aktualisierte Version Januar 2019
Lage und Zahlen
Ein zusammenhängendes friesisches
Sprachgebiet gibt es heute nicht mehr. Aufgrund der geschichtlichen
Entwicklung müssen wir heute drei friesische Volksgruppen unterscheiden. Die besondere Geschichte und heutige Situation der Westfriesen in den Niederlanden und der ostfriesischen Sprache wird von mir unter nachstehenden Posts behandel:
3.052 die Ostfriesen / Saterfriesen
Die gemeinsame Frühgeschichte der Friesen behandelt mein Post 3.05 Friesen
Die gemeinsame Frühgeschichte der Friesen behandelt mein Post 3.05 Friesen
Das heutige Siedlungsgebiet der
Nordfriesen umfasst große Teile des Kreises Nordfriesland in
Schleswig-Holstein und die zum Kreis Pinneberg gehörige Insel
Helgoland. Etwa 50000 bis 60000 Personen fühlen sich von der
Abstammung und Verbundenheit her als Nordfriesen, davon sind etwa
10000 aktive Sprecher eines nordfriesischen Dialekts, weitere 20000
verstehen diese Sprache(n).1
Auf den Inseln Sylt, Föhr, Amrum und Helgoland und den nördlichen
Halligen finden wir friesisch als Familiensprache und öffentliches
Kommunikationsmittel, allerdings in unterschiedlichen Konstellationen
zu Hoch- und Niederdeutsch. Auf dem Festland werden friesische
Dialekte in einem Küstenstreifen zwischen Husum und der heutigen
deutsch-dänischen Grenze gesprochen, wobei sich friesisch hier
eindeutig in einer Minderheiten-Situation befindet, abgesehen von
einem kleinen Bereich um Risum-Lindholm (südlich Niebüll in der
Bökingharde) sowie einigen Dörfern der Wiedingharde. (siehe nachstehende Karte und weiter unten "nordfriesische Dialekte")
Quelle: Onno Gabriel [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Früh-Geschichte
Mittelalterliche Quellen über die
Nordfriesen liegen nicht vor. Durch die lautgeschichtliche
Erforschung der heute noch gesprochenen Mundarten und archäologische
Grabungen weiß man, dass die Nordfriesen in zwei Epochen aus dem
heutigen West- und Ostfriesland nach Nordfriesland eingewandert sind.
Bei der ersten Einwanderungswelle im 7./8. Jahrhundert
wurden die heutigen Inseln Sylt, Amrum,
Föhr und Helgoland sowie der westliche Teil Eiderstedts besiedelt.
In einer zweiten Wanderbewegung kamen im 11. Jahrhundert
West/Ostfriesen in den Bereich des heutigen Nordfriesland und auf die
Halligen.2
Im übrigen ist die weitere Geschichte der Nordfriesen eng mit dem Landesteil Schleswig verbunden. Unter 2.0110 Deutsche Nordschleswiger habe ich diese gemeinsame Geschichte von Deutschen, Dänen und Friesen in Schleswig in einer Übersichtstabelle zusammengefasst.
Nordfriesische Dialekte und ihre Geschichte
Aufgrund der unterschiedlichen
Einwanderungszeiten und durch die Vermischung mit einer vorgefundenen
Bevölkerung bestehen zwischen den Dialekten der Inselfriesen
einerseits und der Festland- und Halligfriesen andererseits
erhebliche Unterschiede. Wir sprechen daher von 2 nordfriesischen
Sprachgruppen, die sich so stark voneinander unterscheiden, dass sich
Inselfriesen und Festlandfriesen nur auf niederdeutsch oder
hochdeutsch miteinander verständigen.3
Bei den Inselfriesen war durch die lange Trennung sogar das
friesische Bewusstsein verlorengegangen. Man bezeichnete die Hallig-
und Festlandfriesen als „Friesen“ und deren Sprache als
„friesisch“, sich selbst und die eigene Sprache aber nicht.4
Da es im heutigen Nordfriesland nie ein
politisches oder kulturelles friesisches Zentrum gab, konnte auch nie
eine übermundartliche friesische Verkehrssprache ausgebildet werden.
