Überarbeitete Fassung Oktober 2017
1. Einleitung - Name - Zahlen
Die Benennung
Sinti und Roma ist eine Besonderheit in Deutschland (Siehe dazu die
Ausführungen unter 3.100 Roma in Europa). Die Zahl der Sinti und Roma mit deutscher
Staatsbürgerschaft wird auf ca. 70.000 geschätzt, einige Sinti-Organisationen
gehen auch von höheren Zahlen aus. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren
wohl daher, dass oft Migranten und Flüchtlinge mitgezählt werden.
Deutsche Staatsbürger sind ca. 60.000 deutsche Sinti und ca. 10.000 deutsche Roma. Deutsche Sinti und Roma leben verstreut über die ganze Bundesrepublik, vorzugsweise in Berlin und den Großstädten der westlichen Bundesländer. Überall stellen sie nur einen verschwindend kleinen Anteil an der Gesamtbevölkerung.[1] Hinzu kommt eine schwer zu beziffernde Zahl von Gastarbeitern, Flüchtlingen, Asylsuchenden sowie Arbeits- und Armuts-Migranten aus Osteuropa. Sie kamen in zeitlich verschieden Schüben nach Deutschland:
Deutsche Staatsbürger sind ca. 60.000 deutsche Sinti und ca. 10.000 deutsche Roma. Deutsche Sinti und Roma leben verstreut über die ganze Bundesrepublik, vorzugsweise in Berlin und den Großstädten der westlichen Bundesländer. Überall stellen sie nur einen verschwindend kleinen Anteil an der Gesamtbevölkerung.[1] Hinzu kommt eine schwer zu beziffernde Zahl von Gastarbeitern, Flüchtlingen, Asylsuchenden sowie Arbeits- und Armuts-Migranten aus Osteuropa. Sie kamen in zeitlich verschieden Schüben nach Deutschland:
►Seit ca. 1970: als jugoslawische „Gastarbeiter“, die von den Deutschen als
„Jugoslawen“ und nicht als Roma wahrgenommen wurden. Wie bei allen damaligen
Gastarbeitern blieb ein Teil für immer in Deutschland, ein großer Teil davon
besitzt inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
► Seit ca. 1990 – nach den Balkankriegen und seit ca. 1999 – nach Ausbruch
des Kosovo-Krieges kamen viele Flüchtlinge nach Deutschland, davon ein großer
Anteil Roma, die von allen Kriegsparteien diskriminiert wurden.
► Seit 2007
– und der EU-Osterweiterung um Rumänien und Bulgarien setzte ein Zustrom
Migranten aus diesen Ländern ein. Die Roma unter ihnen stellen wiederum eine
beachtliche Gruppe, da sie in ihren Herkunftsländern nach der Wende fast
durchweg arbeitslos wurden und auf Grund ihrer geringen Qualifikation dort noch
geringere Chancen bei der Arbeitssuche haben als die übrigen Einheimischen.
Über dieses Problem und seine kaum sichtbare Lösung wird z. Zt. heftig
debattiert – zum Teil mit wenig Sachkenntnis. (s. u.)
Man schätzt die
Zahl der Flüchtlinge und der so genannten Arbeitsimmigranten auf ca. 50.000 mit
steigender Tendenz.[2]
2. Sprache
Die Sinti in
Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten sprechen eine besondere Art
des Romanes, das sich von den übrigen Romanes-Sprachen unterscheidet. Durch die
lange Anwesenheit der Sinti in Deutschland (erstes schriftliches Dokument
stammt von 1407 aus Göttingen) enthält die Romanes-Version deutscher Sinti
viele deutsche Lehnwörter. Auch die deutschen Roma sprechen einen traditionell
in Deutschland gebrauchten Romanes-Dialekt.[3]
Die deutschen Sinti und Roma sind in der Regel zweisprachig. Neben Deutsch
verwenden sie in den Familien (Großfamilien) ihre jeweilige Romanes-Sprache.
