1. Lage und Zahlen
Quer durch den 1830
entstandenen Staat Belgien verläuft die germanisch-romanische Sprachgrenze. Im
Süden leben die französischsprachigen Wallonen und im Norden die
niederländisch-sprachigen Flamen. Ganz im Westen gibt es noch die kleine deutsche Volksgruppe. Flandern ist heute ein Teilstaat im
föderalistisch gegliederten Belgien. Diesen Status haben sich die Flamen erst
nach und nach erkämpft (siehe hierzu weiter unter Geschichte).
Belgien besteht
nach den verschiedenen Staatsreformen (s. u.) aus 3 Regionen (Flandern, Wallonien
und Brüssel) und 3 Gemeinschaften (Flämische, Französische und Deutschsprachige Gemeinschaft). Zur Flämischen Region gehören die 5 nördlichen Provinzen Belgiens
(Westflandern, Ostflandern, Antwerpen,
Limburg und Vlaams-Brabant). Die Funktionen der Flämischen Region und der
Flämischen (Niederländischen Sprach-) Gemeinschaft werden von einem
Parlament und einer Regierung ausgeübt,
die ihren Sitz in Brüssel hat. Brüssel ist eine eigenständige zweisprachige
Region und wird vom flämischen Teilstaat umschlossen. In diesem Teilstaat leben
(Stand 1. 1. 2010) 6.252.000 Einwohner.[1]
2. Sprache
Offizielle Amtsprache der
Flämischen Region ist Niederländisch (ABN). Über die niederländische
Hochsprache und ihre Definition habe ich bereits unter 2.19 Niederländer, Flamen, NiederländischeSprache berichtet. Nach langem Ringen haben die Flamen 1962 erreicht,
dass in Belgien Sprachgrenzen festgelegt wurden. Seitdem gilt in Belgien
(ähnlich der Schweiz) das Territorial-Prinzip, was bedeutet, in dem Gebiet, das
als Flämisches Sprachgebiet festgelegt wurde, gilt ausschließlich
Niederländisch als Amtssprache. Jeder Bewohner im flämischen Sprachgebiet kann
also mit Behörden nur in Niederländisch
/ Flämisch verkehren, er kann seine Kinder nur in Schulen schicken, die als
Unterrichtssprache Niederländisch haben (außer Privatschulen oder im
Fremdsprachen-Unterricht). Diese strenge Auslegung ist den Flamen wichtig, weil
sie befürchten, durch Zuzug von Anderssprachigen (vor allem aus Wallonien und
Brüssel) könnten die mühsam für die Flamen erreichten Errungenschaften wieder
aufgeweicht werden. Aus dem gleichen
Grund weigert sich die Flämische Gemeinschaft, das von der
Zentralregierung unterzeichnete Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten zu ratifizieren, weil man sonst fürchtet, man müsse den in
Flandern lebenden Wallonen besondere Minderheitenrechte einräumen. Die strenge
Handhabung der Einsprachigkeit ist für Außenstehende oft befremdlich und kann
wirklich nur aufgrund der leidvollen flämischen Geschichte (s. u.) verstanden
werden. Beispielsweise darf ein flämischer Beamter einem französichsprachigen
Belgier nur auf niederländisch Auskunft erteilen, obwohl fast alle Flamen
aufgrund der belgischen Geschichte gute Französischkenntnisse haben (in der
Schule wird ab dem 10. Lebensjahr Französich als Fremdsprache unterrichtet).
Der deutsche Autofahrer, der z. B. Belgien nur als Transitland benutzt um nach
Nordfrankreich zu kommen, wird vergeblich nach Hinweisschildern „Lille“
Ausschau halten, vielmehr wird er sich an der niederländischen Bezeichnung
„Rijsel“ orientieren müssen, da das heutige fränzösische Lille in seiner
wechselvollen Geschichte in früherer Zeit zur Grafschaft Flandern und zum
flämischen Sprachgebiet gehörte.
