Aktualisierung / Ergänzung September 2018
Die slawische Minderheit der Sorben / Wenden lebt in den deutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg in der Ober- und Niederlausitz
1. Lage, Zahlen, Namen
In
Deutschland gibt es vier anerkannte einheimische Minderheiten (Ohne
Berücksichtigung der Migranten): Dänen, Friesen, Sinti / Roma und
die Sorben. Das Siedlungsgebiet der Sorben liegt im Nordosten von Sachsen, der
Oberlausitz, und im Südosten von Brandenburg, der Niederlausitz. Hier
lebt neben der deutschen Bevölkerung die slawische Minderheit der
Sorben. Ihre Zahl wird auf ca. 60.000 geschätzt, davon ca. 40.000 in
der Oberlausitz im Freistaat Sachsen und ca. 20.000 in der
Niederlausitz im Bundesland Brandenburg. In der Regel sind Sorben zweisprachig, sorbisch und deutsch, in der
Niederlausitz oft mehr und besser deutsch als sorbisch.1
Die
deutsche Benennung Sorben bzw. Wenden geht auf unterschiedliche
Traditionen zurück. Römische Geschichtsschreiber übertrugen den
Namen der Veneter, einem slawischen Volk das vor Christi Geburt in
der Po-Ebene siedelte, auf alle nicht-germanischen Völker östlich
des Limes. Hieraus entwickelte sich im deutschen Sprachgebrauch die
Bezeichnung Wenden oder Winden für alle Slawen, die nach der
Völkerwanderung im späteren Mittel- und Ostdeutschland und in den
Alpenländern lebten (Winden bzw. Windische siehe 2.283 Slowenen in
Österreich).
Der
Name Sorben geht zurück auf die Erwähnung durch den fränkischen
Chronisten Fredegar, der 631 die zwischen Saale und Mulde ansässigen
Slawen mit Surbi benannte. Die Sorben selbst bezeichnen sich als
Serbja (obersorbisch) bzw. Serby (niedersorbisch), so dass der Name
Sorben mit der Zeit neben die frühere Bezeichnung Wenden trat. Nach
1945 empfanden viele Sorben den Namen Wenden als diskriminierend (die
Nazis versuchten eine Zwangsgermanisierung unter dem Vorwand, dass
die Wenden ein deutscher Stamm seien). Daher einigten sich die
sorbisch-wendischen Vertreter auf die alleinige Bezeichnung Sorben.
Nach der Wiedervereinigung entschieden sich die Delegierten des
Regionalverbands Niederlausitz jedoch für die deutsche
Doppel-Bezeichnung Sorben / Wenden (s.u.)2
2. Sprache(n) und Dialekte
Die
sorbische Sprache gehört zur slawischen Sprachfamilie und bildet
zusammen mit dem Polnischen, Tschechischen und Slowakischen den
westslawischen Zweig. Die sorbische Sprache zerfällt wiederum in
viele verschiedene Dialekte, wobei die Dialekte der Oberlausitz dem
Tschechischen näher stehen, die der Niederlausitz dem Polnischen
verwandter sind. Im Raum Hoyerswerda und Weißwasser gibt es
Übergangsdialekte.
Da
das sorbische Sprachgebiet in der Geschichte nie eine politische
Einheit bildete und sich auch kein kulturelles oder wirtschaftliches
Zentrum herausbildete, wurde nie eine einheitliche Schriftsprache
entwickelt. Vielmehr haben sich etwa seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts zwei Schriftsprachen gebildet: Das Obersorbische auf der
Grundlage der Dialekte des Bautzener Bereichs und das
Nieder-Sorbische (oder auch Wendische) auf der Basis des Cottbuser
Dialekts. Im Alltag wird der jeweilige örtliche Dialekt gesprochen,
wobei eine Kommunikation mit Sprechern anderer regionaler Dialekte
(und auch slawischer Sprachen) durchaus möglich ist.3
Im Verhältnis aller slawischen Sprachen zueinander gibt es große
Ähnlichkeiten bei einer Vielzahl von Worten4
– die Gefahr besteht jedoch in einer oft völlig anderen Bedeutung
gleich oder ähnlich klingender Bezeichnungen.
