1. Sprache, Geschichte
Bereits römische Autoren wie Plinius
und Tacitus berichten vor über 2000 Jahren über ein friesisches
Volk an der westlichen Nordseeküste. Sprachgeschichtlich war zu
Beginn unserer Zeitrechnung ein wenig differenziertes Germanisch (Ur-
oder Gemeingermanisch) die Sprache der Bewohner an der heutigen
niederländischen und deutschen Nordseeküste und in Südskandinavien.
Durch die Völkerwanderung,
insbesondere die Abwanderung der Angeln, Jüten und Sachsen aus
Schleswig-Holstein und Jütland zerfiel die sprachliche Einheit und
es bildeten sich die nord- und westgermanischen Sprachen (Dialekte).
Im westgermanischen Sprachraum bildete sich an der Nordseeküste und
in England eine besondere nordseegermanische Sprachgruppe heraus
(Angeln, Sachsen und Friesen). Dieses Nordsee-Germanische entfernte
sich durch sprachliche Weiterentwicklung von dem germanisch der
binnendeutschen Stämme (Alemannen, Franken, Bajuwaren), eine Kluft,
die später durch die hochdeutsche Lautverschiebung noch verstärkt
wurde. Zum Nordseegermanischen gehörte ursprünglich auch das
Altsächsische, der Vorläufer des heutigen niederdeutsch, das sich
aber durch kontinentale Einflüsse ebenso vom Nordseegermanischen
fortentwickelte wie das Holländische. (siehe 2.1 und 2.19)
Auf der britischen Insel schließlich
entstand nach der Eroberung durch die Normannen und Einflüsse des
französischen die englische Sprache.
So konnte lediglich das Friesische
seinen ursprünglichen nordseegermanischen Charakter bewahren. In
mancherlei Hinsicht steht es dem englischen näher als dem
(nieder-)deutschen oder niederländischen. Seine größte Ausdehnung
hatte das Friesische im frühen Mittelalter von den Mündungen des
Rheins bis an die Weser. Über See gelangen in zwei
Wanderungsbewegungen Friesen an die Küste Nordfrieslands und auf die
Nordfriesischen Inseln. Die Verbindung zum Stammland kann jedoch
nicht aufrecht erhalten werden, so dass Nordfriesland sowohl
sprachlich als auch territorialgeschichtlich eine eigene Entwicklung
nimmt.
Bereits in karolingischer Zeit wurde
Friesland dem Reich angegliedert. Der Einfluss des fränkischen
später deutschen Reiches war an der Nordseeküste jedoch gering, so
dass sich im friesischen Raum besondere Zustände, eine Art von
Bauernrepubliken und eine später verklärte „friesische Freiheit“
herausbildeten. Hierdurch und durch den Egoismus einzelner Häuptlinge
kann Friesland jedoch nie zu einer territorialen Einheit finden.
Diese Zerstrittenheit und Ohnmacht zieht andere Mächte an.
Das ursprüngliche Westfriesland fällt
schon früh an die Grafschaft Holland und scheidet aus dem
friesischen Bereich aus. Mittelfriesland (zwischen Zuidersee und
Lauwers) erhält nun den Namen westerlauwersches Friesland (bzw. von
Deutschland aus gesehen Westfriesland) Dieser Bereich und Groningen
gelangen unter den Einfluss Burgunds und später der Niederlande.
(siehe 3.051)
Der Osten – das heutige Ostfriesland
– wird im 15ten Jahrhundert unter dem Häuptling Ulrich Cirksena
geeint. Er entscheidet sich gegen Burgund und für die
Oberlehnsherrschaft des römisch-deutschen Kaisers. Durch diesen
Entschluss verbleibt Ostfriesland auch künftig beim Reich (siehe
3.52). Die Gegensätze zwischen den einzelnen Herrschaftsbereichen
bleiben allerdings bestehen. Kurzfristig wird Friesland durch einen
geschickten Schachzug des deutschen Kaiser Maximilian I nochmals
geeint. Er ernennt 1498 Herzog Albrecht (den Beherzten) von Sachsen
zum Reichsstatthalter über ganz Friesland einschließlich der Stadt
Groningen. Aber das westerlauwersche Friesland empört sich im Bund
mit Groningen gegen die sächsische Oberherrschaft. Eine endgültige
Trennung erfolgt 1524 / 1538 als Westfriesland und Groningen von
Burgund erworben werden.1
2. Heutige Siedlungsräume
Ein zusammenhängendes friesisches
Sprachgebiet gibt es heute nicht mehr. Aufgrund der geschichtlichen
Entwicklung müssen wir heute drei Zweige unterscheiden deren
besondere Geschichte und heutige Situation unter nachstehenden
Kapiteln behandelt wird
3. Pan-friesische Verbundenheit
Die Friesen sind ein geteiltes Volk
ohne eigenen Staat. Eine Kommunikation ist heute zwischen den
vorgenannten Sprachzweigen nur in einer anderen Hochsprache möglich.
Dennoch gibt es bereits aus dem 17. Jahrhundert Belege über ein
Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Etwa Mitte 19. Jahrhunderts
wurden erste Kontakte geknüpft. Zur Stärkung dieses Gefühls der
Zusammengehörigkeit finden seit 1925 gemeinsame Friesenkongresse
statt, die nach den Kriegswirren seit 1952 regelmäßig alle drei
Jahre abwechselnd in einem „Friesland“ durchgeführt werden. Seit
1930 (neugegründet 1956) gibt es einen „Friesenrat“ mit
Delegierten aus den drei Frieslanden. Seine Aufgabe ist es, die
vorerwähnten Friesenkongresse zu veranstalten und die Verbindungen
und den Erfahrungsaustausch zu fördern. In einem Manifest aus dem
Jahre 1955 heißt es „...Wir fühlen uns über alles Trennende
hinweg als Angehörige eines Stammes“2
1
a) Nils Arhammar: „Die Amringer Sprache“ in „Amrum –
Geschichte und Gestalt einer Insel“, S. 107f
b) Thomas Steensen: „Wer sind die Friesen“
(www.nf-verein.de)
c) Geschichte der deutschen Länder, Band 1,
S. 96ff und 404ff
2
Alastair Walker: „Nordfriesland, die Nordfriesen und das
Nordfriesische“ in „Handbuch mitteleurop. Sprachminderheiten“,
S. 14 u.15
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