Die
Hauptstadt Belgiens Brüssel ist eine eigene Region, die umgeben von flämischem
Territorium eine Insellage hat und offiziell zweisprachig ist –
(französisch/niederländisch). Die Zweisprachigkeit gilt auch als Vorschrift für
alle Behörden und amtliche Hinweise, z. B. bei Straßenschildern. Allerdings ist
nur ein kleiner Teil der Brüsseler Einwohner flämisch-sprachig. Eine genaue
Angabe über die Zahl der französisch- oder flämisch-sprachigen Belgier gibt es
allerdings wegen des Territorialprinzips nicht. Besondere Bestimmungen gelten
für eine Anzahl von Gemeinden entlang der Sprachgrenze, in denen eine
Minderheit von mindestens 30% der anderen Sprachgruppe lebt. Eine ähnliche
Regelung gilt für den sogenannten
Vlaamsen Rand, das sind 6 flämische Gemeinden, die an die Hauptstadtregion
Brüssel angrenzen und viele französischsprachige Einwohner haben.
Die
Flämische Gemeinschaft ist ebenso wie die Französische Gemeinschaft auch für
Brüssel zuständig und hat sich bewusst für Brüssel als ihre Hauptstadt (für die
flämische Region und Gemeinschaft) entschieden. Dem Parlament der Flämischen
Gemeinschaft gehören 6 direkt gewählte Mitglieder aus Brüssel an, die jedoch
nur in Angelegenheiten der Flämischen Gemeinschaft abstimmen dürfen, nicht in
Angelegenheiten der Flämischen Region.
Eine
ausführlich Schilderung der flämischen Sprachsituation unter besonderer
Berücksichtigung des Brüsseler Umlands enthält die mit Unterstützung der
flämischen Behörden herausgegebene Druckschrift „Living in Translation“ - siehe www.livingintranslation.be. Diese
Broschüre gibt auch Antworten auf viele weitere Fragen, die für einen
Außenstehenden schwer verständlich sind, insbesondere auch für die vielen
Ausländer, die bei den europäischen Behörden in Brüssel arbeiten.
Besonderheiten des Flämischen zur niederländischen Hochsprache
Aufgrund
der geschichtlichen Entwicklung (s. u. Geschichte) gibt es im Niederländischen
Sprachgebiet Unterschiede zwischen Nord (NL) und Süd (B). Sie sind zwar nicht so
bedeutend, dass keine Verständigung möglich wäre, aber sie sind unverkennbar
vorhanden. Jan Goossens[2] vergleicht die Situation in Flandern mit
der ebenfalls Jahrhunderte langen Trennung der deutschsprachigen Schweiz vom
Kerngebiet der deutschen Hochsprache. In Flandern ist die Niederländische
Hochsprache nicht völlig integriert, obwohl es in den letzten Jahrzehnten
Fortschritte gibt, wobei das Fernsehen, die offizielle Politik in Flandern und
die Bemühungen des Sprachvereins (Vereniging voor beschaafde Omgangstaal) eine
wichtige Rolle spielen.
Dennoch
wird ein Niederländer einen Flamen schnell nach ein paar Worten als solchen
erkennen, selbst wenn dieser bewusst versucht, typisch flämische Ausdrücke zu
vermeiden.[3]
Grund dafür ist eine andere Aussprache bestimmter Laute, eine andere
Satzmelodie und ein anderer Wortschatz mit einigen tausend Wörtern, z. B. aus
dem Bereich der unterschiedlichen politischen und sozialen Strukturen.
3. Geschichte[4]
Mittelalter
Die heutigen Niederlande und Belgien gehörten –
territorial aufgeteilt in verschiedene Grafschaften und Herzogtümer – zum
Römischen Reich deutscher Nation. Ab dem 13. Jahrhundert gibt es bereits
amtliche Texte in niederländischer Sprache, jedoch hat das Französische eine
wichtige Position.
