2.144 Kroaten in Österreich – Burgenlandkroaten




1. Vorwort – Einführung

In Österreich leben 6 anerkannte ethnische Minderheiten. Neben Slowenen, Burgenland-Ungarn, Roma, Tschechen und Slowaken, ist dies die Volksgruppe der Kroaten, die vor allem im Burgenland leben. Die Burgenländischen Kroaten siedeln seit dem 16. Und 17. Jahrhundert im damaligen Westungarn. Sie wurden von ungarischen Grundbesitzern aus Kroatien ins Land geholt, nachdem dieses nach den Türkenkriegen entvölkert und verwüstet war.

2. Lage und Zahlen

Das Burgenland ist das östlichste österreichische Bundesland. Es entstand nach dem 1. Weltkrieg aus vorher zum ungarischen Reichsteil der Habsburger Monarchie gehörenden westungarischen Gebieten, die vorwiegend von Deutschen besiedelt waren. Durch die endgültige  Grenzziehung von 1922 wurde die kroatische Minderheit auf drei (heute 4) Staaten aufgeteilt: Österreich, Ungarn und die Tschechoslowakei (heute Tschechien und Slowakei). (siehe Geschichte)
Das Burgenland gliedert sich in drei Regionen mit 9 Bezirken (siehe nachstehende Karte)

Angehörige der kroatischen Volksgruppe leben in allen Bezirken außer dem südlichsten Jennersdorf. In keinem Bezirk haben sie die Bevölkerungsmehrheit. Am stärksten verbreitet sind sie in den Bezirken Oberpullendorf und Eisenstadt (Stadt und Land). Im Bezirk Oberpullendorf stellen sie in einigen kleineren Ortschaften unter 1000 Einwohnern noch mit teilweise über 80% die Mehrheit.[1]
Bei der Volkszählung von 2001 gaben in Österreich 19.374 Einwohner Burgenland-Kroatisch als ihre Mutter- bzw. Umgangssprache an, davon 16.245 im Burgenland (das entspricht 6,1 % der Bevölkerung des Burgenlandes).[2] Die übrigen Kroaten leben vorwiegend in Wien, einige in Graz. Nach Angaben des Kroatischen Kulturvereins sind die tatsächlichen Zahlen allerdings wesentlich höher und  werden auf ca. 35.000 im Burgenland und 15.000 in Wien geschätzt.[3] Die Ursache für diese Differenzen sind Mischehen, Pendlerverhältnisse (Burgenland-Wien) und  die Anpassung an ein überwiegend deutsches Umfeld. Die Ergebnisse der Volkszählungen werden von den Organisationen der Volksgruppen auch angezweifelt, weil von den „Zählkommissären“ nach der Umgangssprache und nicht nach der Muttersprache gefragt wird. In einer von Deutschen dominierten Umgebung und am Arbeitsplatz benutzen die zweisprachigen Kroaten im täglichen Umgang weitgehend die deutsche Sprache. Ein weiterer Hinweis, dass die Zahlen größer sind, als in den Volkszählungen ausgewiesen, ergab eine Befragung des Bischöflichen Ordinariats mit dem Ergebnis, dass im Burgenland rund 32.000 Gläubige die Messe in kroatischer Sprache hören wollen.[4]