Romanes ist keine Schriftsprache und wird daher weder an Schulen unterrichtet
noch an Hochschulen gelehrt. Die große Mehrheit der Sinti und Roma in
Deutschland wünscht nicht, dass andere Bürger Zugang zu ihrer Sprache erhalten.
Die Kinder aus Sinti und Roma-Familien wachsen zweisprachig auf und besuchen
deutsche Schulen. Die Zuwanderer aus Osteuropa benutzen ihre jeweils örtlich
eingefärbten Roma-Dialekte.(siehe 3.100 und 3.103) Aufgrund ihrer besonderen
Situation ist in der Regel ein besonderes Förderprogramm in der Grundschule
notwendig.
3. Geschichte
Zunächst
verweise ich auch hier auf die Ausführungen unter 3.100 Roma in Europa über die
Geschichte der europäischen Roma. Nach Gründung des deutschen
Kaiserreiches wurden die zuständigen
Behörden der einzelnen Bundesländer "zur Bekämpfung der
Zigeunerplage" miteinander vernetzt und es bildete sich eine Vorgehensweise
der Verwaltung heraus, die eine scharfe polizeiliche Überwachung und strenge
Aufenthaltsbeschränkungen mit sich brachte, was Sinti und Roma zum ständigen
Weiterziehen zwang. Folgende Maßnahmen auf Anweisung des Reichskanzlers von
Bismarck waren besonders folgenreich:
►1886: Bismarck
trifft die Entscheidung, das ab sofort zwischen reichsangehörigen und
ausländischen Zigeunern zu unterscheiden ist. Ausländischen Zigeunern wird ein
Wandergewerbeschein versagt, sie sollen abgeschoben werden. Die Umsetzung der
Anordnung ist Ländersache.
Daraufhin
erlassen Preußen und Bayern Sonderverordnungen, denen sich die meisten
Bundesländer anschließen
►1899: In München wird eine
zentrale Zigeuner-Polizeistelle zur Erfassung der Zigeuner eingerichtet
►1906: Preußen erlässt eine
„Anweisung zur Bekämpfung des Zigeuner-Unwesens“ mit dem Ziel: Ausweisung aller
ausländischen Zigeuner, Sesshaftmachung inländischer Zigeuner.
Diese
Überwachungspolitik wurde auch in der Weimarer Republik im Wesentlichen
fortgesetzt.[4]
Mit der
Machtübernahme der Nationalsozialisten verschärfte sich der Druck auf Sinti und
Roma als artfremde Rassen.
►1933 wurde das
Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen, Beginn von
Zwangssterilisierungen
►1935 Gesetz zum
Schutze des deutschen Blutes, Verbot der Heirat von „Deutschblütigen“ mit Juden
und Zigeunern. – Errichtung von Zwangs-Internierungslagern u. a. in Berlin,
Köln, Frankfurt/M. und Düsseldorf.
►1936 Errichtung
einer „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ unter Dr. Robert Ritter. Da die Roma - aus Nordindien kommend - ja zweifelsfrei zu den Indogermanen zählten, versuchten die Nazis „wissenschaftlich“ zu begründen, dass es sich dennoch um eine minderwertige
Rasse handelt.
►1939 Einführung von
Rasseausweisen, die als Vorbereitung zur Zwangsfestsetzung der Roma in
Sammellagern dienten. Verbot für Sinti und Roma, ihren Wohnort zu verlassen
►1940 Beginn von
Deportationen nach Polen
►1941 Deportation
von 5000 Roma in das Zigeunerghetto Lodz
►1942 Beginn von
Ermordungen.[5]
Hier einige Beispiele aus dem Werk Otto Pankoks
Gaisa stehend - Lithografie 1935
Dazu schreibt Eva Pankok, die Tochter von Otto Pankok zu einem Kalenderblatt: Gaisa war ein Sinti-Mädchen aus dem Heinefeld in Düsseldorf. Nachdem die Siedlung 1935 abgebrochen wurde, kam sie in ein Lager am Höher Weg und von dort nach Auschwitz. Sie überlebte und kam zurück in das Lager Höher Weg - wie viele andere Überlebende. Gaisa hatte ein kleines Kind bei sich und mein Vater kümmerte sich oft um beide. Als sie von einem Mann, der im Konzentrationslager tätig war, bedroht, geschlagen und beschimpft wurde, war sie zu schwach, um sich zu wehren. Mein Vater jagte den Mann zur Tür hinaus. Als er wieder kam, packte er ihn und warf ihn durchs geschlossene Fenster, so dass die Scheiben zu Bruch gingen. Der Kerl kam nicht wieder.