Im 13. Jahrhundert wurde die Grafschaft Flandern vom
französischen König besetzt.
11. 7. 1302
Die Flamen erheben sich
in der Grafschaft Flandern gegen den französischen König (Philipp den Schönen)
und den französischen Adel und besiegen die Franzosen in der sogenannten Guldensporenslag (goldene Sporenschlacht – weil auf
dem Schlachtfeld die vergoldeten Sporen der gefallenen französischen Reiter
gefunden wurden). Dieser Tag ist für die Identität der Flamen bis heute
bedeutend. Deshalb ist der 11. Juli der offizielle Feiertag der Flämischen
Region.
14. – 16. Jahrhundert
Die gesamten heutigen
Niederlande und Belgien gehören zum Burgundischen Reich. Der
französichsprachige Herzog hat seinen Sitz in Brüssel. Französisch ist wichtige
Prestigesprache des Adels. Aufgrund der Mittellage kommt es zu ständigen
Auseinandersetzungen und Kriegen. In deren Folge und aufgrund der Heirat der
letzten burgundischen Erbtochter Maria mit dem Habsburger Maximilian I kommen
die Niederlande (einschließlich des heutigen Belgien) unter die Herrschaft der
spanischen Habsburger. Sein Nachfolger Philipp II verlegt seinen Regierungssitz
nach Spanien, wodurch die Niederlande zu einem Nebengebiet werden.
1566 / 1568
Inzwischen konnte sich im
Bereich Niedelande / Flandern die Reformation in Calvinistischer Ausprägung
ausbreiten. 1566 erfolgte ein Bildersturm der Calvinisten in den Kirchen, 1568
begann der 80jährige Krieg gegen die Spanier. 1585 erobern die Spanier
Antwerpen und alle südlich davon gelegenen Gebiete. Die Folge ist die Migration
vor allem der bürgerlichen Mittelschicht von Süd nach Nord.
1648 / 1714
Im westfälischen Frieden
wird die Republik der 7 vereinigten Niederlande anerkannt, die gleichzeitig aus
dem deutschen Reich ausscheiden. Die Grenze nach Süden entspricht in etwa den
heutigen Staatsgrenzen Niederlande/ Belgien (ausgenommen der Limburger
Bereich). Der Süden – also im wesentlichen das heutige Belgien – verbleibt bei
den spanischen Habsburgern. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714)
geht der wesentliche Bereich des heutigen Belgien an die österreichischen
Habsburger. Unter den Habsburgern beider Linien „verfranste“ das Land. Die
Österreicher bestanden zwar nicht auf Französisch, aber die Oberschicht benutzte
die in ganz Europa bevorzugte Prestigesprache, die sich auch in den Schulen und
der Presse durchsetzte. Niederländisch / Flämisch lebte nur noch als Dialekt
vor allem in den ländlichen Gebieten des Nordens. Allerdings predigte auch die
katholische Geistlichkeit in niederländischer Sprache.
1794 - 1815
Nach der Eroberung Flanderns durch französische
Revolutionstruppen wurden alle Einwohner der annektierten Gebiete zu
französichen Bürgern, denen nach dem Grundsatz 'une République, un peuple, une langue' (ein Staat, ein Volk, eine
Sprache) Französisch als einzige in der Öffentlichkeit erlaubte Sprache
vorgeschrieben wurde. Auch in der Rechtsprechung, im Unterricht und in
offiziellen Dokumenten durfte ausschließlich Französisch benutzt werden.
1815 – 1830
Durch den Wiener
Kongress kam es auf dem Gebiet der heutigen Be-Ne-Lux-Staaten zu einer
kurzlebigen Epoche der „Vereinigten Niederlande“ unter dem niederländischen
König Wilhelm I. Dieser versuchte Niederländisch nach dem gleichen Prinzip wie
seine französichen Vorgänger als alleinige Staatssprache auch im Süden
durchzusetzen, in Wallonien wollte er zumindest eine Zweisprachigkeit
Französich-Niederländisch erreichen. Diese kurze Epoche war für Flandern sehr
wichtig, es wäre sonst wohl vollständig „verfranst“.