3. Sprache

Kroatisch ist eine südslawische Sprache, die eng mit der serbischen,  bosnischen und montenegrinischen Sprache verwandt ist. Im früheren Jugoslawien wurden diese Sprachen als Serbokroatisch zusammengefasst. Viele Slawisten vertreten weiterhin die Ansicht, dass es sich um eine Sprache mit verschiedenen Varianten handelt. Eine Verständigung untereinander ist ohne große Probleme möglich. Die kroatische (serbokroatische) Sprache wird in drei große Dialektgruppen eingeteilt: a) Kajkavisch (Nordkroatien), b) Čakavisch (Istrien, Dalmatien) und c) Štokavisch (Slawonien, Serbien einschl. der Vojvodina, Bosnien-Herzegowina). Das Štokavische bildet die Basis sowohl der Kroatischen wie auch der Serbischen, Bosnischen und Montenegrinischen Standardsprache.
Da die Burgenlandkroaten aus verschiedenen Bereichen des serbo-kroatischen Sprachgebiets kamen, gibt es im Burgenland auch Sprecher aller drei kroatischen Dialektgruppen. Die Sprecher des Čakavischen sind jedoch eindeutig in der Mehrheit. Daher wurde bereits im 18. Jahrhundert von Franziskanermönchen aus den Čakavischen Dialekten des nördlichen und mittleren Burgenlandes eine allgemein anerkannte Standardsprache für die burgenländischen Kroaten geschaffen. An der Bildung der einheitlichen kroatischen Sprache im 19. Jahrhundert auf der Basis des Štokavischen war die Kroaten des Burgenlandes (damals Westungarn) nicht beteiligt, so dass bis heute eine Differenz zwischen Standard-Kroatisch und Standard-Burgenlandkroatisch besteht. Lediglich das Alphabeth des Standardkroatischen wurde übernommen.  Damit hat das Burgenlandkroatische eine ähnliche Entwicklung genommen wie das Moliseslawische, das von Kroaten, die vor Jahrhunderten nach Italien auswanderten, stark von den umgebenden italienischen Dialekten beeinflusst wurde. Ähnlich erging es auch der burgenländisch-kroatischen Sprache, die aufgrund der jahrhundertelangen Isolation vom kroatischen Sprachgebiet in noch größerem Umfang als das Standardkroatische deutsche (und teilweise ungarische) Lehnwörter aufgenommen hat.
Die Umgangssprache der Burgenland-Kroaten in der Familie, im Freundeskreis oder in kleineren Dorfgemeinden mit überwiegend kroatischer Bevölkerung ist der jeweilige Ortsdialekt, wobei im Nord- und Mittelburgenland wie auch im angrenzenden Ungarn vorwiegend Čakavisch gesprochen wird, während im Süden des Burgenlandes ein Štokavischer Dialekt vorherrscht. Dagegen ist ein Kajkavischer Dialekt lediglich auf der ungarischen Seite des Neusiedler Sees in einigen Orten verbreitet.
Die burgenländisch-kroatische Standardsprache wird zum einen in den Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fernsehen) und zum anderen – in bescheidenem Umfang – bei öffentlichen Reden und Predigten benutzt.
Eine Annäherung zur kroatischen Standardsprache wurde immer wieder versucht, konnte sich aufgrund der Ablehnung des überwiegenden Teils der burgenländisch-kroatischen Bevölkerung jedoch nicht durchsetzen. Es gab aber schon in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgrund eines Kulturabkommens intensive Kontakte der Burgenlandkroaten mit der damaligen Sozialistischen Teilrepublik Kroatien und nach dem Zerfall Jugoslawiens auch mit der Republik Kroatien, mit dem Ziel einer systematischen Erfassung und Ordnung des burgenlandkroatischen Wortschatzes. Im Ergebnis wurde ein Burgenlandkroatisch-Kroatisch-Deutsches Wörterbuch geschaffen (1. Teil 1982 Zagreb, 2. Teil 1991 Zagreb und Eisenstadt). Dieses Wörterbuch trug wesentlich zur Stabilisierung des Kroatischen im Burgenland bei.
Die burgenländisch-kroatische Standard- (Schrift-) Sprache wird vor allem durch die Schule vermittelt. Allerdings haben die verantwortlichen Vertreter der Volksgruppe mit zwei großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen verfügen viele Kinder nicht mehr über Grundkenntnisse des Kroatischen, so dass sie die Sprache wie eine Fremdsprache erlernen müssen, zum anderen kommt es zu zahlreichen Abmeldungen kroatischer Schüler aus zweisprachigen Schulen, was wiederum zur Abnahme der muttersprachlichen Kompetenz führt.
Im mehrsprachigen Burgenland dominiert inzwischen eindeutig die deutsche Sprache. Sprachkontakte burgenländisch-kroatisch / ungarisch findet man heute nur noch in unbedeutenden Resten, vor allem bei älteren Menschen. Die deutsche Sprache wird von nahezu allen Burgenlandkroaten beherrscht, sie wird in der Schule unterrichtet und hat durch die Medien (vor allem dem Fernsehen) eine noch größere Verbreitung erfahren. Umgangssprachlich wird von den Burgenlandkroaten teilweise die deutsche Hochsprache in ihrer österreichischen Ausprägung, teilweise der Wiener Dialekt oder die Wiener Umgangssprache benutzt.  Der deutsche burgenländische (heanzische) Ortsdialekt wird hingegen von Burgenlandkroaten kaum benutzt, obwohl in den zweisprachigen Gemeinden vielfältige Kontakte bestehen. Außerhalb des familiären Bereichs findet man bei den burgenländischen Kroaten häufig einen Sprachwechsel vor, zum einen wenn ein Gesprächspartner das Kroatische nicht beherrscht wechselt man schnell zum Deutschen, zum anderen wenn bestimmte Themen besprochen werden, kommt es zum sogenannten „Code-switching“, das heißt zum Wechsel der kroatischen Rede zur deutschen Rede oder zum Einschieben deutscher Redeteile.[5]

4. Geschichte

Die Geschichte des Burgenlandes habe ich bereits in meinem Post  2.335 Ungarn in Österreich behandelt, auf den ich hiermit hinweise. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Burgenlandkroaten einschließlich einer übersichtlichen Zeittafel kann unter http://www.zigh.at/nim/bk/geschichte.html#1 nachgelesen werden ebenso die Geschichte des Burgenlandes aus Sicht der Landesregierung des Burgenlandes unter: http://www.burgenland.at/land-politik-verwaltung/land/geschichte/)

5. Kultur – Schulen

Der schon erwähnte Kroatische Kulturverein im Burgenland (HKD - Hrvatsko kulturno društvo) mit Sitz in Eisenstadt bemüht sich intensiv um die Wahrung der burgenländisch kroatischen Sprache, Kultur und der Identität der Burgenlandkroaten. Eine Reihe weiterer Vereine und Organisationen im Burgenland und in Wien haben das gleiche Ziel. In jüngerer Zeit stellt man durchaus ein wachsendes Interesse an kroatischer Sprache und Kultur fest, obwohl gleichzeitig hohe Mobilität, Einfluss der Medien und die vorherrschende Staatssprache dem entgegenwirken. Nach der Wende und der Erweiterung der EU nach Osteuropa  hat man aber auch die Chancen erkannt, die aus der Beherrschung einer slawischen Sprache erwachsen.
Fast jede kroatische oder gemischtsprachige Ortschaft hat heute eine Tamburicagruppe, denn Tamburicamusik und kroatische Folklore sind auch bei der Mehrheitsbevölkerung und über die Landesgrenzen hinaus sehr beliebt.[6]
Im Schulbereich ist nach dem zweiten Weltkrieg ein stetiger Rückgang des Unterrichts in burgenländisch-kroatischer Sprache zu verzeichnen. Dies hat sicher viele Ursachen.
Vor dem 1. Weltkrieg (1910) verfügte die kroatische Volksgruppe in 110 Ortschaften über 60 römisch-katholische, rein kroatische Volksschulen und beinahe 150 Priester, obwohl aufgrund der ungarischen Madyarisierungs-Politik seit 1907 die ungarische Sprache verpflichtenden Unterrichtssprache war. Durch die Aufteilung der Burgenlandkroaten auf mehrere Staaten nach der Volksabstimmung 1921 wurde der Einfluss der Kroaten geschwächt. Bereits in der ersten Republik Österreichs ging der Anteil kroatischer oder zweisprachiger Schulen zurück. Dieser Trend verschärfte sich nach dem 2. Weltkrieg, obwohl durch die österreichischen Verfassungen und den Staatsvertrag von 1955 der muttersprachliche Unterricht garantiert wurde. Viele Eltern fürchteten jedoch um das berufliche Fortkommen ihrer Kinder, eine Tendenz, die vor allem von der österreichischen Sozialdemokratie gefördert wurde. In SPÖ dominierten Gemeinden wurden konfessionelle Schulen in staatliche Verwaltung übernommen und da gleichzeitig eine Mindestzahl an Deutschunterricht vorgeschrieben war, ging  der Anteil kroatisch-sprachiger Lehrer ständig zurück. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch das stark zersplitterte Siedlungsgebiet, die Assimilierung von Kroaten in Gemeinden mit großem deutschen Bevölkerungsanteil und die Tatsache, dass weiterführende Schulen nur in größeren Gemeinden mit hohem Anteil der Minderheit ökonomisch zu führen sind.[7]
Ein positives Bild neuerer Zeit bietet das Zweisprachige Bundesgymnasium in Oberwart, wo die Schüler eine zusätzliche sprachliche Qualifikation erwerben. Zusätzlich zur Unterrichtssprache Deutsch wird hier Unterricht in Kroatisch oder Ungarisch bis zur Maturareife angeboten und die Schulabgänger sind damit befähigt, wichtige Mittlerfunktionen im erweiterten und zusammenwachsenden Europa zu übernehmen.(www.bg-oberwart.at)
 

