Bereits
in der Revision der Verfassung vom 23. 10. 1989 wurde das Verhältnis Ungarns zu
seinen Landsleuten im benachbarten Ausland neu definiert. § 6 Abs. 3 lautet:
„Die Republik Ungarn empfindet Verantwortung für das Schicksal der jenseits
ihrer Grenzen lebenden Ungarn und fördert die Pflege ihres Kontakts mit
Ungarn.“ In der Folge versuchten die ungarischen Regierungen durch bilaterale
Verträge mit den Nachbarstaaten die Lage der ungarischen Volksgruppen zu
verbessern. Etwa ab 1998 nach dem Amtsantritt der ersten Regierung Orban
änderte Ungarn seine Politik und ergriff einseitige Maßnahmen zu Gunsten der
Auslands-Ungarn. Dies führte zu manchen Auseinandersetzungen mit den
Nachbarstaaten.[7]
5a) Die ungarische(n) Volksgruppe(n) in Rumänien
Ähnlich
der Situation der Deutschen in Rumänien, mit denen die Ungarn seit
Jahrhunderten verbunden lebten - siehe meinen Post Die deutschen Volksgruppen in Rumänien- erging es auch den Ungarn nach den Friedensschlüssen von 1920, nur
traf es sie noch stärker und härter. Zum einen waren sie vorher das Staatsvolk
im ungarischen Teil der Habsburg-Monarchie und ihre Zahl war noch erheblich
größer, als die der deutschen Volksgruppen. Ähnlich den Deutschen waren die
Ungarn vorher auch keine einheitliche Gruppe, sondern man muss drei wesentliche
Bereiche unterscheiden (siehe Karte):
- Ungarn
im grenznahen Bereich zum Mutterland, u. a. im Banat
- Ungarn und Szekler in Siebenbürgen
- Ungarn
/ Csángòs im Bereich Moldau
Die
ungarisch sprechenden Szekler leben seit dem 12. Jahrhundert in Siebenbürgen.
Ihre Herkunft und Abstammung ist umstritten, man vermutet eine Abstammung von
Turkvölkern. Tatsache ist allerdings, dass sie nach ihrer Ansiedlung unter
König Andreas II in Siebenbürgen bereits die ungarische Sprache angenommen
hatten. Die Szekler waren neben Ungarn und Deutschen (Siebenbürger Sachsen)
eine der privilegierten Nationen in Siebenbürgen, d. h. sie waren von Abgaben
befreit, hatten in Recht und Verwaltung weitgehende Autonomie, mussten dafür
aber militärische Dienste leisten. Lange betrachteten sich die Szekler als
eigenständige Volksgruppe, deren eigenständigen Rechte von den Habsburgern aber
Ende des 18. Jahrhunderts abgeschafft wurden. Erst seit der Romantik und dem
nationalen Erwachen im 19. Jahrhundert begannen die Szekler sich als Ungarn zu
definieren. Allerdings verstehen sich auch heute noch viele Szekler als
eigenständige Volksgruppe, denn bei der Volkszählung 2002 bezeichneten sich
670.000 der insgesamt 1,4 Millionen in Rumänien lebenden Ungarn als Szekler.(8)
Die unbefriedigende Lage der Minderheiten in Rumänien nach 1920 habe ich
bereits bei der deutschen Minderheit beschrieben, die letztlich gescheiterte
Politik des Revisionismus ebenso. Nach dem Pariser Frieden von 1947 wurde unter
sowjetischem Druck die nationale Frage totgeschwiegen, dennoch hat Ungarn seine
Volksgruppen in den Nachbarstaaten nicht vergessen, insbesondere die rumänische
Assimilationspolitik unter Ceausescu hat
zu einer Solidarisierung mit den Ungarn in Rumänien geführt und
zeitweise zu Spannungen zwischen den sozialistischen Bruderstaaten (siehe z. B. FAZ vom 22. 12. 1984:
„Schlechte Beziehungen Budapest-Bukarest“ u. a.). Auch nach der politischen
Wende und dem Ende des Ceausescu-Regimes tat sich Rumänien weiter schwer mit
seinen Minderheiten. Die neue Verfassung von 1990 schrieb weiterhin Rumänien
als einheitlichen und unteilbaren Nationalstaat fest. Erst durch Druck des
Europarats, in den Rumänien 1993 aufgenommen wurde, kam es zu einem
Minderheitengesetz, dessen Umsetzung aber lange verzögert wurde. Inzwischen hat
sich die Lage etwas entspannt. Die Ungarn können wieder ihre Kinder in
ungarische Schulen schicken, in den Kirchen ist ungarisch ebenso wieder
selbstverständliche Predigtsprache. Es gibt in Siebenbürgen zahlreiche
ungarische Chöre und Volkstanzgruppen, sieben ungarische Theater und eine
ungarische Oper in Klausenburg. Neben ungarischen Zeitungen und Zeitschriften