1830 1831
Die Politik Wilhelms führte im Süden und in Brüssel allerdings zu wachsender Unzufriedenheit und so kam es 1830 zum Aufstand gegen die niederländische Herrschaft. 1831 beschließt eine Konferenz der europäischen Großmächte in Londen die Anerkennung des neuen Staates Belgien und seine Neutralität. König von Belgien wird Leopold I aus dem Hause Sachsen-Coburg. 1839 schließt Belgien Frieden mit den nördlichen Niederlanden und einigt sich auf die heutigen Grenzen.1834 –1914
Angeführt von katholischen Geistlichen, die einen Verlust
der traditionellen katholischen Gesellschaft befürchteten, entstand zwischen
1834 und 1840 die Vlaamse Beweging (Flämische Bewegung). In den 70er-Jahren des
19. Jahrhunderts erreichte diese Bewegung die Verabschiedung erster Gesetze zum
Gebrauch der flämischen Sprache. 1873 das Coremans-Gesetz, das einem
Angeklagten vor Gericht den Gebrauch seiner Muttersprache garantierte und das
de Vigne-Coremans-Gesetz, das die teilweise Einführung des Niederländischen im Unterricht, der Administration und
Gesetzgebung in den flämischen Provinzen verfügte. In der Folgezeit wurden Münzen (1886), Banknoten (1888), Briefmarken (1891) und auch das Staatsblad (1895, "Belgisches Staatsblatt")
zweisprachig. 1898 wurde ein Gleichberechtigungsgesetz verabscchiedet, das eine
gesetzliche Akzeptanz des Niederländischen neben Französich festschrieb.
Aufgrund dieser Entwicklung schrieb 1912 der Politiker Jules Destrèe in einem
offenen Brief an den König: „Sire, Vous régnez sur deux peuples. Il y a en Belgique
des Wallons et des Flamands ; il n’y a pas de Belges ! (Sire, Sie regieren zwei Völker. In Belgien
gibt es Wallonen und Flamen; es gibt keine Belgier!)
1914-1918 – 1. Weltkrieg
Im 1. Weltkrieg
wurde das neutrale Belgien von deutschen Truppen besetzt. In dieser Zeit
versuchten die Deutschen aktiv die Flämische Bewegung zu unterstützen und damit
für sich zu gewinnen. Ein Teil der Bewegung kollaborierte deshalb mit den
Deutschen und erreichte z. B. die Niederlandisierung der Universität Gent.
1919-1938
Im Jahr 1929 kam es
zum historischen Compromis des Belges zwischen flämischen und wallonischen
Sozialisten, wodurch der Weg zu zwei einsprachigen, kulturell autonomen
Bereichen in Belgien frei gemacht wurde.
1932 folgte das Gesetz zum Sprachgebrauch in Verwaltungsangelegenheiten,
1935 in Rechtsangelegenheiten und 1938 in der Armee. Damit wurde festgelegt,
dass in den flämischen und wallonischen Sprachgebieten die Umgangssprache auch
zur offiziellen Sprache wurde.
1939 -1951
Ab 1936 verfolgte Belgien erneut eine Neutralitätspolitik,
wurde aber wie im Ersten Weltkrieg am
10. Mai 1940 von deutschen Truppen besetzt. Nach 18 Tagen kapitulierte König
Leopold II. (1934 - 1951) vor den Deutschen. Viele Flamen kooperierten wiederum
mit den Deutschen. Diese Kapitulation durch den König beherrschte nach dem Krieg die belgische Politik und wurde
zur „Königsfrage“. Im Jahre 1951 verzichtete schließlich Leopold II. auf den Thron. Sein
Nachfolger, sein Sohn Baudouin I., regierte bis zu seinem Tode im Jahre 1993.
1950 – 1969
In den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts nahmen die
Spannungen zwischen Flamen und Wallonen wieder zu. Ein wichtiger Grund war die
veränderte wirtschaftliche Entwicklung in den beiden Landesteilen, die
Schließung von Minen und Stahlwerken im Süden und ein wirtschaftlich
aufblühendes Flandern.
In den Jahren 1962-1963 wurde in Sprachgesetzen endgültig
die verschiedenen Sprachgebiete festgelegt (Niederländisch, französisch und
deutsch sowie das zweisprachige Brüssel). Das Territorialprinzip wurde endgültig
bestätigt, die Sprache gehörte zu einem Gebiet, wer dort lebte musste sich
anpassen. Für den Grenzbereich wurden Ausnahmen für 25 "Faciliteitengemeinden" und später für weitere 6 Gemeinden am Brüsseler Rand festgelegt. (s.
o.)
1970-1993 – die vier Staatsreformen
In den 70er-Jahren
spalteten sich alle belgischen Parteien in eine niederländisch- und
französischsprachige autonome Partei auf. Hinzu kam der neue extrem
flämisch-national agierende Vlaams Blok (später Vlaams Belang).
Die Parteien
einigten sich 1970 mit der 1. Verfassungsreform auf die Errichtung von drei
Kulturgemeinschaften, deren Zuständigkeiten zunächst jedoch sehr begrenzt
waren. Auch wurde in diesem Jahr die Basis für die Schaffung von 3 Regionen
("gewesten") gelegt. Mit
einem Dekret vom 10. 12. 1973 wurde festgelegt, dass die offizielle Sprache
Flanderns konsequent Niederländisch genannt wird und nicht Flämisch, womit
offiziell Flandern als Teil des niederländischen Sprachgebiets festgelegt
wurde. Die zweite Staatsreform machte 1980 die Kulturgemeinschaften zu
Gemeinschaften ("gemeenschappen") und räumte ihnen neben kulturellen
Angelegenheiten auch die Zuständigkeit z. B. für das Gesundheitswesen und
Soziale Dienste ein. Gleichzeitig wurden die bisher vorläufigen Regionen
("gewesten") aufgewertet und
erhielten Zuständigkeiten vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet. Für die Region
Brüssel konnte zunächst aber keine Einigung erzielen. Jede Region und jede
Gemeinschaft haben einen Rat und eine Regierung, wobei in Flandern von Anfang
an Rat und Regierung von Gemeinschaft und Region zusammengelegt wurden.
Mit der 3.
Staatsreform (1988-1989) bekommt auch Brüssel als Region Brüssel-Hauptstadt
eigene Institutionen und Kompetenzen. Die Räte werden in Parlament umbenannt.
Gleichzeitig erhalten die Gemeinschaften mehr Befugnisse (z. B. die
Zuständigkeit für das Unterrichtswesen) und auch die Zuständigkeit der Regionen
wird erweitert (Verkehrswesen, öffentliche Arbeiten).
Schließlich wird
mit der 4. Staatsreform 1993 der 1970 begonnene Prozess abgeschlossen und aus
Belgien wird ein vollwertiger Föderalstaat. Gemeinschaften und Regionen
bekommen ihre Zuständigkeiten zugewiesen und der erste Artikel der belgischen
Verfassung lautet nun: Belgien ist ein aus Gemeinschaften und den Regionen
bestehender Föderalstaat. Die bisherige Provinz Brabant wurde aufgeteilt in
Flämisch-Brabant und Wallonisch-Brabant.
Seit der Staatsreform des Jahres 1993 können die
flämischen Institutionen sogar Abkommen mit Partnern im Ausland schließen,
soweit sie innerhalb Belgiens für die entsprechenden Bereiche zuständig sind
(z. B. Kultur, Wirtschaft). Flandern hat sogar im Ausland eigene diplomatische
Vertreter.
1994 bis heute – die 5. und 6. Staatsreform
Das Lambermontabkommen leitet 2001 die 5. Staatsreform ein. Dadurch werden weitere Kompetenzen auf die Regionen und Gemeinschaften übertragen (insbesondere Zuständigkeiten für die Finanzen, die Kommunen und Provinzen). Die 6. Staatsreform vom Dezember 2011 trägt den Titel „Ein effektiverer Föderalstaat und mehr Autonomie für die Teilstaaten”. Außerdem werden vor allem Regelungen für die Gerichtsbarkeit in Brüssel (separater französischer und niederländischer Staatsanwalt) und die Aufteilung der Wahlbezirke getroffen.
4. Politische Situation der Gegenwart / Perspektiven
Wenn man bei Google die Suchworte „Zerfall Belgiens“ eingibt, so erhält man Hinweise auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die ein nahes Ende des belgischen Staates befürchten oder voraussehen. Es gibt nur wenige Faktoren, die diesen heterogenen Staat zusammenhalten: der König, die Hauptstadtregion Brüssel mit ihren europäischen Institutionen und die Furcht vieler Wallonen, dass der wallonische Teilstaat bei einem Ausbleiben der Transferzahlungen aus dem reicheren Flandern bankrott wäre. Zur Zeit vielleicht auch noch die sehr erfolgreiche belgische Fußball-Nationalmannschaft.Tatsächlich sind die Flamen in den letzten Jahrzehnten immer selbstbewusster geworden und der Ruf nach Unabhängigkeit ist nicht zu überhören. Der Staat Belgien ist im politischen Bereich so gespalten, dass alle traditionellen Parteien (Christdemokraten, Sozialisten, Liberale) aufgespalten sind in eigenständige flämische und wallonische Parteien, wobei z. B. die Christdemokraten Flanderns den Liberalen näher stehen als ihrer wallonischen Schwesterpartei. Den Gegensatz verschärfte seit Jahren die rechtsextreme Partei „Vlaamse Belang“, die sich ganz entschieden für ein eigenständiges Flandern einsetzte und darüberhinaus fremdenfeindlich agierte. Bei der Parlamentswahl im Jahre 2010 verlor diese Partei zwar an Stimmen, aber gleichzeitig wurde die flämisch-nationale NVA (Neue Flämische Allianz) auf Anhieb und vor allem auf Kosten der flämischen Christdemokraten stärkste Fraktion im belgischen Bundes-Parlament.
Die NVA unter ihrem populären Vorsitzenden Bart de Wever konnte auch bei den Kommunalwahlen 2012 deutliche Gewinne verzeichnen und de Wewer verkündete daraufhin: „Die Flamen wollen Veränderung.“ Und wenn es nach de Wever geht, heißt das: die Unabhängigkeit des niederländischsprachigen Nordens rückt näher.[5]
Nicht
zuletzt aufgrund des Wahlerfolges der NVA dauerte die Regierungsbildung in
Belgien nach der Wahl 2010 ganze 541 Tage (neuer europäischer Rekord) bis es
dem wallonischen Sozialisten di Rupo gelang, ein Kabinett aus flämischen und
wallonischen Christdemokraten, Liberalen und Sozialisten zu bilden.[6]
Dies zeigt,
dass die Belgier allen Krisen zum Trotz zu schrittweisen pragmatischen Lösungen
fähig sind, die sich auf eine lange Tradition friedlicher Kompromisssuche
stützen.[7]
Bei den Wahlen zum belgischen Parlament im Mai 2014 konnte die NVA nochmals um einige Prozentpunkte zulegen und wurde stärkste Partei, während die noch extremere „Vlaams Belang“ Stimmen verlor. Das neue Parlament hat nun folgende Sitzverteilung:
Die Regierungsbildung hat sich wieder schwierig gestaltet und lange hingeszogen. Schließlich waren aber auch die flämischen Nationalisten (NVA) unter Bart de Wever bereit in eine neue Regierung einzutreten, die gemeinsam mit den flämischen Christdemokraten (CD&V), den flämischen Liberalen (Open Vld) und den frankophonen Liberalen (MR) gebildet wurde. Als Ministerpräsident wurde der frankophone Liberale Charles Michel am 11. 10. 2014 vor König Philippe vereidigt. Bart de Wever wollte nicht Premier Belgiens werden, zeigte aber, dass er kompromissfähig ist und nun hinsichtlich einer Abspaltung Flanderns moderatere Töne anschlägt. Ob die moderaten Kräfte Belgiens weiterhin bei der Linie bleiben, für ein starkes Flandern in einem föderalisierten Belgien einzustehen, bleibt zu hoffen, ist aber offen. Schon 1988 titelte Die Zeit: "Statt Scheidung getrennte Betten".[8] Schließlich waren alle Belgier und vor allem die Flamen stets gute Europäer, die für ein Europa der Vielfalt gekämpft haben. Bei einem weiteren Zusammenwachsen Europas werden auch die Flamen mit und in einem Bundesstaat Flandern gut leben können. Es bleibt aber spannend – nicht nur für die Belgier, denn in vielen anderen Teilen Europas (Katalonien, Schottland u. a.) wird man die Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Die Regierungsbildung hat sich wieder schwierig gestaltet und lange hingeszogen. Schließlich waren aber auch die flämischen Nationalisten (NVA) unter Bart de Wever bereit in eine neue Regierung einzutreten, die gemeinsam mit den flämischen Christdemokraten (CD&V), den flämischen Liberalen (Open Vld) und den frankophonen Liberalen (MR) gebildet wurde. Als Ministerpräsident wurde der frankophone Liberale Charles Michel am 11. 10. 2014 vor König Philippe vereidigt. Bart de Wever wollte nicht Premier Belgiens werden, zeigte aber, dass er kompromissfähig ist und nun hinsichtlich einer Abspaltung Flanderns moderatere Töne anschlägt. Ob die moderaten Kräfte Belgiens weiterhin bei der Linie bleiben, für ein starkes Flandern in einem föderalisierten Belgien einzustehen, bleibt zu hoffen, ist aber offen. Schon 1988 titelte Die Zeit: "Statt Scheidung getrennte Betten".[8] Schließlich waren alle Belgier und vor allem die Flamen stets gute Europäer, die für ein Europa der Vielfalt gekämpft haben. Bei einem weiteren Zusammenwachsen Europas werden auch die Flamen mit und in einem Bundesstaat Flandern gut leben können. Es bleibt aber spannend – nicht nur für die Belgier, denn in vielen anderen Teilen Europas (Katalonien, Schottland u. a.) wird man die Entwicklung aufmerksam verfolgen.
[2] Jan Goossens „Was ist Deutsch .- und wie verhält es
sich zum Niederländischen“ Bonn 5. Auflage 1985
[3] http://neon.niederlandistik.fu-berlin.de/
:Das
Niederländische in Flandern
[4] Bei der Zusammenstellung habe ich u. a. folgende
Quellen benutzt: http://neon.niederlandistik.fu-berlin.de/ - http://de.wikipedia.org/wiki/Burgund
und http://www.belgium.be/de/ueber_belgien/land/ -
https://www.ned.univie.ac.at/node/12688
[7] https://www.ned.univie.ac.at/node/12688
[8] http://www.dw.de/neue-belgische-regierung-vereidigt/a-17988377 - Die Zeit vom 14.10.1988
[8] http://www.dw.de/neue-belgische-regierung-vereidigt/a-17988377 - Die Zeit vom 14.10.1988
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