Vielmehr führten Einflüsse des Niederdeutschen und des Dänischen
(Südjütischen) zu einer weiteren Aufsplitterung in kleinräumige
Dialektbereiche.
Seit dem Mittelalter war das
Niederdeutsche – die Sprache der Hanse – übermundartliche
Verkehrssprache in Nordfriesland. Durch die Reformation wurde
Niederdeutsch Kirchensprache, spätestens ab dem 18. Jahrhundert
Hochdeutsch. Auch als Amtssprache wurde Niederdeutsch im 16. und 17.
Jahrhundert von Hochdeutsch abgelöst. Schon im Mittelalter gingen
die an den Grenzen des friesischen Sprachgebiets liegenden Städte
wie
z. B. Husum und Tönning zum
Niederdeutschen über. Im 17. und 18. Jahrhundert ging die Halbinsel
Eiderstedt dem friesischen Sprachgebiet verloren, ebenso wie die nach
der großen Sturmflut 1634 entstandenen Inseln Pellworm und
Nordstrand. Schließlich wurden im 19. Jahrhundert Bereiche von Föhr
(Wyk, Nieblum), Amrum (Wittdün) und West-Sylt endgültig
niederdeutsche bzw. hochdeutsche Sprachgebiete, ebenso wie weite
Bereiche zwischen Husum und Tondern sowie auf den Halligen.5
Aufgrund dieser geschichtlichen
Entwicklung können wir heute folgende Bestandsaufnahme6
des nordfriesischen Sprachraums vornehmen:
A. Insel-Nordfriesen
A.1. Föhr
Die Nordseinsel Föhr ist sprachlich geteilt. Der Hauptort Wyk und das Dorf Nieblum
sind wie bereits erwähnt seit Mitte des 19. Jahrhunderts
niederdeutsches Sprachgebiet. Die übrigen Bereiche sind wichtige "Festungen" der friesischen Sprache. Diese heißt auf Föhr: Fering (fries. Feer) und gilt mit dem
Amring der Insel Amrum als eine Dialektgruppe des Nordfriesischen. Fering
unterscheidet sich vom Amring kaum in der schriftlichen Form, wohl
aber in der lautlichen Betonung. Vom Fering gibt es 3 Varianten,
wobei das Weesdring, die Mundart von Westerland-Föhr nicht nur die
Hochburg auf Föhr sondern generell des Nordfriesischen ist. In
Osterland-Föhr wird die Aasdring-Mundart gesprochen und schließlich
gibt es noch eine Südföhrer Variante. Im Süden und in der Mitte
Föhrs waren zwischenzeitliche Verluste zugunsten einer nieder- oder
hochdeutschen Umgangssprache festzustellen, inzwischen hat sich
dieser Trend jedoch sogar umgekehrt so dass Nils Århammer
feststellen kann, dass Fering Terrain zurückgewinnt und eine größere
Widerstandskraft gegen das Vordringen des Hochdeutschen besitzt als
das Plattdeutsche.7
A.2. Amrum
Der Amring (fries. Öömrang) genannte
Dialekt der Insel Amrum hat eine große Nähe zum Fering der Insel
Föhr. Außer im erst 1890 gegründeten Seebad Wittdün – an der
Südspitze der Insel – ist in den Dörfern Norddorf, Nebel und den
kleineren Orten Süddorf und Steenodde friesisch weit verbreitete
Umgangssprache unter Einheimischen. Man schätzt, das etwa 1000
Amrumer ihr Öömrang sprechen. Durch Zuzug vom Festland und durch
den Fremdenverkehr besteht jedoch eine starke Gefährdung.
A.3. Sylt
Die geschilderten Gefahren für das
Friesische gelten in besonderem Maße für das Sölring (fries. Söl)
der Insel Sylt. Sölring gilt für andere Friesen als besonders
schwer verständlich. Es wird vor allem noch im Osten der Insel
gesprochen, wobei Schätzungen davon ausgehen, dass von den Bewohnern
der Insel Sylt z. Zt. lediglich 4% friesisch gut beherrschen.8
Die „Sölring Foriining“ mit Sitz in Keitum setzt sich mit
Nachdruck für den Erhalt des Sylter Friesisch (Söl’ring) ein.