Ringela - Kreidelithografie 1932
Papelon - Radierung 1932
Die Situation der deutschen Sinti und Roma nach 1945
In den ersten
Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde in Deutschland im Zusammenhang mit dem
Holocaust nur das Schicksal der Juden im 3. Reich aufgearbeitet, das ähnliche
Schicksal der Sinti und Roma jedoch kaum thematisiert. Zwar wurde schon 1952
ein „Verband deutscher Sinti“ gegründet und 1956 ein „Zentralkomitee der
Zigeuner“, aber bei den alliierten Besatzungsmächten wie bei den deutschen
Behörden wurde eine Erfassung und Überwachung der Roma durch
„Landfahrer-Polizeistellen“ wie in der Weimarer Republik fortgesetzt. Eine 1953
vom bayrischen Landtag verabschiedete
„Landfahrerverordnung“ verpflichtete die sogenannten Landfahrer (gemeint waren
nur Sinti und Roma) besondere Ausweise mit sich zu führen, die für andere mobile
Gewerbetreibende nicht galten. Auch was die Entschädigung für im
Nationalsozialismus erlittenes Unrecht anging,
gab es wenig Schuldbewusstsein. In einem Urteil des Bundesgerichtshofs
von 1956, mit dem eine Entschädigung verweigert wurde, hieß es, dass Sinti und
Roma bis 1943 nicht aufgrund ihrer ‚Ethnie verfolgt wurden, sondern ihrer
besonderen Eigenschaften wie „Asozialität, Kriminalität und Wandertrieb“.
In der Ostzone
und späteren DDR wurden Sinti und Roma zwar als Opfer des Faschismus anerkannt
und erhielten eine kleine Opferrente, jedoch waren sie auch hier dem Druck der SED mit deren
"sozialistischem Menschenbild" ausgesetzt, was eine völlige Assimilation und
Preisgabe eigener kultureller Identität bedeutete.[7]
Erst in den
70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts setzte in der alten Bundesrepublik ein
allmählicher Sinneswandel ein. Unterstützt durch die Öffentlichkeitsarbeit der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wurde auf das Unrecht aufmerksam
gemacht, das Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten erdulden mussten.
Daraufhin wurde im Februar 1982 der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma gegründet, dem
15 Mitgliedsorganisationen angehören. Er machte mit Protestaktionen auf die
Opfer des NS-Regimes aufmerksam und protestierte auch gegen eine
Sonderbehandlung von Sinti und Roma durch deutsche Polizei- und Justizbehörden.
Nach langen und schwierigen Auseinandersetzungen stellten sich erste Erfolge
ein. Es wurden Vereinbarungen über die Entschädigung getroffen und Diskriminierungsverbote
ausgesprochen. Auch setzte sich der Zentralrat für eine Anerkennung der Sinti
und Roma als nationale Minderheit ein. In Heidelberg wurde am 13. 3. 1997 ein
Dokumentations- und Kulturzentrum durch Bundespräsident Roman Herzog
eingeweiht, das mit finanzieller Hilfe der Bundesregierung errichtet wurde.
Dieses Zentrum Deutscher Sinti und Roma hat es sich zur Aufgabe gesetzt,
Dokumentationen und wissenschaftliche Arbeiten zur Geschichte und Kultur
der Volksgruppe zu erstellen und zu unterstützen, Hilfestellung und
Beratung zur kulturellen Arbeit, Bildung und Fortbildung, zur
gesellschaftlichen Gleichstellung und der Öffentlichkeitsarbeit anzubieten.