gibt es auch im rumänischen Staatsfernsehen ungarische Sendungen und per
Satellit können Fernsehprogramme aus Ungarn empfangen werden. Auch in der
Politik ist die ungarische Minderheit über ihre Partei, die Demokratische Union
der Ungarn, gut vertreten. Zeitweise stellte sie den stellvertretenden
Ministerpräsidenten. Dazu hat sich seit einigen Jahren eine Ungarische
Bürgerpartei etabliert, die die Interessen der Ungarn nach wie vor (und das
sicher nicht zu unrecht) stiefmütterlich behandelt sieht. Insbesondere ist man
unzufrieden, dass die ungarische Sprache nach wie vor als zusätzliche Amts- und
Gerichtssprache nicht akzeptiert wird. Immer wieder gibt es Forderungen der
ungarischen Minderheit nach einer Autonomie. So kam es im Oktober 2013 zu einer
Großdemonstration der in Rumänien lebenden Ungarn. U.a. bildeten mehr als
100.000 Ungarn eine 54 km lange Kette zwischen zwei ungarischen Dörfern und in
Bukarest und anderen Städten kam es zu Protestkundgebungen, die vom ungarischen
Mutterland und dem rechtsnationalen Ministerpräsidenten Orban unterstützt
wurden.(9)
Besonders schlecht ist die Situation der Ungarn im altrumänischen
Moldau-Distrikt. Die dort lebenden sogenannten Csángò-Ungarn werden nach wie vor diskriminiert. Diese magyarische Volksgruppe ist bei der
ungarischen Westwanderung vor 1000 Jahren im Moldaugebiet verblieben und lebte
dort jahrhundertelang vom Muttervolk getrennt. So verwundert es nicht, dass sie
einen altertümlichen ungarischen Dialekt sprechen und viele von ihnen nur noch
die rumänische Sprache beherrschen. Die etwa 300.000 Csángòs sind im
Unterschied zu den Rumänen römisch-katholisch, was neben der Sprache
identitätsstiftend wirkte. Hinzu kommt, dass ihre Siedlungs- Gebiete
wirtschaftlich unterentwickelt sind und die Volksgruppe durch Stadtflucht
weiter an Rückhalt einbüßt. Die FUEV bemüht sich um eine Verbesserung der
Lage.(10)
5b) Ungarn in der Slowakei
Nach der Volkszählung von 2011 leben 458.467
Magyaren in der Slowakei, das sind fast 8,5% der Gesamtbevölkerung. Sie leben
vor allem im Süden des Landes entlang der ungarischen Grenze, dazu noch in
einigen Sprachinseln in der Mittel- und Ostslowakei.(11)
Nachdem die Slowakei 1993
die Eigenstaatlichkeit durchgesetzt hatte verfolgten die Regierungen unter
Vladimir Meciar und Fico einen streng nationalistischen Kurs. So wurde 1995 Slowakisch
als einzig offizielle Staatssprache erklärt – gegen die Stimmen von 17 ungarischen
Abgeordneten. Auch versuchte man mit Gesetzes-Initiativen die Zahl ungarischer
Schulen (z.T. handelt es sich um sogenannte Kleinklassenschulen) einzugrenzen und die Mittel für die ungarische
Kultur zu reduzieren. Dagegen gab es massive Protestkundgebungen der
ungarischen Minderheit.(12)
Andererseits wird die Auseinandersetzung aber auch von de rechten Regierung Ungarns angeheizt.
Andererseits wird die Auseinandersetzung aber auch von de rechten Regierung Ungarns angeheizt.
Nichts destotrotz ist die ungarische Minderheit in der
Slowakei ausgesprochen geschichts- und selbstbewusst. Die Versuche der
Regierungen Meciar und Fico, das Ungarische im öffentlichen Leben zugunsten des
Slowakischen zurückzudrängen, sind am ausgeprägten Selbstbehauptungswillen de
Ungarn gescheitert.(13)
Immerhin gibt es in der Slowakei ca. 580 Schulen in
denen auf ungarisch unterrichtet wird und weitere etwa 200 bilinguale Schulen
(slowakisch-ungarisch). Es gibt in Komarno eine eigene ungarisch-sprachige
Universität, es gibt ungarische Zeitungen und Zeitschriften. Dazu ein Sendeprogramm
des Slowakischen Rundfunks Radio Patria, das mehrheitlich auf ungarisch sendet.
Zwei ungarische politische Parteien vertreten die magyarische Minderheit,
aktuell sind 13 ungarische Abgeordnete im Parlament von Bratislava.(14)
5c) Ungarn in Österreich
siehe dazu meinen separaten Post
2.335Ungarn im Burgenland / Österreich 5d) Ungarn in der Ukraine
siehe dazu meinen separaten Post
2.336 Ungarn in der Ukraine (Karpato-Ukraine)
Dazu kommen noch kleinere ungarische Volksgruppen in Slowenien und Kroatien.