Außerdem unterhält man 2 Museen und veranstaltet friesische
Heimatabende mit Tanzvorführungen in Sylter Tracht, was auch bei
Touristen eine große Resonanz findet. Auf eine große Resonanz
stößt auch das sogenannte Biikebrennen am 21. 2. jeden Jahres, dem
friesischen Nationalfest. Die Bedeutung dieses Brauchs (er erinnert
Besucher an die Osterfeuer) hat im Laufe der Jahrhunderte mehrfach
gewechselt (heidnische Opferrituale, Wintervertreibung,
Abschiedsfeuer für Seefahrer). Seit dem 19. Jahrhundert gelten die
Biiken – nicht nur auf Sylt, sondern bei allen Nordfriesen – als
Symbol friesischen Volkstums und friesischer Verbundenheit.9
A.3. Helgoland
Die Insel Helgoland gehört als einzige
nicht zum Kreis Nordfriesland, sondern zum Kreis Pinneberg. Viele
Bewohner sprechen noch den friesischen Dialekt Halunder (fries. Deät
Lun)
B. Das Festland-Nordfriesische
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
lebten die Bewohner vieler Dörfer des nordfriesischen Festlands in
oft unzugänglichen Moor- und Sumpfgebieten und dadurch in großer
Abgeschiedenheit (dies gilt selbstverständlich auch für die
Halligen). Diese Situation hat neben dem Einfluss der jeweiligen
Staats- und Verkehrssprachen (Hochdeutsch, Niederdeutsch, Dänisch,
Südjütisch) zu einer Dialektzersplitterung auf engsten Raum
beigetragen So zählen wir heute noch 6 verschiedene Dialekte des
Festland- und Hallig-Nordfriesischen. Die siebte oft angeführte
Mundart, das Südergoesharder Friesisch, ist mit der letzten
Muttersprachlerin am 10. 10. 1981 ausgestorben.10
(Siehe auch obige Karte der nordfriesischen Dialekte)
(Siehe auch obige Karte der nordfriesischen Dialekte)
B.1. Wiedingharder Friesisch
Harden waren die Verwaltungs- bzw.
Gerichtsbezirke der Herzöge von Schleswig bzw. der Könige von
Dänemark. Durch die Grenzziehung von 1920 liegt die Wiedingharde nun
unmittelbar südlich der dänischen Grenze. Das Wiringhiirder freesk
ist stark vom dänischen bzw. vom südjütischen Dialekt
beeinflusst.. Lediglich Emelsbüll, der südliche Ort der Harde,
weist große Nähe zum mooringer Friesisch auf.
B.2. Bökingharder- oder Mooringer Friesisch
Beim Böökinghiirder frasch handelt es
sich um die meistgesprochene Haupt-Mundart des
Festland-Nordfriesischen. Aber auch innerhalb dieser Mundart gibt es
noch Dialektunterschiede: das Westermooringer frasch (Niebüll,
Deezbüll), das Ostermooringer frasch (Risum-Lindholm) und
Sonderstellungen in Dagebüll und Fahretoft. Risum-Lindholm ist die
Hochburg der Friesischsprecher auf dem Festland.
B.3. Nordergoesharder Friesisch
Diese Mundart wird nördlich der Stadt
Bredstedt (fries. Bräist) gesprochen. Man unterscheidet aber auch
hier noch zwei unterschiedliche Ausformungen: das Horninger fräisch
(um Langenhorn) und das Hoolmer freesch (um Ockholm).
B.4. Mittelgoesharder Friesisch
Dieser in Bredstedt und südlich davon
gesprochene Dialekt (freesch) ist akut vom Aussterben bedroht. Das
gleiche gilt für das
B.5. Karrharder Friesisch
(fräisch) im Bereich südlich von Leck
B.6. Halligfriesisch
Halifreesk (fries.: e Halie) wird noch
auf den Halligen Langeneß, Oland und Hooge gesprochen, ist aber auch
vom Aussterben bedroht. Das Halligfriesische ist eng mit den
Goesharder Mundarten verwandt.
Nordfriesische Bewegungen und Vereine
In der Mitte des 19. Jahrhunderts
erreichte die Romantik und mit ihr das Interesse an der eigenen
Sprache und Identität auch Nordfriesland. Es erschienen erste
Veröffentlichungen zur friesischen Geschichte, Volkskultur und
Sprache. Dies blieb jedoch das Werk einiger Intellektueller. Zu einer
breiten Volksbewegung kam es nicht, vor allem weil gleichzeitig der
Gegensatz zwischen Deutsch und Dänisch die Bevölkerung im Herzogtum
Schleswig bewegte. (siehe die Übersichtstabelle unter 2.0110 Deutsche Nordschleswiger). Nach
fehlgeschlagenen Versuchen wurde erst 1902 der „Nordfriesische
Verein für Heimatkunde und Heimatliebe“ gegründet. Seine
Mitglieder legen bis heute Wert darauf, als Angehörige eines
„deutschen Stammes“ angesehen zu werden11,
weil Nordfriesland seit Jahrhunderten eng mit der deutschen Sprache
und Kultur verbunden war. So stimmte auch die übergroße Mehrheit
aller Friesen 1920 für einen Verbleib bei Deutschland. In Gegensatz
zu dieser Position setzte sich der 1923 gegründete
Friesisch-Schleswigsche Verein, der eine national-friesische Position
bezog (Friesen sind weder Deutsche noch Dänen, sondern ein
eigenständiges Volk). Dieser Gegensatz wurde zum Teil mit großer
Vehemenz ausgetragen und flammte nach dem 2. Weltkrieg erneut auf,
als die 1948 als Nachfolgerin des Friesisch-schleswigschen Vereins
gegründete „Foriining for nationale Friiske“ (zunächst Frashe)
den Anschluss Schleswigs an Dänemark forderte, weil man im dänischen
Staat eher die Möglichkeit sah, seine national-friesischen Ziele zu
verwirklichen und meinte, eine Überfremdung durch Flüchtlinge
verhindern zu können. So verband man sich auch politisch mit dem dänisch orientierten SSW
und bestimmte dort zeitweise maßgeblich die Nachkriegs-Politik.
Nach der Bonn-Kopenhagener Erklärung
1955 (siehe 2.0110 Deutsche Nordschleswiger) normalisierte sich auch das Verhältnis zwischen
den deutsch- und national-gesinnten Friesen. Ein Übergewicht in der
Zustimmung liegt weiterhin beim Nordfriesischen Verein mit den ihm
angeschlossenen 15 örtlichen Vereinigungen mit einer Mitgliederzahl
von ca. 4800. Die Foriining for nationale Friiske hat rund 600
Mitglieder und arbeitet eng mit der dänischen Minderheit und dem SSW
zusammen. Gemeinsam vertreten beide Vereinigungen Nordfriesland im
Friesenrat (siehe 3.05 Friesen, Abschnitt: Pan-Friesische Verbundenheit) und
sie sind ebenso gemeinsam Träger des 1948 gegründeten
Nordfriesischen Instituts in Bredstedt. Dieses Institut ist die
zentrale Einrichtung der Friesen zur Erforschung und Pflege der
friesischen Sprache und Kultur. Neben Mitgliedsbeiträgen (ca. 5%)
wird es vornehmlich durch Zuschüsse vom Land Schleswig-Holstein, aus
Bundesmitteln, aber auch Zuschüssen vom Kreis Nordfriesland, der
Stadt Bredstedt und aus Dänemark (über die Sydslesvigsk Forening)
finanziert.12
Um die Beziehungen zueinander zu verbessern haben sich die
verschiedenen nordfriesischen Fraktionen darauf verständigt, sich
als friesische Volksgruppe und nicht als Minderheit zu bezeichnen.
Dieser Kompromiss ist inzwischen allgemein akzeptiert.13
Heutige politische Situation der Nordfriesen
Das Land Schleswig-Holstein hat in Art.
5 seiner Verfassung die Bezeichnung Friesische Volksgruppe übernommen
und ihre kulturelle Eigenständigkeit unter den besonderen Schutz des
Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände gestellt. Darüberhinaus hat der Landtag von Schleswig-Holstein am 13. Dezember 2004 ein Gesetz
zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum beschlossen (siehe http://de.wikisource.org/wiki/Friesisch-Gesetzhttps://de.wikisource.org/wiki/Friesisch-Gesetz_(2004)). Seit 1988
besteht bei der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung das Amt des
Grenzlandbeauftragten der Ministerpräsidentin (siehe 2.3.1). Dieser
ist auch für die Beachtung und Förderung der Rechte der
nordfriesischen Volksgruppe verantwortlich. Alle Parteien im Landtag
fühlen sich inzwischen der Förderung der Friesen verpflichtet. Beim
Schleswig-Holsteinischen Landtag besteht ein Gremium unter Vorsitz
des Landtagspräsidenten, das alle für Friesen wichtigen Fragen
berät und gegebenenfalls im Landtag Gesetzesvorschläge einbringt.14
Motor bei der Verfolgung friesischer Interessen ist nach wie vor der
SSW, der seit 2000 immer mit mindestens einem friesischen Abgeordneten im
Landtag vertreten ist. Seit der letzten Landtagswahl 2017 ist Lars Harms Vorsitzender der SSW-Landtagsfraktion. Lars Harms ist auch Mitglied im Vorstand der
Friisk Foriining (friesische Kulturorganisation) und Mitglied im Verein Nordfriisk Instituut. Weitere Hinweise zum SSW siehe unter Dänische Volksgruppe in Schleswig-Holstein.
Vorteilhaft für die Friesen ist auch die Tatsache, dass die deutsche Bundesregierung die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates ratifiziert hat und in diesem Rahmen auch das Nord- und Saterfriesische unter besonderen Schutz gestellt wurde.15
Friisk Foriining (friesische Kulturorganisation) und Mitglied im Verein Nordfriisk Instituut. Weitere Hinweise zum SSW siehe unter Dänische Volksgruppe in Schleswig-Holstein.
Vorteilhaft für die Friesen ist auch die Tatsache, dass die deutsche Bundesregierung die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates ratifiziert hat und in diesem Rahmen auch das Nord- und Saterfriesische unter besonderen Schutz gestellt wurde.15
Kindergärten und Schulen
Auf Anregung des vorerwähnten Gremiums
beim Schleswig-Holsteinischen Landtag wurde 1993 – 1996 probeweise
die Verwendung von friesisch im Kindergartenbereich an zwei
Standorten (Föhr und Risum-Lindholm) eingeführt. Aufgrund dieses
Modellversuchs wird inzwischen an 28 Kindergärten in Nordfriesland
die friesische Sprache in unterschiedlichem Umfang benutzt.16
Friesisch-Unterricht wird auf freiwilliger Basis an insgesamt 25
Schulen des nordfriesischen Sprachgebiets erteilt (davon 3 des
dänischen Schulvereins) . Im Schuljahr 2002/03 unterrichteten 29
Lehrpersonen wöchentlich 154 Stunden Friesisch für 1473
Schüler(innen).17
An den Universitäten Kiel und
Flensburg wird das Fach Friesisch für Lehramtsanwärter angeboten.
Hiervon machten 2000 an der Uni Flensburg 14 und an der Uni Kiel 46
Studierende Gebrauch.18
Die örtlichen friesischen
Organisationen und die Volkshochschulen im Kreis Nordfriesland bieten
regelmäßig Sprachkurse in Friesisch für Erwachsene an.19
Friesische Literatur und Veröffentlichungen
Ein Problem für alle friesischen
Veröffentlichungen ist die nordfriesische Mehrsprachigkeit, so dass
in der jeweiligen Mundart immer nur ein begrenzter Kreis angesprochen
werden kann.