6. Aktuelle Probleme und Perspektiven

Der Status der burgenländisch-kroatischen Volksgruppe ist durch verschiedene Vorschriften und Gesetze abgesichert. Insbesondere ist hier das Volksgruppengesetz von 1976 mit verschiedenen Ergänzungen zu nennen.[8] Ein Volksgruppenbeirat soll die Bundes- und Landesregierung beraten und entscheidet mit über die an Volksgruppen zu verteilenden Zuschüsse. Allerdings bemängelt die Volksgruppe, dass dieses Gesetz teilweise restriktiv angewandt wird und verlangt vor allem eine Behebung der Mängel im Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Universität, denn man stellt fest, dass sonst die Assimilation ständig fortschreitet, weil viele Kinder und Jugendliche immer weniger kroatisch sprechen können und diejenigen, die es noch sprechen, oft über eine mangelhafte Sprachkompetenz verfügen.
Aufgrund von Bestimmungen des Staatsvertrages haben die Burgenland-Kroaten das Recht, in Bezirken mit kroatischer oder gemischter Bevölkerung ihre Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache (z. B. bei Behörden oder Gerichten) zu verwenden. Man bemängelt, dass viele Gemeinden mit kroatischer Bevölkerung von diesem Recht ausgeschlossen sind, denn es wurde in der Novelle zum Volksgruppengesetz eine Hürde von 17,5% Bevölkerungsanteil eingebaut.
Im Burgenland hat es im Gegensatz zu Kärnten nie einen heftigen Streit um die zweisprachigen Ortstafeln gegeben. Seit dem Jahre 2000 wurden in 47 Gemeinden bzw. Ortsteilen zweisprachige Ortstafeln aufgestellt.
                                 zweisprachiges Ortsschild deutsch-kroatisch

Die Vertreter der Volksgruppe bemängeln aber, dass noch zweisprachige Hinweistafeln und Wegweiser fehlen. Zweisprachige Straßenschilder fallen in die Kompetenz der Gemeinden oder sind durch private Initiative entstanden, gibt es aber nur in einigen wenigen Gemeinden.
Zusammenfassend muss man feststellen, dass die Assimilation der Burgenlandkroaten in den zurückliegenden Jahrzehnten ständig zugenommen hat. Vor allem wirtschaftliche Faktoren haben dazu beigetragen. Rechtlich ist die Volksgruppe gut abgesichert, jedoch sind einige Rechte sehr ungenau formuliert und werden teilweise unzureichend gewährt. Es gibt aber auch verschieden Hoffnungszeichen, so dass ein Fortbestehen der Volksgruppe auf Basis einer guten Zweisprachigkeit wohl nicht gefährdet ist.






[4] http://www.zigh.at/nim/bk/zahlen.html#sidro2

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Burgenlandkroatische_Sprache, http://www.zigh.at/nim/sprache/index.html und „Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten“, darin S. 77 Ralph Jodlbauer „Die Burgenländer Kroaten“.
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Burgenlandkroaten
[8]https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000602

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