Parallel zum
Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma hat sich in den Jahren 1999 - 2000 eine
Sinti-Allianz Deutschland e. V. gegründet. Sie ist die Dachorganisation von 20
Sinti-Organisationen und eines Lovara-Stammes. Sie fühlen sich als unabhängige,
aus Eigenmitteln finanzierte Interessenvertretung deutscher Zigeuner / Sinti und wollen
sich insbesondere dafür einsetzen, dass die traditionelle Lebensweise und die
historisch gewachsenen Gebote und Verbote ihrer Kultur beachtet und von der
Mehrheitsbevölkerung geachtet werden. Sie sind für die Benutzung der Begriffs
"Zigeuner", wenn er nicht in diskriminierender Weise gebraucht wird.
Deshalb streben sie eine rechtliche Grundlage an, die die Ausübung ihrer
Traditionen im Einklang mit den deutschen Gesetzen respektiert. Die Mehrheit
dieser Allianz sieht sich nicht als nationale Minderheit, sondern als
Sinti-Volksgruppe innerhalb des deutschen Volkes, die neben der deutschen
Sprache in ihren Familien und Sippen die Sinti-Sprache pflegen und die
Sinti-Kultur ausüben und bewahren will.[8]
Am 24. 10. 2012
wurde in Berlin südlich des Reichstags-Gebäudes eine Gedenkstätte für die vom
NS-Regime ermordeten europäischen Sinti und Roma in Anwesenheit des
Bundespräsidenten Joachim Gauck und der Bundeskanzlerin Angela Merkel
eingeweiht. Das Denkmal wurde aus Bundesmitteln errichtet und wurde
international sehr beachtet.
Am 15. 11. 2012
hat der Landtag von Schleswig-Holstein einstimmig beschlossen, dass die
deutschen Sinti und Roma als Minderheit in die Landesverfassung aufgenommen
werden. Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein damit in seiner Verfassung
festgelegt, dass neben den Dänen und Friesen auch Sinti und Roma Anspruch auf
besonderen Schutz und Förderung haben. In diesem Bundesland leben ca. 5000
Sinti und Roma. Das Gesetz wurde zweifellos unter besonderer Berücksichtigung
der Lage in Schleswig (siehe 2.0110, 2.052 und 3.053) getroffen. Da Sinti und
Roma im Gegensatz zu anderen Minderheiten in Deutschland (Dänen, Friesen, Sorben) aber kein
geschlossenes Siedlungsgebiet haben, ist eine Berücksichtigung von
Minderheitenrechten nur schwer zu begründen, so dass bisher andere Bundesländer
nicht folgten.
Im Ergebnis
aber kann man feststellen, dass mit den vorstehenden Ereignissen des Jahres
2012 m. E. ein Schlusspunkt unter die Vergangenheit gesetzt und eine
Normalisierung der Beziehungen zu den deutschen Sinti und Roma eingeleitet
wurde. Nach der Aufnahme Ungarns, Rumäniens und Bulgariens und der Reisefreiheit für Angehörige dieser Staaten, richtet sich der Fokus jedoch zunehmend auf
Roma-Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, die eine völlig neue (europaweite)
Herausforderung für die Mehrheitsgesellschaft darstellen. (s.u. 5.)
Eine ausführliche Dokumentation zur Geschichte Kultur und der heutigen Situation der Sinti und Roma in Deutschland bringt die Internetseite
http://www.gypsy-research.org
Eine ausführliche Dokumentation zur Geschichte Kultur und der heutigen Situation der Sinti und Roma in Deutschland bringt die Internetseite
http://www.gypsy-research.org
4. Kultur
Das schon
erwähnte Dokumentations- und Kulturzentrum des Zentralrats der deutschen Sinti
und Roma in Heidelberg ist auch ein kultureller Treffpunkt der Begegnung und
des Dialogs, an dem die vielfältigen kulturellen Beiträge der Minderheit z. B.
auf den Gebieten der Literatur, der Musik, des Tanzes und der Malerei
dargestellt und gepflegt werden. Es finden Vortragsveranstaltungen,
Ausstellungen, Filmvorführungen, Konzerte und Exkursionen statt.