Hinzu kommt, dass sich erst in jüngster
Zeit eine Kodifizierung der verschiedenen Dialekte und eine
einheitliche Orthographie durchgesetzt haben.20
Das erste Werk in friesischer Sprache erschien bereits 1809 in Sylter
Friesisch. Seitdem sind viele Werke und Übersetzungen in den
verschiedenen nordfriesischen Mundarten erschienen. Eine wichtige
Rolle spielt auch hier das Nordfriesische Institut, das die
Vierteljahresschriften „Nordfriesland“ und „Der Maueranker“,
das „Nordfriesische Jahrbuch“ und viele Bücher in friesischer
und deutscher Sprache herausgibt.21
Die Foriining for nationale Friiske gibt in unregelmäßigen
Abständen die Zeitschrift „Üüsen äine wäi“ heraus und in der
Zeitschrift „Zwischen Eider und Wiedau“, herausgegeben vom
Nordfriesischen Verein, werden ebenso regelmäßig Beiträge in
friesischer Sprache veröffentlicht. Hinzu kommen Zeitschriften der
regionalen friesischen Vereine auf den Inseln und auf dem Festland.
Wer an der friesischen Sprache interessiert ist, kann auch
zweisprachige Bücher erwerben und sich so mit der friesischen
Sprache vertraut machen.22
Friesisch in den Medien und in der Öffentlichkeit
In den Zeitungen des shz-Verlags
(Husumer Nachrichten, Insel-Bote, Nordfriesland Tageblatt) erscheinen
regelmäßig friesischsprachige Beiträge und Sonderseiten bzw.
Zeitungsbeilagen.
Die NDR-Welle Nord sendet jeden
Mittwochabend drei Minuten in einem nordfriesischen Dialekt.23
Im privaten Kanal RSH werden unregelmäßig einstündige
Sondersendungen für die Westküste und den Raum Flensburg /
Schleswig ausgestrahlt. Schließlich sendet seit Oktober 1999 der
offene Kanal Westküste jeden ersten Montag im Monat eine halbe
Stunde auf friesisch, die an jedem dritten Montag wiederholt wird.
Regelmäßige Fernsehsendungen in
friesischer Sprache gibt es z. Zt. nicht. Dies wird von den
nordfriesischen Vereinen und auch dem Gremium für Friesisch-Fragen
des Schleswig-Holsteinischen Landtags bemängelt. Landtagspräsident
Arens monierte, dass der NDR seine Pflicht in dieser Hinsicht nicht
erfülle. Er halte es für machbar, dass im Dritten Programm
friesische Sendungen mit deutschen Untertiteln ausgestrahlt werden.24
Hinsichtlich zweisprachiger Ortstafeln
gab es in Schleswig lange kontroverse Diskussionen. Obwohl die Initiativen
immer nur deutsch-friesische Ortsschilder vorsahen, wurden diese mit
dem Hinweis auf die anderen Sprachen und Dialekte (Niederdeutsch,
Dänisch, Südjütisch) abgelehnt, weil dann im Ergebnis 5sprachige
Beschilderungen herauskämen.25
Inzwischen sind entsprechend dem oben genannten Gesetz
zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum deutsch-friesische
Ortstafeln zugelassen, wenn die betroffenen Gemeinden dies
beantragen. Hiervon haben inzwischen viele Gemeinden Gebrauch
gemacht (z. B. Risum-Lindholm, Bredstedt, Nebel, Norddorf, Süddorf und Steenodde auf Amrum,
Niebüll, Utersum auf Föhr und Kampen auf Sylt u.a.).26
Ortsschild von Norddorf auf Amrum
Einsprachig friesische Straßennamen finden wir in vielen Dörfern auf den Inseln und in einigen Gemeinden auf dem Festland. Hierdurch wird der friesische Charakter der jeweiligen Gemeinde besonders augenfällig hervorgehoben. Touristen reagieren hierauf in aller Regel positiv, zumal Touristenbüros (wie z. B. auf Amrum) hierzu entsprechende Hinweise mit Erklärungen und Übersetzungen anbieten. In der Zeitschrift "Zwischen Eider und Wiedau" 2016, S. 169-174 ist inzwischen ein Artikel über die Straßennamen in Norddorf auf Amrum erschienen (A struatennöömer bi nuurd) in dem die Bedeutung der Straßennamen und ihre Herkunft erläutert wird. Ebenso in der Gästezeitschrift "Der kleine Amrumer" von 2016.
Zukunft der Nordfriesen und ihrer friesischen Sprache(n)
Wie bereits angeführt, besteht heute
ein Verhaltener Optimismus hinsichtlich der Zukunft der Nordfriesen
und ihrer Sprache(n)27.
Anlass zu diesem Optimismus gibt vor
allem die Tatsache, dass die friesische Sprache im Verhältnis zum
Hochdeutschen bedeutend an Stellenwert gewonnen hat, vor allem auch
im Vergleich zu Niederdeutsch und Südjütisch. Zumindest in den
friesischen Hochburgen ist man auch bei Jugendlichen nicht „in“,
wenn man die friesische Mundart nicht beherrscht.28
Verheißungsvoll sind auch die
Auswirkungen des Friesisch-Unterrichts in den Schulen29
und in der Erwachsenenbildung und generell ein gestiegenes
Selbstbewusstsein der Friesen. Nicht zuletzt ist es aber auch
notwendig, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu stärken, dass
Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit eine Bereicherung für den
Einzelnen und die Gemeinschaft darstellen.30
So bleibt zu hoffen, dass die staatlichen Förderungsmaßnahmen zum
Erhalt der friesischen Sprache und Kultur nicht dem Sparstift zum
Opfer fallen.
1
Dr. Thomas Steensen, Direktor des Nordfriisk-Instituuts, schreibt:
„Genauere Zählungen für ganz Nordfriesland wurden seit über 60
Jahren nicht mehr angestellt. Eine Minderheit zählt man nicht, man
glaubt an sie“ (zitiert nach www.shz.de/shzde/jhdstory:
“Die (nord)friesische Volksgruppe im 20. Jahrhundert“)
2
www.nf-verein.de
- zu West- und Ostfriesen siehe unter 2.411 und 2.412
3
pogrom Nr. 179/1994 „Verhaltener Optimismus ist angebracht.“
Hier wird auch berichtet, dass aufgrund der in den letzten
Jahrzehnten verstärkten interdialektalen Zusammenarbeit inzwischen
festgestellt wurde, dass eine Verständigung zwischen Insel- und
Festlandfriesen in friesischer Mundart durchaus möglich ist.
4
Nils Århammar „Die Amringer Sprache“ in „Amrum – Geschichte
und Gestalt einer Insel“, S. 107ff. Auf Amrum bezeichnet man die
eigene Sprache z. B. als Amring (fries. Öömrang)
5
Nils Århammer: „Die Amringer Sprache“ in „Amrum –
Geschichte und Gestalt einer Insel“, S. 107ff
6
Im wesentlichen basieren die Angeben auf Informationen des
Nordfriisk Instituut, Bredstedt, (www.nordfriiskinstituut.de)
7
Nils Århammer: „Die Sprachen der Insel Föhr“
8
www.sylt-az.de
berichtet, dass 1889 noch 70 % aller Sylter Sölring
beherrschten, 1927 immerhin noch 34 %, ein Zeichen dafür wie stark
sich inzwischen die Bevölkerungsstruktur gewandelt hat.
10
Alastair Walker: „Nordfriesland, die Nordfriesen und das
Nordfriesische“ in Handbuch der mitteleurop. Sprachminderheiten,
S. 6ff
11
Jan Goossens vertritt in „Deutsche Dialektologie“, S. 49f den
Standpunkt, dass die Bündelung der 3 friesischen Sprachgruppen zu
einer „Sprache“ den Eindruck eines beliebigen Konstrukts
erweckt. Die Verwandtschaft sei nur unter schweren Bedenken
festzustellen. Im übrigen würden diese friesischen Dialekte
ausschließlich von der deutschen Hochsprache überdacht, so dass
man sie auch als deutsche Mundarten betrachten kann.
