3.05 Friesen

Friesen sind ein eigenständiges Volk mit einer eigenständigen Sprache, die als Nordsee-Germanisch bezeichnet wird. Sie steht der englischen Sprache näher als der deutschen und niederländischen. Im Mittelalter gab es noch ein größeres zusammenhängendes friesisches Sprachgebiet, das heute auf Grund der historischen Entwicklung nur noch in Fragmenten besteht. Die größte Gruppe lebt in der niederländischen Provinz Friesland, in Deutschland leben Friesen im Norden von Schleswig-Holstein und eine kleine Restgruppe im Saterland in Niedersachsen.


1. Sprache, Geschichte


Bereits römische Autoren wie Plinius und Tacitus berichten vor über 2000 Jahren über ein friesisches Volk an der westlichen Nordseeküste. Sprachgeschichtlich war zu Beginn unserer Zeitrechnung ein wenig differenziertes Germanisch (Ur- oder Gemeingermanisch) die Sprache der Bewohner an der heutigen niederländischen und deutschen Nordseeküste und in Südskandinavien.
Durch die Völkerwanderung, insbesondere die Abwanderung der Angeln, Jüten und Sachsen aus Schleswig-Holstein und Jütland zerfiel die sprachliche Einheit und es bildeten sich die nord- und westgermanischen Sprachen (Dialekte). Im westgermanischen Sprachraum bildete sich an der Nordseeküste und in England eine besondere nordseegermanische Sprachgruppe heraus (Angeln, Sachsen und Friesen). Dieses Nordsee-Germanische entfernte sich durch sprachliche Weiterentwicklung von dem germanisch der binnendeutschen Stämme (Alemannen, Franken, Bajuwaren), eine Kluft, die später durch die hochdeutsche Lautverschiebung noch verstärkt wurde. Zum Nordseegermanischen gehörte ursprünglich auch das Altsächsische, der Vorläufer des heutigen niederdeutsch, das sich aber durch kontinentale Einflüsse ebenso vom Nordseegermanischen fortentwickelte wie das Holländische. (siehe 2.1 und 2.19)
Auf der britischen Insel schließlich entstand nach der Eroberung durch die Normannen und Einflüsse des französischen die englische Sprache.
So konnte lediglich das Friesische seinen ursprünglichen nordseegermanischen Charakter bewahren. In mancherlei Hinsicht steht es dem englischen näher als dem (nieder-)deutschen oder niederländischen. Seine größte Ausdehnung hatte das Friesische im frühen Mittelalter von den Mündungen des Rheins bis an die Weser. Über See gelangen in zwei Wanderungsbewegungen Friesen an die Küste Nordfrieslands und auf die Nordfriesischen Inseln. Die Verbindung zum Stammland kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden, so dass Nordfriesland sowohl sprachlich als auch territorialgeschichtlich eine eigene Entwicklung nimmt.
Bereits in karolingischer Zeit wurde Friesland dem Reich angegliedert. Der Einfluss des fränkischen später deutschen Reiches war an der Nordseeküste jedoch gering, so dass sich im friesischen Raum besondere Zustände, eine Art von Bauernrepubliken und eine später verklärte „friesische Freiheit“ herausbildeten. Hierdurch und durch den Egoismus einzelner Häuptlinge kann Friesland jedoch nie zu einer territorialen Einheit finden. Diese Zerstrittenheit und Ohnmacht zieht andere Mächte an.
Das ursprüngliche Westfriesland fällt schon früh an die Grafschaft Holland und scheidet aus dem friesischen Bereich aus. Mittelfriesland (zwischen Zuidersee und Lauwers) erhält nun den Namen westerlauwersches Friesland (bzw. von Deutschland aus gesehen Westfriesland) Dieser Bereich und Groningen gelangen unter den Einfluss Burgunds und später der Niederlande. (siehe 3.051)
Der Osten – das heutige Ostfriesland – wird im 15ten Jahrhundert unter dem Häuptling Ulrich Cirksena geeint. Er entscheidet sich gegen Burgund und für die Oberlehnsherrschaft des römisch-deutschen Kaisers. Durch diesen Entschluss verbleibt Ostfriesland auch künftig beim Reich (siehe 3.52). Die Gegensätze zwischen den einzelnen Herrschaftsbereichen bleiben allerdings bestehen. Kurzfristig wird Friesland durch einen geschickten Schachzug des deutschen Kaiser Maximilian I nochmals geeint. Er ernennt 1498 Herzog Albrecht (den Beherzten) von Sachsen zum Reichsstatthalter über ganz Friesland einschließlich der Stadt Groningen. Aber das westerlauwersche Friesland empört sich im Bund mit Groningen gegen die sächsische Oberherrschaft. Eine endgültige Trennung erfolgt 1524 / 1538 als Westfriesland und Groningen von Burgund erworben werden.1

2. Heutige Siedlungsräume

Ein zusammenhängendes friesisches Sprachgebiet gibt es heute nicht mehr. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung müssen wir heute drei Zweige unterscheiden deren besondere Geschichte und heutige Situation unter nachstehenden Kapiteln behandelt wird
3.053 die Nordfriesen

     Heutige Siedlungsgebiete der Friesen

3. Pan-friesische Verbundenheit

Die Friesen sind ein geteiltes Volk ohne eigenen Staat. Eine Kommunikation ist heute zwischen den vorgenannten Sprachzweigen nur in einer anderen Hochsprache möglich. Dennoch gibt es bereits aus dem 17. Jahrhundert Belege über ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Etwa Mitte 19. Jahrhunderts wurden erste Kontakte geknüpft. Zur Stärkung dieses Gefühls der Zusammengehörigkeit finden seit 1925 gemeinsame Friesenkongresse statt, die nach den Kriegswirren seit 1952 regelmäßig alle drei Jahre abwechselnd in einem „Friesland“ durchgeführt werden. Seit 1930 (neugegründet 1956) gibt es einen „Friesenrat“ mit Delegierten aus den drei Frieslanden. Seine Aufgabe ist es, die vorerwähnten Friesenkongresse zu veranstalten und die Verbindungen und den Erfahrungsaustausch zu fördern. In einem Manifest aus dem Jahre 1955 heißt es „...Wir fühlen uns über alles Trennende hinweg als Angehörige eines Stammes“2




1 a) Nils Arhammar: „Die Amringer Sprache“ in „Amrum – Geschichte und Gestalt einer Insel“, S. 107f
b) Thomas Steensen: „Wer sind die Friesen“ (www.nf-verein.de)
c) Geschichte der deutschen Länder, Band 1, S. 96ff und 404ff
2 Alastair Walker: „Nordfriesland, die Nordfriesen und das Nordfriesische“ in „Handbuch mitteleurop. Sprachminderheiten“, S. 14 u.15

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