5e) Ungarische Volksgruppe in der Vojvodina / Serbien - folgen Sie hier dem Link und dort Punkt 5.1
Dazu kommen noch kleinere ungarische Volksgruppen in Slowenien und Kroatien.
6. Politische Situation und Perspektiven
Wie
schon eingangs erwähnt, hat die ungarische Regierung unter Ministerpräsident
Orban in den letzten Jahren mit Demokratie- und marktpolitisch bedenklichen
Gesetzen für Besorgnisse in der EU gesorgt. So bekam die regierungsabhängige
Medienbehörde großen Einfluss auf die Fernseh- und Rundfunkanstalten, die
ungarische Notenbank ist praktisch nicht mehr unabhängig und künftigen
Regierungen sind in der Steuer- und Rentenpolitik die Hände gebunden.[15]
Völkerrechtlich bedenklich und von den
Nachbarstaaten erheblich kritisiert, war das bereits von der ersten
Orban-Regierung 2001 verabschiedete sogenannte Statusgesetz über die in den
Nachbarstaaten lebenden Ungarn. Den ungarischen Vereinen und Verbänden wurden
einmalige und auch dauerhafte finanzielle Unterstützungen zugesichert, so z. B.
monatliche Zahlungen an Familien mit Kindern, die in ungarisch-sprachige
Kindergärten oder Schulen gehen.[16]
Nach dem Wahlsieg von Viktor Orbans Fidesz-Partei im Jahre 2010 und dem
gleichzeitigen Einzug einer starken Fraktion der rechtsradikalen Jobbik-Partei
ins ungarische Parlament wurde ein Gesetz erlassen, dass ca. 2,5 Millionen
Mitgliedern der ungarischen Minderheit in den Nachbarstaaten die Möglichkeit
gibt, die ungarische Staatsbürgerschaft zu erwerben, womit sie zu doppelten
Staatsbürgern werden. Dies führte dazu, dass bei den Wahlen 2014 erstmals auch
ca. 200.000 ethnische Ungarn aus den Nachbarstaaten wahlberechtigt waren, die
natürlich überwiegend Orbans Partei wählten, die ihnen dieses Recht
ermöglichte.
Zweifellos
hat Orban den Ungarn ein neues Nationalgefühl vermittelt. Auch schätzen viele
das Image eines starken Staatsmannes, der sich von der EU und den USA nichts
vorschreiben lässt, sein rigoroses Vorgehen gegen die Banken und seine
bisherigen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erfolge, die allerdings zum
Großteil durch staatliche Investitionen erreicht wurden. Aufgrund seiner
Politik gerät Orban im Westen immer mehr in die Isolation, weshalb er nun neue
Kontakte zu Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan
pflegt. Auch in Asien will Orban neue politische und wirtschaftliche Partner
finden. Bisher besteht aber immer noch eine starke Verflechtung mit der EU, in
die 76 % der ungarischen Export gehen.[17]
In jüngster Zeit ist die ungarische Regierung vor allem mit einer stark abwehrenden Haltung gegen Flüchtlinge hervorgetreten, u. a. durch die Errichtung von Stacheldrahtzäunen an ihren Grenzen. Die weitere Entwicklung Ungarns wird daher spannend bleiben.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Trianon und http://www.suedostdeutsche.de/vertrag-von-trianon.html
[3]
Klemens Ludwig: Ethnische Minderheiten in Europa (Beck’sche Reihe) 1995, S.
214f
(3a) Staatsbürgerliche Informationen der Bundeszentrale für Heimatdienst, Bonn, Ausgabe 92, März-April 1961
(3a) Staatsbürgerliche Informationen der Bundeszentrale für Heimatdienst, Bonn, Ausgabe 92, März-April 1961
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Trianon und http://www.suedostdeutsche.de/vertrag-von-trianon.html sowie http://www.versailler-vertrag.de/trianon/
[7] http://www.owep.de/artikel/597/ungarn-und-magyarischen-minderheiten-in-den-nachbarstaaten
(8) Pogrom 249/250_4-5/2008
(8) Pogrom 249/250_4-5/2008
(9) http://www.taz.de/Ungarische-Minderheit-in-Rumaenien/!126331/ - taz vom 28. 10. 2013
(10) Reinhardt Olt: „Vergessene Volksgruppe“ FAZ v, 7. 6. 1993 und pogrom 174 / 1994
(11) http://de.wikipedia.org/wiki/Magyaren_in_der_Slowakei
(12) http://derstandard.at/1385169723258/Slowakei-Ungarnminderheit-kritisiert-Minderheitenpolitik
(13) http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/streit-zwischen-ungarn-und-slowakei-das-echo-von-trianon-1839140.html - FAZ v. 25. 8. 2009
(14) http://de.wikipedia.org/wiki/Magyaren_in_der_Slowakei
[16] http://www.owep.de/artikel/597/ungarn-und-magyarischen-minderheiten-in-den-nachbarstaaten
[17] http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/ungarn-orban-wahlsieg-kommentar ZEIT ONLINE vom 6. April
2014
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