Die
Sinti-Allianz gibt auf ihrer Homepage an, dass im Mittelpunkt ihrer kulturellen
Arbeit die Kinder und Jugendlichen aus Sinti-Familien stehen. Sie sollen die
Geschichte der Sinti besser kennen lernen und in Workshops werden künstlerisch
begabte Kinder von erfahrenen Sinti-Künstlern, Musikern, Sängern und Tänzern
ausgebildet und gefördert. Damit soll die angestammte Kultur der Volksgruppe
gefestigt und den Jugendlichen eine gute Basis für ihre berufliche Zukunft
vermittelt werden.
Der Leser sieht, man kann
Sinti und Roma nicht einfach als eine Einheit ansehen. Innerhalb dieser Gruppe
gibt es enorme Differenzen, nicht nur in der Sprache und Lebensgestaltung,
sondern auch im eigenen Selbstverständnis.
5. Politische Situation - Perspektiven
Unter 3.
Geschichte habe ich bereits auf die neueren Entwicklungen hingewiesen. Der
Betrachter von außen stellt fest, dass eine Entkrampfung im Verhältnis der
deutschen Bevölkerung zu der Gruppe der alteingesessenen Sinti und Roma
eingetreten ist. Ohnehin hat der normale Deutsche Bürger kaum Kontakt zu den
inzwischen integrierten deutschen Sinti und Roma. Dafür treten nun umso mehr
die Probleme mit Armutsmigranten aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn sowie Asylbewerbern aus Balkanstaaten (Serbien, Mazedonien
und dem Kosovo) die nicht zur EU gehören, ins Rampenlicht. Roma
sind in allen Balkanstaaten zweifellos erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt
(siehe 3.104 Roma in Osteuropa). Eine Patentlösung des Problems gibt es
sicherlich nicht. Priorität für politisches Handeln muss aber bleiben, dass den
Menschen vor Ort geholfen wird. Der Journalist Norbert
Mappes-Niediek macht mit seinem Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“ sehr
eindringlich darauf aufmerksam, dass für die osteuropäischen Roma vor allem die
traditionelle Armut und mangelnde Bildung das Grundproblem darstellt und nicht
die Situation als Minderheit.[9]
Das bedeutet, es muss Druck auf die
osteuropäischen Regierungen durch die EU und die westlichen Staaten ausgeübt
werden, damit diese ihre Verpflichtungen zur Gleichstellung der Roma in ihren
Ländern umsetzen und einzuhalten, aber auch die Armutsbekämpfung und die Verbesserung
der Infrastruktur und des Schulwesens vorantreiben. Wichtiger noch als der
Wohnungsbau ist dabei die Förderung der Bildung. Von bereitgestellten
EU-Mitteln wurden bisher große Summen nicht abgerufen, zum Teil mit der
Begründung, dass man die Co-Finanzierung nicht schaffe. Hier fehlt es
allerdings auch oft am politischen Willen und an einer effektiven Verwaltung.
Da muss die EU mit Druck einschreiten![10]
Im Übrigen muss
differenziert vorgegangen werden. So ist es z. Zt. zweifellos problematisch, Roma-Familien aus dem Kosovo, die während des dortigen Krieges
Asyl in Deutschland gefunden haben, nun wieder dorthin abzuschieben. Dem steht
einerseits entgegen, dass sie dort wieder an den Rand der Gesellschaft gedrängt
und diskriminiert werden und zweitens, dass Kinder aus diesen Familien
inzwischen in Deutschland ihre Heimat sehen, deutsch sprechen und in ihrem
Umfeld zu Hause sind, während das Kosovo und die albanische Sprache für sie
fremd sind. Deshalb fordert zum Beispiel die Gesellschaft für bedrohte Völker,
dass Flüchtlingen aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, die langjährig in
Deutschland leben, eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden muss
und Flüchtlingskindern die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen werden soll,
wenn sie hier groß wurden und Deutsch ihre Sprache ist. Familien mit diesen
Kindern dürfen nicht auseinander gerissen werden. Andererseits müssen Roma, die in Deutschland kriminelle Taten begangen haben, konsequent abgeschoben werden. Insbesondere die Organisatoren von Einbrecherbanden und die ausbeuterischen Drahtzieher von Bettlergruppen und Prostituierten müssen polizeilich bekämpft und unverzüglich abgeschoben werden.