12
Europaausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Niederschrift
der Sitzung vom 5. 6. 2002
13
Alastair Walker: „Nordfriesland, die Nordfriesen und das
Nordfriesische“ in Handbuch der mitteleurop. Sprachminderheiten,
S. 14ff . Der Begriff Friesische Volksgruppe wurde in
Schleswig-Holstein und damit in der B.R. Deutschland zur Abgrenzung
von der dänischen Minderheit gewählt, obwohl der Begriff häufig
auch als Variante von Minderheit gebraucht wird und häufig eine
andere Bedeutung hat, nämlich (Außen-)Gruppe eines größeren
Volkes, z. B. deutsche Volksgruppen in Osteuropa (siehe 1.1.2)
14
1. Bericht der B. R. Deutschland gem. Art. 25 des
Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler
Minderheiten, S. 35
15
1. Bericht der B. R. Deutschland gem. Art. 15 der Europäischen
Charta der Regional- und Minderheitensprachen, Anlage 1 und siehe
Anm. 12, S. 6
16
1. Bericht der B. R. Deutschland gem. Art. 15 der Europäischen
Charta der Regional- und Minderheitensprachen, S. 132
17
Antwort der Landesregierung Schleswig-Holsteins auf eine Kleine
Anfrage des Abgeordneten Harms (SSW) – Landtags-Drucksache 15/2330
v. 16. 12. 02
18
siehe Anm. 12, S. 134
19
wie Anm. 12, S. 135
20
Ein kurzer Laut wird durch einen einfachen Vokal und ohne
Verdoppelung des folgenden Konsonanten, ein langer durch
Doppelschreibung des Vokals wiedergegeben, (ausgenommen Helgoland)
und mit Ausnahme von Sylt und Helgoland wird nordfriesisch
grundsätzlich (außer Eigennamen) klein geschrieben. Verdienstvoll
ist die Tätigkeit der Nordfriesischen Wörterbuchstelle an der
Landesuniversität Kiel
21
www.ndr.de/wellenord/nordfriesisch_d.html#
22
z. B. die zweisprachigen Erzählungen zum Kennenlernen des
Frieischen (fering) von Elene Braren „At ianfach leewent – Das
einfache Leben“ (herausgegeben vom Nordfriesischen Verein)
23
Ein Artikel in den Zeitungen des Kreises Nordfriesland vom 18. 6.
2002 titelt dazu „Friesen wollten Grünkohl und kriegten Pommes“.
Berichtet wird über den Besuch des Redakteurs Onno Falkena vom
Rundfunk-Sender „Omrop Fryslan“ (Westfriesland), der auf ein
tägliches 17-stündiges Hörfunkprogramm in (west)friesisch
hinweisen konnte.
24
wie vor
25
wie Anm. 10, S. 18 – Hinsichtlich deutsch-dänischer
Hinweisschilder bestand lange ein stillschweigendes Übereinkommen, dass
beiderseits der deutsch-dänischen Grenze immer nur die
Staatssprache verwendet wird. Inzwischen werden auf deutscher Seite auch deutsch-dänische Ortsschilder zugelassen, auf dänischer leider noch nicht.
26 siehe http://de.wikisource.org/wiki/Friesisch-Gesetz
27
siehe Anmerkungen 3 und 7
28
www.ndr.de/wellenord/friesisch/nordfriesich_d.html#
29
www.westkuestenet.de
„Bestnoten für den Friesischunterricht“, hier für die Schule
in Fahretoft wo es nur
10 % Friesischsprecher gibt, aber dennoch 64 %
aller Eltern den Friesisch Unterricht ihrer Kinder positiv
bewerten. Zu diesem Ergebnis kam auch ein Friesisch-Seminar der
Universität Flensburg und das Nordfriisk Instituut.
30
Hierauf weist das vom Nordfriisk Instituut initiierte Projekt
„Sprachenland Nordfriesland“ hin. (www.nordfriiskinstituut.de)
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