Schätzungen
gehen davon aus, dass von den etwa 60000 Sorben ca. 20000 ihre
Sprache in Wort und Schrift beherrschen. Da im sorbischen Gebiet
keine allgemeine Zweisprachigkeit herrscht, die Sorben aber alle
deutsch beherrschen, wird von Ausnahmen abgesehen (Gottesdienste,
sorbische Veranstaltungen) in der Öffentlichkeit vorzugsweise die
deutsche Sprache benutzt. Der Fortbestand des Sorbischen hängt daher
vor allem vom Grad der Benutzung in der Familie ab, vor allem auch im
Hinblick auf die Weitergabe an die Kinder.5
3. Geschichte der Sorben
3.1 Frühgeschichte / Mittelalter
Im
Zuge der großen Völkerwanderung verließen bis etwa 600 nach
Christus germanische Völker das Gebiet zwischen Ostsee und
Erzgebirge, Elbe und Oder. In dieses weitgehend entvölkerte Gebiet
wanderten slawische Stämme ein, die ihr Siedlungsgebiet zwischen
Oder und Dnjepr aufgegeben hatten. Sie sind unter dem Sammelnamen
Elbslawen oder Polaben bekannt. Zu ihnen gehörten etwa 20 sorbische
Stämme, die ein Gebiet bevölkerten, das im Westen bis an die Saale,
im Norden bis an das heutige Berlin, im Osten bis zur Oder und im
Süden bis zum Erzgebirge reichte. Der bereits erwähnte Chronist
Fredegar berichtet über die Surbi, die zwischen Saale und Mulde
siedelten und denen die heutigen Sorben ihren Namen verdanken.
Weitere bekannte sorbische Stämme waren die Milzener im Bereich
Bautzen und die Lusizer zwischen Spreewald und Cottbus. Letztere
gaben der Lausitz ihren deutschen Namen.
Bis
zum 9. Jahrhundert behielten diese slawischen Stämme eine weitgehend
friedvolle Unabhängigkeit auf der Basis archaischer Großfamilien.
In der Folgezeit wurden sie jedoch durch die römisch-deutschen
Kaiser/Könige unterworfen und verloren ihre Unabhängigkeit (963 die
Lusitzer und 990 die Milzener). Ihre Sprache und Sitten konnten sie
zunächst jedoch behaupten. Mit der großen deutschen Ostkolonisation
ab dem 12. Jahrhundert wurden Städte nach deutschem Recht gegründet
und kamen hunderttausende deutscher Bauern in das Land östlich der
Elbe. Aufgrund der Herkunft der Siedler aus unterschiedlichen
deutschen Gebieten und einer Vermischung mit einheimischen Slawen
entstanden neue deutsche Stämme und deutsche Mundarten. Die
slawische Sprache wurde verdrängt, teilweise auch diskriminiert und
verboten . Im Ergebnis bedeutete dies, dass bis etwa 1400 außerhalb
der beiden Lausitzen der Übergang zur deutschen Sprache bis zur Oder
und darüber hinaus abgeschlossen war.6
3.2 Von der Reformation bis zum 1. Weltkrieg
Dass
die sorbische Sprache und Kultur in der Lausitz nicht verdrängt
wurde, lag zum einen daran, dass sich hier wesentlich weniger
deutsche Bauern ansiedelten als in den übrigen Gebieten. Hinzu kam
jedoch die territoriale Zugehörigkeit zu den Markgrafschaften
Oberlausitz und Niederlausitz. Diese waren stets Außenbereiche oft
wechselnder Herrschaften und der örtliche Adel, Klöster und größere
Städte widersetzten sich erfolgreich zentralistischen Bestrebungen.
Vorteile für den Erhalt des sorbischen brachte die Reformation. Zu
dieser Zeit gehörte die Lausitz als Nebenland der Habsburger zu
Böhmen, während die Hohenzollern den Bereich um Cottbus in ihren
Besitz gebracht hatten. Durch den Übergang zum Protestantismus
entstanden Bibelübersetzungen und Gesangbücher in sorbischer
Sprache, was dieser zu größerer Bedeutung verhalf.
Einige
Bereiche in der Oberlausitz , so das Domstift St. Petri in Bautzen
und weitere Pfarrkirchen und Klöster blieben jedoch
römisch-katholisch. Dies brachte die Mitglieder dieser Gemeinden in
der Folge in eine zweifache Minderheitensituation, ein Umstand der
aber gerade hier eine besondere Identität und damit
Überlebensfähigkeit schuf. Dreißigjähriger Krieg und Pest führten
zu einer weiteren Einengung sorbischen Sprachgebietes. Nach dem
westfälischen Frieden 1648 kamen die Markgrafschaften Ober- und
Niederlausitz von Böhmen an Sachsen, aber ähnlich wie in
Brandenburg wurde von den Landesherren eine sehr unterschiedliche
Sorbenpolitik betrieben. Die Hohenzollern gingen in den wendischen
Bezirken der Kurmark entschieden gegen die sorbische Sprache
insbesondere auch im Gottesdienst vor, während im Kreis Cottbus eine
tolerantere Haltung insbesondere unter den Kurfürsten Friedrich I
und II festzustellen war. In der sächsischen Niederlausitz wurde
alles sorbische unterdrückt und verfolgt, während sich in der
Oberlausitz – auch aufgrund der Gefahr einer Re-Katholisierung –
eine tolerante Haltung, ja zeitweise sogar Förderung des Sorbischen
durchsetzte. Im Ergebnis war am Ende des 18. Jahrhunderts das
sorbische Siedlungsgebiet im Vergleich zum 16. Jahrhundert auf etwa
die Hälfte geschrumpft.7
Durch
den Wiener Kongress kam 1815 die gesamte Niederlausitz und der
Nordosten der Oberlausitz zu Brandenburg-Preußen, was sich in der
Folge für den Bestand des Sorbischen weiter negativ auswirken
sollte. Die preußische Regierung erreichte durch Druck, Entzug
finanzieller Mittel für Druckerzeugnisse und Einsetzung deutscher
Lehrer und Pfarrer eine erhebliche Zurückdrängung der sorbischen
Sprache. Die territoriale Aufsplitterung der Sorben wurde
fortgesetzt, indem der preußische Anteil an der Oberlausitz zur
Provinz Schlesien kam, der Bereich der Niederlausitz zu Brandenburg.
Anders lagen die Dinge bei den Sorben in der bei Sachsen
verbliebenen Oberlausitz, die von einer liberaleren Politik des
sächsischen Staates profitierten. Besonders hier erwachte durch den
Einfluss der Romantik ein neues nationales Bewusstsein bei den
Sorben, das sich in einer Zunahme von sorbischen Veröffentlichungen,
der Pflege des Brauchtums und der wissenschaftlichen Beschäftigung
mit der sorbischen Sprache und Geschichte ausdrückte.8
Nach
Niederschlagung der nationalen Bewegungen 1848/49 folgte zunächst
eine Zeit des Stillstands, aber in den 60er-Jahren des 19.
Jahrhunderts erwachte wieder ein sorbisches Selbstbewusstsein, das
sich in der Gründung von Gesang- und Theatervereinen ausdrückte,
die mit Liederfesten und Theateraufführungen auch in der
Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machten. Selbst in den
preußischen Gebieten konnten sich in dieser Zeit die Sorben wieder
entfalten. Diesen positiven Jahren folgte aber nach der
Reichsgründung 1871 und der folgenden rasanten Industrialisierung
wieder ein erheblicher Rückschlag. Durch Zuzug von
Industriearbeitern wurde die bisher bäuerliche Struktur der Lausitz
erheblich verändert, der hiervon ausgehende Druck führte besonders
in den evangelischen Bereichen der Nieder- und Oberlausitz zu einer
starken Assimilierung mit der deutschen Bevölkerung.
Eine
feste Basis hatten die Sorben nur noch in der bäuerlichen
Bevölkerung und bei den katholischen Sorben der Oberlausitz, die
aufgrund ihrer doppelten Minderheitensituation dem Assimilationsdruck
besser standhielten. Insbesondere aus diesen Bereichen wurde 1912 der
Dachverband von 31 sorbischen Vereinen, die Domowina, gegründet der
sich für die Rechte der Sorben und die Pflege ihrer Kultur einsetzen
wollte. Der bald beginnende 1. Weltkrieg setzte den hoffnungsvollen
Bemühungen ein vorläufiges Ende.9
3.3 Weimarer Republik und 3. Reich
Die
Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg und vage Zusagen des neuen
tschechoslowakischen Außenministers Beneš ermutigten einige
Sorbenführer zur Forderung nach Autonomie, Unabhängigkeit oder gar
Anschluss an die neu gegründete Tschechoslowakei. Diese Forderungen
waren jedoch illusionär und hatten wenig Rückhalt in der
Bevölkerung. Sie bewirkten jedoch, dass der neue Staat von Weimar
ein großes Misstrauen gegen sorbische Bestrebungen hegte und deshalb
ein Überwachungsorgan, die Wendenabteilung, einrichtete. Im übrigen
gewährte das neue demokratische Deutschland mit der Weimarer
Verfassung (Art. 113) und den neuen Verfassungen der Länder den
Sorben vielfältige Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten. Es
gelang den Sorben jedoch nicht, eine einheitliche politische
Interessenvertretung zu bilden. Neben der Domowina wirkten die Macica
Serbska, die Lausitzer Volkspartei, der Lausitzer Bauernbund und ein
Nationalrat.10
Die größte Bedeutung hatte aber zweifellos die Domowina und ihr
gelang es, ab 1921 jährlich Verbandstreffen durchzuführen, an denen
sich Tausende von Sorben aus bis zu 48 verschiedenen kulturellen
Vereinen beteiligten.
Diese
insgesamt positive Entwicklung wurde durch die Machtübernahme der
Nazis jäh unterbrochen. Sofort wurden sorbische Einrichtungen
verboten und ein erheblicher Druck zur Gleichschaltung ausgeübt.
Lediglich die Domowina konnte – auch aufgrund von Protesten aus dem
Ausland und des Einflusses von deutschen Minderheiten-Organisationen
– dem Druck zunächst standhalten. Unter der geschickten Führung
von Pawol Nedo wurde die Domowina zum Bund Lausitzer Sorben
umstrukturiert und dieser widersetzte sich zunächst erfolgreich
einer Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten.11
Ab 1934 bis etwa 1936 gingen die Nationalsozialisten zunächst auch
moderater vor und versuchten, die Sorben als „wendisch sprechende
Deutsche“ für sich zu gewinnen. 1937 wurde jedoch jede
Zurückhaltung aufgegeben und auch die Domowina verboten. Alle
Führungspersönlichkeiten der Sorben wurden verhaftet oder
ausgewiesen.12
3.4 Nach dem 2. Weltkrieg und in der DDR - bis zur Wende 1989
Bereits
am 10. 5. 1945 wurde die Domowina in Crostwitz neu gegründet.
Parallel hatte sich in Prag am 9. 5. 1945 ein wendischer
Nationalausschuss gebildet, der eine Loslösung der Lausitz und
Eingliederung in die Tschechoslowakei anstrebte. Die Regierung in
Prag unterstützte zunächst diese Bestrebungen. Demgegenüber
versuchte die Domowina eine Autonomie für die Lausitz zu erreichen.13
Beide Ziele waren aufgrund der Bevölkerungsstruktur unrealistisch,
zumal die sowjetische Besatzungsmacht diese Bestrebungen in keiner
Weise unterstützte. Um möglichst viel für die Sorben zu erreichen
arbeitete man in der Folge eng mit der KPD/SED zusammen, von der man
aber im Laufe der Jahre immer abhängiger wurde. Unter Inkaufnahme
kommunistischer Propagande erreichte die Domowina eine Reihe von
Maßnahmen zur Erhaltung der sorbischen Sprache und Kultur: z. B.
Errichtung eines sorbischen Lehrerbildungs-Instituts und eines
Instituts für Sorabistik an der Uni Leipzig, Gründung des
Domowina-Verlags zur Herausgabe sorbischer Literatur, Gründung eines
staatlichen Ensembles für sorbische Volkskultur und nicht zuletzt
Einführung des sorbischen Sprachunterrichts an Schulen in der
Lausitz. 1970 gab es 9 Schulen mit sorbisch als Unterrichtssprache
und 85 Schulen mit sorbischem Sprachunterricht.14
Die
Zusammenarbeit mit der SED hatte ihren Preis. Ab Mitte der 50er Jahre
wurde in der Lasitz vermehrt Braunkohle abgebaut und bis zur Wende
1989 fielen 46 Dörfer und 27 Ortsteile der Braunkohle zum Opfer.
Neben dem Wegfall sorbischen Lebensraumes kam es zu vermehrtem Zuzug
deutscher Arbeitskräfte. Parallel dazu änderte die SED ihre
Sorbenpolitik („Die Lausitz wird sozialistisch“ statt „Die
Lausitz wird zweisprachig“) Der Unterricht in sorbischer Sprache
wurde völlig freigestellt und in die Nachmittagsstunden verlegt. All
das führte zu einem massiven Rückgang der sorbischen Sprache an
Schulen.
Die
Kritik aus der Domowina nahm zu. Schon 1957 war der Schriftsteller
Juri Brezan aus der Domowina-Führung wegen Kritik an der SED-Politik
ausgeschlossen worden, aber erst in den 80er Jahren gab es offene
Kritik aus der Domowina Führung. Es kam zu einem Dialog mit den
Kirchen und sorbische Intellektuelle wehrten sich gegen den
Braunkohlenabbau und den damit verbundenen Niedergang der sorbischen
Kultur.15
3.5 Nach der Wende
Die
Domowina-Führung blieb in der Wendezeit zunächst untätig so dass
sich eine Oppositionsgruppe Sorbische Volksversammlung bilden konnte,
die sich für die Rechte der sorbischen Volksgruppe einsetzte. Im
Einigungsvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR wurde 1990 der
Schutz der sorbischen Identität und Sprache zugesichert.16
Erst 1991 wurde die Domowina mit neuem Programm neu formiert und
fungiert seitdem wieder als Dachverband aller sorbischen Vereine.
Ebenfalls 1991 wurde gemeinsam vom Bund und den Ländern Brandenburg
und Sachsen die Stiftung für das sorbische Volk gegründet. Diese
Stiftung wurde 1998 durch einen Staatsvertrag der Länder Sachsen und
Brandenburg auf eine tragfähige Grundlage gestellt. Der Bund
beteiligt sich mit regelmäßigen Zuwendungen und ist mit einem
Vertreter im Stiftungsrat vertreten. Die Stiftung fördert alle
Maßnahmen, die zur Erhaltung der sorbischen Sprache und Kultur
notwendig erscheinen. Der Haushaltsplan wird von einem 15köpfigen
Stiftungsrat beschlossen, dem 6 Vertreter des sorbischen Volkes
angehören. Gefördert wird insbesondere die Arbeit des Dachverbandes
Domowina einschließlich des Domowina-Verlags, des Sorbischen
Schulvereins, der sorbischen Museen in Bautzen und Cottbus und das
sorbische Nationalensemble.17
4. Kultur und Schule
Wie
man beim Besuch des Spreewalds unschwer feststellen kann, wird dort
sorbisch/wendisch praktisch nicht mehr gesprochen.18
Es werden zwar einige sorbische Ausdrücke benutzt und es gibt
zweisprachige Ortsschilder - die Muttersprache und die gesprochene
Sprache ist jedoch deutsch. Etwas günstiger sieht es in der
Oberlausitz aus. wo es noch einige Ortschaften mit sorbisch als
Mutter- und Kommunikationssprache gibt. Unabhängig vom
Sprachgebrauch fühlen sich viele Sorben und Wenden aber der
sorbischen Kultur verbunden und pflegen sorbische Traditionen und
Bräuche. Besonders bekannt sind die Osterfeuer in der Niederlausitz
und das Osterreiten in Prozessionen in der katholischen Oberlausitz.
Am 25. Januar wird die Vogelhochzeit gefeiert. Kinder stellen (wie
beim Nikolaus) Teller an die Fenster und finden darin am nächsten
Morgen allerlei Naschsachen. Damit bedanken sich die Vögel für die
Fütterung im Winter. Besonders gefeiert werden (regional
unterschiedlich) auch das Erntedankfest und der Barbaratag am 4.
Dezember. Bei festlichen Anlässen wird besonders von den Frauen die
sorbische / wendische Tracht getragen.
Sowohl im MDR als auch im RBB gibt es Hörfunk und Fernsehsendungen in sorbischer Sprache. Siehe mehr dazu unter
https://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/programm/artikel75924.html und
https://www.rbb-online.de/radio/sorbisches_programm/sorbisches_programm.html
Sowohl im MDR als auch im RBB gibt es Hörfunk und Fernsehsendungen in sorbischer Sprache. Siehe mehr dazu unter
https://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/programm/artikel75924.html und
https://www.rbb-online.de/radio/sorbisches_programm/sorbisches_programm.html
Sorbisch
als Muttersprache wird noch an sechs Sorbischen Grundschulen in den
Landkreisen Bautzen und Kamenz unterrichtet. Als Wahl-Unterrichtsfach
wird es in Brandenburg an 23 Grundschulen und in Sachsen an 29
Grundschulen angeboten. Auch im Sekundarbereich gibt es in beiden
Ländern Angebote entweder als Alternative zur 1. oder 2.
Fremdsprache oder als zusätzliche Fremdsprache. In Bautzen gibt es
ein Sorbisches Gymnasium, das eine vertiefte sorbischsprachige
Bildung anbietet.19 In Cottbus gibt es ein Niedersorbisches Gymnasium, in dem Sorbisch als 2. Fremdsprache belegpflichtig ist. Bilingualer Unterricht wird ab Klasse 7 oder Klasse 9 in 2 Fächern erteilt.
Eine Auflistung sorbischer Institutionen, Schulen, Kultur- und Spracheinrichtungen und Medien findet man unter
https://www.domowina.de/kontakt/links/#c805
Hervorzuheben ist insbesondere die 5x wöchentlich erscheinende Zeitung "Serbske Nowiny" (Sorbische Zeitung) . Einmal im Monat gibt es eine deutschsprachige Ausgabe. Die Zeitung hat etwa 2000 Abonnenten und wird durch die Stiftung für das sorbische Volk unterstützt. Monatlich erscheint eine obersorbische und niedersorbische Kinderzeitschrift Plomjo / Plomje (Flamme).
Eine Auflistung sorbischer Institutionen, Schulen, Kultur- und Spracheinrichtungen und Medien findet man unter
https://www.domowina.de/kontakt/links/#c805
Hervorzuheben ist insbesondere die 5x wöchentlich erscheinende Zeitung "Serbske Nowiny" (Sorbische Zeitung) . Einmal im Monat gibt es eine deutschsprachige Ausgabe. Die Zeitung hat etwa 2000 Abonnenten und wird durch die Stiftung für das sorbische Volk unterstützt. Monatlich erscheint eine obersorbische und niedersorbische Kinderzeitschrift Plomjo / Plomje (Flamme).
5. politische Situation
Während
der Weimarer Republik hat sich eine politische Partei der Sorben
gebildet. Nach der Wende wurde dieser Versuch wiederholt,20
jedoch in beiden Fällen blieben sie bedeutungslos. Sorben versuchen
vielmehr politischen Einfluss über die großen Parteien zu gewinnen.
So ist Maria Michalk aus Spreewiese
bei Bautzen mehrfach über die Liste der CDU in den Bundestag gewählt worden
(übrigens als einzige Abgeordnete einer Minderheit). Frau Michalk
versteht sich daher auch als Vertreterin für die Belange der Dänen,
Friesen sowie Sinti und Roma.21
Auf
Gemeindeebene wurden seit 1994 sorbische Wählervereinigungen mit
wechselndem Erfolg gebildet. Insbesondere durch die Gebietsreform und
die Schaffung größerer Kreise und Gemeinden befinden sich die
Vertreter dieser Wählervereinigungen stets in der Minderheit.
Ungünstig
für die Vertretung sorbischer Interessen wirkt sich nach wie vor die
Aufteilung des Siedlungsgebietes auf zwei Bundesländer aus. Der
sächsische und der brandenburgische Landtag wählen jeweils für die
Dauer einer Legislaturperiode einen Rat für sorbische bzw.
sorbisch/wendische Angelegenheiten, dem jeweils 5 Vertreter der
Sorben angehören. Diese Räte behandeln alle für das sorbische
Volk wichtigen parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzentwürfe
und nehmen dazu Stellung.22
6. Ausblick
Wird die sorbische Sprache und Kultur überleben? Der
äußere Druck ist gewaltig. Nach der Wende dezimierte eine
Abwanderungswelle aus wirtschaftlichen
Gründen in den Westen Deutschlands den Bestand der Sorben. Hinzu kommt seit DDR-Zeiten bis heute der Braunkohle-Abbau in der Lausitz, dem manches sorbische Dorf weichen musste. Auch die Sorben sind hier in einem Dilemma: Einerseits gibt ihnen die Braunkohlenindustrie Arbeitsplätze, andererseits geht durch den Braunkohleabbau der Zusammenhalt in gewachsenen Dörfern verloren, denn wo ein Dorf verschwindet, werden Bewohner umgesiedelt und ein Stück sorbischer Heimat und Identität verschwindet.
Nichtsdestoweniger hängt die Zukunft der Sorben auch von der Minderheitsbevölkerung selbst und ihrem Überlebenswillen ab. Es gibt dazu Hoffnungszeichen, wie das Projekt WITAJ (Willkommen), das es Eltern ermöglicht ihre Kleinkinder in Kindertagesstätten zu geben, wo sie auf spielerische Weise die sorbische Sprache erlernen. Viele Eltern erkennen die Chance, dass sorbisch eine gute Voraussetzung zum Erlernen weiterer slawischer Sprachen ist. Manche sorbische Gemeinde hat auch erkannt, dass der Erhalt sorbischer Traditionen ein großes Plus für den Tourismus und damit neue Arbeitsplätze darstellt. Gestärkt fühlen sich die Sorben auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Minderheitsorganisationen, insbesondere der FUEV. So waren Sorben in 2012 Gastgeber der zweiten Fußball-EM der Minderheiten. Der Sieger des Turniers (die Deutschen aus Südtirol) erhielten einen Pokal aus Granit und Lindenholz, der neben einem Fußball auch ein Lindenblatt zeigt, das Nationalsymbol der Sorben.23
Nichtsdestoweniger hängt die Zukunft der Sorben auch von der Minderheitsbevölkerung selbst und ihrem Überlebenswillen ab. Es gibt dazu Hoffnungszeichen, wie das Projekt WITAJ (Willkommen), das es Eltern ermöglicht ihre Kleinkinder in Kindertagesstätten zu geben, wo sie auf spielerische Weise die sorbische Sprache erlernen. Viele Eltern erkennen die Chance, dass sorbisch eine gute Voraussetzung zum Erlernen weiterer slawischer Sprachen ist. Manche sorbische Gemeinde hat auch erkannt, dass der Erhalt sorbischer Traditionen ein großes Plus für den Tourismus und damit neue Arbeitsplätze darstellt. Gestärkt fühlen sich die Sorben auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Minderheitsorganisationen, insbesondere der FUEV. So waren Sorben in 2012 Gastgeber der zweiten Fußball-EM der Minderheiten. Der Sieger des Turniers (die Deutschen aus Südtirol) erhielten einen Pokal aus Granit und Lindenholz, der neben einem Fußball auch ein Lindenblatt zeigt, das Nationalsymbol der Sorben.23
1
Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 7
2
http://www.spreewald-info.de/de/land_leute/geschichte/sorben_wenden/index.php
3
Die Sorben in der Lausitz, 2. Auflage, Domowina-Verlag 2003, S. 35ff
und www.serbski-institut.de
4
Man nimmt an, dass etwa zwei Drittel des Wortschatzes der slawischen
Sprachen übereinstimmen oder große Ähnlichkeit aufweisen
(Fischer-Lexikon „Sprachen“)
5
1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen, S. 6f
6
Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 9ff – dtv-Atlas
zur deutschen Sprache, S. 74f – Neben der Lausitz wurde im
Wendland (Kreis Lüchow-Dannenberg) noch bis etwa 1750 ein
drawänopolabischer Dialekt gesprochen, der dem sorbischen sehr
ähnlich war (Elbe-Jeetzel-Zeitung v. 21. 8. 1991)
7
Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 31ff
8
Die Sorben in der Lausitz, S. 18ff und www.serbski-institut.de
9
Die Sorben in der Lausitz, S. 24ff
10
Institut für Sorabistik der Uni Leipzig (www.uni-leipzig.de)
11
wie vor
12
Eine beeindruckende Schilderung dieser Zeit gibt der sorbische
Schriftsteller Jurij Brešan in seiner Autobiografie „Mein Stück
Zeit“
13
„Die Sorben in der Lausitz“ – Domowina-Verlag 2003
14
„Die Sorben in der Lausitz“ – Domowina-Verlag 2003 und Peter
Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 65ff
15
wie vor und Jurij Brezan „Mein Stück Zeit“
16
Zusatzprotokoll zu § 35 des Einigungsvertrages
17
1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen, S38f
18
Christel-Lehmann-Enders u. Ute Henschel: Das Spreewalddorf Lehde, S.
15
19
1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen, S93ff
20
Pogrom Nr. 3/2005
22
1. Bericht der BRD gem. Art. 25, Abs. 1 des Rahmenabkommens des
Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten (1999)
23
dapd 24. 5. 2012
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