Besondere
Brennpunkte für Roma aus Rumänien und Bulgarien sind Duisburg und Berlin und dort vor allem Neukölln. Insbesondere für die Schulen ist dies eine
Herausforderung, denn es stehen nicht genügend Lehrkräfte zur Verfügung, die
die Muttersprache der Kinder beherrschen und diesen damit eine Hilfestellung in
der Übergangsphase geben können. Hier erwarten die betroffenen Gemeinden finanzielle
Unterstützung durch den Bund und die EU. Leider ist aber festzustellen, dass
auch in Deutschland häufig EU-Gelder gar nicht abgerufen werden, weil die
notwendige Co-Finanzierung nicht gewährleistet ist. Mit der Freizügigkeit für
rumänische und bulgarische Bürger innerhalb der EU bleibt eine befriedigende
Lösung für die Roma der Balkanländer auch in Deutschland vordringlich auf der
Tagesordnung der politisch zu lösenden Aufgaben.
Aber auch hier
gibt es erste Lichtblicke. Viele Eltern haben inzwischen erkannt, dass eine
gute Bildung Voraussetzung für die Zukunft ihrer Kinder ist. Und die Deutsche Welle (DW) berichtet in einem Beitrag vom 10. 1. 2014 unter dem Titel "Vom Matratzenlager zum Vorzeigeprojekt" wie aus einem ehemaligen "Problemhaus" ein Beispiel der gelungenen Integration von Roma wurde.[11]
Abschließend möchte ich nochmals auf die umfangreiche Dokumentation über Sinti und Roma in Deutschland auf der Internetseite
http://www.gypsy-research.org hinweisen
Abschließend möchte ich nochmals auf die umfangreiche Dokumentation über Sinti und Roma in Deutschland auf der Internetseite
http://www.gypsy-research.org hinweisen
[1]
Bericht der Bundesrepublik Deutschland gem. Art.
25, Abs. 1 des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler
Minderheiten http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/157.htm
[2]
Daniel Strauß: Zur Bildungssituation von
deutschen Sinti und Roma - in Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 22-23/2011 v.
30. 11. 2011
[3] Bericht
der Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 25 wie vor unter 1
[4]
Informationen zur Politischen Bildung Nr. 271 /
2001
[5] Benjamin Karl
Nicolai Bender: „Die Roma. Zwischen Antiziganismus und Integration“
[6] z. B. der
Katalog "Otto Pankok - die Passion" zur Ausstellung in der alten
Nazareth-Kirche in Berlin-Wedding 1989" mit umfangreichen Literaturangaben
im Anhang
[7] Benjamin Karl Nicolai Bender „Die Roma. Zwischen Antiziganismus und Integration“ - Online-Publikation http://www.uni-kassel.de/ OnlinePub_.pdf
[8]
Webseite des Bundesministeriums des Inneren über
nationale Minderheiten in Deutschland - Broschüre "Nationale Minderheiten - Minderheiten- und Regionalsprachen in Deutschland" und http://deutschezigeuner.blogspot.de/2009/01/uber-uns-die-sinti-allianz-deutschland.html und
http://www.sinti-allianz.de/sinti-und-roma.html
[9] Norbert Mappes-Niediek: „Arme Roma, böse
Zigeuner“ – Bundeszentrale für politische Bildung Band 1385, Bonn 2013 – siehe
dazu eine längere Leseprobe unter 3.100 Roma in Europa, Pkt. 5
[10] WAZ vom 14.1.2014
[11]
Die Welt vom 25. 4. 2012, S. 25 "Gekommen
um zu lernen - die Suche nach einem besseren Leben treibt Roma nach Berlin, vor
allem Neukölln. Das ist gerade für Schulen eine Herausforderung" und DW vom 10. 1. 2014 : http://www.dw.de/vom-matratzenlager-zum-vorzeigeprojekt/a-17353563
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen