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3.13 Sorben / Wenden

Aktualisierung / Ergänzung September 2018


Die slawische Minderheit der Sorben / Wenden  lebt in den deutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg in der Ober- und Niederlausitz

1. Lage, Zahlen, Namen

In Deutschland gibt es vier anerkannte einheimische Minderheiten (Ohne Berücksichtigung der Migranten): Dänen, Friesen, Sinti / Roma und die Sorben. Das Siedlungsgebiet der Sorben liegt im Nordosten von Sachsen, der Oberlausitz, und im Südosten von Brandenburg, der Niederlausitz. Hier lebt neben der deutschen Bevölkerung die slawische Minderheit der Sorben. Ihre Zahl wird auf ca. 60.000 geschätzt, davon ca. 40.000 in der Oberlausitz im Freistaat Sachsen und ca. 20.000 in der Niederlausitz im Bundesland Brandenburg. In der Regel sind Sorben zweisprachig, sorbisch und deutsch, in der Niederlausitz oft mehr und besser deutsch als sorbisch.1

Die deutsche Benennung Sorben bzw. Wenden geht auf unterschiedliche Traditionen zurück. Römische Geschichtsschreiber übertrugen den Namen der Veneter, einem slawischen Volk das vor Christi Geburt in der Po-Ebene siedelte, auf alle nicht-germanischen Völker östlich des Limes. Hieraus entwickelte sich im deutschen Sprachgebrauch die Bezeichnung Wenden oder Winden für alle Slawen, die nach der Völkerwanderung im späteren Mittel- und Ostdeutschland und in den Alpenländern lebten (Winden bzw. Windische siehe 2.283 Slowenen in Österreich).

Der Name Sorben geht zurück auf die Erwähnung durch den fränkischen Chronisten Fredegar, der 631 die zwischen Saale und Mulde ansässigen Slawen mit Surbi benannte. Die Sorben selbst bezeichnen sich als Serbja (obersorbisch) bzw. Serby (niedersorbisch), so dass der Name Sorben mit der Zeit neben die frühere Bezeichnung Wenden trat. Nach 1945 empfanden viele Sorben den Namen Wenden als diskriminierend (die Nazis versuchten eine Zwangsgermanisierung unter dem Vorwand, dass die Wenden ein deutscher Stamm seien). Daher einigten sich die sorbisch-wendischen Vertreter auf die alleinige Bezeichnung Sorben. Nach der Wiedervereinigung entschieden sich die Delegierten des Regionalverbands Niederlausitz jedoch für die deutsche Doppel-Bezeichnung Sorben / Wenden (s.u.)2

2. Sprache(n) und Dialekte

Die sorbische Sprache gehört zur slawischen Sprachfamilie und bildet zusammen mit dem Polnischen, Tschechischen und Slowakischen den westslawischen Zweig. Die sorbische Sprache zerfällt wiederum in viele verschiedene Dialekte, wobei die Dialekte der Oberlausitz dem Tschechischen näher stehen, die der Niederlausitz dem Polnischen verwandter sind. Im Raum Hoyerswerda und Weißwasser gibt es Übergangsdialekte.

Da das sorbische Sprachgebiet in der Geschichte nie eine politische Einheit bildete und sich auch kein kulturelles oder wirtschaftliches Zentrum herausbildete, wurde nie eine einheitliche Schriftsprache entwickelt. Vielmehr haben sich etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Schriftsprachen gebildet: Das Obersorbische auf der Grundlage der Dialekte des Bautzener Bereichs und das Nieder-Sorbische (oder auch Wendische) auf der Basis des Cottbuser Dialekts. Im Alltag wird der jeweilige örtliche Dialekt gesprochen, wobei eine Kommunikation mit Sprechern anderer regionaler Dialekte (und auch slawischer Sprachen) durchaus möglich ist.3 Im Verhältnis aller slawischen Sprachen zueinander gibt es große Ähnlichkeiten bei einer Vielzahl von Worten4 – die Gefahr besteht jedoch in einer oft völlig anderen Bedeutung gleich oder ähnlich klingender Bezeichnungen.
Schätzungen gehen davon aus, dass von den etwa 60000 Sorben ca. 20000 ihre Sprache in Wort und Schrift beherrschen. Da im sorbischen Gebiet keine allgemeine Zweisprachigkeit herrscht, die Sorben aber alle deutsch beherrschen, wird von Ausnahmen abgesehen (Gottesdienste, sorbische Veranstaltungen) in der Öffentlichkeit vorzugsweise die deutsche Sprache benutzt. Der Fortbestand des Sorbischen hängt daher vor allem vom Grad der Benutzung in der Familie ab, vor allem auch im Hinblick auf die Weitergabe an die Kinder.5

3. Geschichte der Sorben

3.1 Frühgeschichte / Mittelalter

Im Zuge der großen Völkerwanderung verließen bis etwa 600 nach Christus germanische Völker das Gebiet zwischen Ostsee und Erzgebirge, Elbe und Oder. In dieses weitgehend entvölkerte Gebiet wanderten slawische Stämme ein, die ihr Siedlungsgebiet zwischen Oder und Dnjepr aufgegeben hatten. Sie sind unter dem Sammelnamen Elbslawen oder Polaben bekannt. Zu ihnen gehörten etwa 20 sorbische Stämme, die ein Gebiet bevölkerten, das im Westen bis an die Saale, im Norden bis an das heutige Berlin, im Osten bis zur Oder und im Süden bis zum Erzgebirge reichte. Der bereits erwähnte Chronist Fredegar berichtet über die Surbi, die zwischen Saale und Mulde siedelten und denen die heutigen Sorben ihren Namen verdanken. Weitere bekannte sorbische Stämme waren die Milzener im Bereich Bautzen und die Lusizer zwischen Spreewald und Cottbus. Letztere gaben der Lausitz ihren deutschen Namen.

Bis zum 9. Jahrhundert behielten diese slawischen Stämme eine weitgehend friedvolle Unabhängigkeit auf der Basis archaischer Großfamilien. In der Folgezeit wurden sie jedoch durch die römisch-deutschen Kaiser/Könige unterworfen und verloren ihre Unabhängigkeit (963 die Lusitzer und 990 die Milzener). Ihre Sprache und Sitten konnten sie zunächst jedoch behaupten. Mit der großen deutschen Ostkolonisation ab dem 12. Jahrhundert wurden Städte nach deutschem Recht gegründet und kamen hunderttausende deutscher Bauern in das Land östlich der Elbe. Aufgrund der Herkunft der Siedler aus unterschiedlichen deutschen Gebieten und einer Vermischung mit einheimischen Slawen entstanden neue deutsche Stämme und deutsche Mundarten. Die slawische Sprache wurde verdrängt, teilweise auch diskriminiert und verboten . Im Ergebnis bedeutete dies, dass bis etwa 1400 außerhalb der beiden Lausitzen der Übergang zur deutschen Sprache bis zur Oder und darüber hinaus abgeschlossen war.6

3.2 Von der Reformation bis zum 1. Weltkrieg

Dass die sorbische Sprache und Kultur in der Lausitz nicht verdrängt wurde, lag zum einen daran, dass sich hier wesentlich weniger deutsche Bauern ansiedelten als in den übrigen Gebieten. Hinzu kam jedoch die territoriale Zugehörigkeit zu den Markgrafschaften Oberlausitz und Niederlausitz. Diese waren stets Außenbereiche oft wechselnder Herrschaften und der örtliche Adel, Klöster und größere Städte widersetzten sich erfolgreich zentralistischen Bestrebungen. Vorteile für den Erhalt des sorbischen brachte die Reformation. Zu dieser Zeit gehörte die Lausitz als Nebenland der Habsburger zu Böhmen, während die Hohenzollern den Bereich um Cottbus in ihren Besitz gebracht hatten. Durch den Übergang zum Protestantismus entstanden Bibelübersetzungen und Gesangbücher in sorbischer Sprache, was dieser zu größerer Bedeutung verhalf.

Einige Bereiche in der Oberlausitz , so das Domstift St. Petri in Bautzen und weitere Pfarrkirchen und Klöster blieben jedoch römisch-katholisch. Dies brachte die Mitglieder dieser Gemeinden in der Folge in eine zweifache Minderheitensituation, ein Umstand der aber gerade hier eine besondere Identität und damit Überlebensfähigkeit schuf. Dreißigjähriger Krieg und Pest führten zu einer weiteren Einengung sorbischen Sprachgebietes. Nach dem westfälischen Frieden 1648 kamen die Markgrafschaften Ober- und Niederlausitz von Böhmen an Sachsen, aber ähnlich wie in Brandenburg wurde von den Landesherren eine sehr unterschiedliche Sorbenpolitik betrieben. Die Hohenzollern gingen in den wendischen Bezirken der Kurmark entschieden gegen die sorbische Sprache insbesondere auch im Gottesdienst vor, während im Kreis Cottbus eine tolerantere Haltung insbesondere unter den Kurfürsten Friedrich I und II festzustellen war. In der sächsischen Niederlausitz wurde alles sorbische unterdrückt und verfolgt, während sich in der Oberlausitz – auch aufgrund der Gefahr einer Re-Katholisierung – eine tolerante Haltung, ja zeitweise sogar Förderung des Sorbischen durchsetzte. Im Ergebnis war am Ende des 18. Jahrhunderts das sorbische Siedlungsgebiet im Vergleich zum 16. Jahrhundert auf etwa die Hälfte geschrumpft.7

Durch den Wiener Kongress kam 1815 die gesamte Niederlausitz und der Nordosten der Oberlausitz zu Brandenburg-Preußen, was sich in der Folge für den Bestand des Sorbischen weiter negativ auswirken sollte. Die preußische Regierung erreichte durch Druck, Entzug finanzieller Mittel für Druckerzeugnisse und Einsetzung deutscher Lehrer und Pfarrer eine erhebliche Zurückdrängung der sorbischen Sprache. Die territoriale Aufsplitterung der Sorben wurde fortgesetzt, indem der preußische Anteil an der Oberlausitz zur Provinz Schlesien kam, der Bereich der Niederlausitz zu Brandenburg. Anders lagen die Dinge bei den Sorben in der bei Sachsen verbliebenen Oberlausitz, die von einer liberaleren Politik des sächsischen Staates profitierten. Besonders hier erwachte durch den Einfluss der Romantik ein neues nationales Bewusstsein bei den Sorben, das sich in einer Zunahme von sorbischen Veröffentlichungen, der Pflege des Brauchtums und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der sorbischen Sprache und Geschichte ausdrückte.8
Nach Niederschlagung der nationalen Bewegungen 1848/49 folgte zunächst eine Zeit des Stillstands, aber in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts erwachte wieder ein sorbisches Selbstbewusstsein, das sich in der Gründung von Gesang- und Theatervereinen ausdrückte, die mit Liederfesten und Theateraufführungen auch in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machten. Selbst in den preußischen Gebieten konnten sich in dieser Zeit die Sorben wieder entfalten. Diesen positiven Jahren folgte aber nach der Reichsgründung 1871 und der folgenden rasanten Industrialisierung wieder ein erheblicher Rückschlag. Durch Zuzug von Industriearbeitern wurde die bisher bäuerliche Struktur der Lausitz erheblich verändert, der hiervon ausgehende Druck führte besonders in den evangelischen Bereichen der Nieder- und Oberlausitz zu einer starken Assimilierung mit der deutschen Bevölkerung.

Eine feste Basis hatten die Sorben nur noch in der bäuerlichen Bevölkerung und bei den katholischen Sorben der Oberlausitz, die aufgrund ihrer doppelten Minderheitensituation dem Assimilationsdruck besser standhielten. Insbesondere aus diesen Bereichen wurde 1912 der Dachverband von 31 sorbischen Vereinen, die Domowina, gegründet der sich für die Rechte der Sorben und die Pflege ihrer Kultur einsetzen wollte. Der bald beginnende 1. Weltkrieg setzte den hoffnungsvollen Bemühungen ein vorläufiges Ende.9

3.3 Weimarer Republik und 3. Reich

Die Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg und vage Zusagen des neuen tschechoslowakischen Außenministers Beneš ermutigten einige Sorbenführer zur Forderung nach Autonomie, Unabhängigkeit oder gar Anschluss an die neu gegründete Tschechoslowakei. Diese Forderungen waren jedoch illusionär und hatten wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Sie bewirkten jedoch, dass der neue Staat von Weimar ein großes Misstrauen gegen sorbische Bestrebungen hegte und deshalb ein Überwachungsorgan, die Wendenabteilung, einrichtete. Im übrigen gewährte das neue demokratische Deutschland mit der Weimarer Verfassung (Art. 113) und den neuen Verfassungen der Länder den Sorben vielfältige Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten. Es gelang den Sorben jedoch nicht, eine einheitliche politische Interessenvertretung zu bilden. Neben der Domowina wirkten die Macica Serbska, die Lausitzer Volkspartei, der Lausitzer Bauernbund und ein Nationalrat.10 Die größte Bedeutung hatte aber zweifellos die Domowina und ihr gelang es, ab 1921 jährlich Verbandstreffen durchzuführen, an denen sich Tausende von Sorben aus bis zu 48 verschiedenen kulturellen Vereinen beteiligten.

Diese insgesamt positive Entwicklung wurde durch die Machtübernahme der Nazis jäh unterbrochen. Sofort wurden sorbische Einrichtungen verboten und ein erheblicher Druck zur Gleichschaltung ausgeübt. Lediglich die Domowina konnte – auch aufgrund von Protesten aus dem Ausland und des Einflusses von deutschen Minderheiten-Organisationen – dem Druck zunächst standhalten. Unter der geschickten Führung von Pawol Nedo wurde die Domowina zum Bund Lausitzer Sorben umstrukturiert und dieser widersetzte sich zunächst erfolgreich einer Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten.11 Ab 1934 bis etwa 1936 gingen die Nationalsozialisten zunächst auch moderater vor und versuchten, die Sorben als „wendisch sprechende Deutsche“ für sich zu gewinnen. 1937 wurde jedoch jede Zurückhaltung aufgegeben und auch die Domowina verboten. Alle Führungspersönlichkeiten der Sorben wurden verhaftet oder ausgewiesen.12

3.4 Nach dem 2. Weltkrieg und in der DDR - bis zur Wende 1989

Bereits am 10. 5. 1945 wurde die Domowina in Crostwitz neu gegründet. Parallel hatte sich in Prag am 9. 5. 1945 ein wendischer Nationalausschuss gebildet, der eine Loslösung der Lausitz und Eingliederung in die Tschechoslowakei anstrebte. Die Regierung in Prag unterstützte zunächst diese Bestrebungen. Demgegenüber versuchte die Domowina eine Autonomie für die Lausitz zu erreichen.13 Beide Ziele waren aufgrund der Bevölkerungsstruktur unrealistisch, zumal die sowjetische Besatzungsmacht diese Bestrebungen in keiner Weise unterstützte. Um möglichst viel für die Sorben zu erreichen arbeitete man in der Folge eng mit der KPD/SED zusammen, von der man aber im Laufe der Jahre immer abhängiger wurde. Unter Inkaufnahme kommunistischer Propagande erreichte die Domowina eine Reihe von Maßnahmen zur Erhaltung der sorbischen Sprache und Kultur: z. B. Errichtung eines sorbischen Lehrerbildungs-Instituts und eines Instituts für Sorabistik an der Uni Leipzig, Gründung des Domowina-Verlags zur Herausgabe sorbischer Literatur, Gründung eines staatlichen Ensembles für sorbische Volkskultur und nicht zuletzt Einführung des sorbischen Sprachunterrichts an Schulen in der Lausitz. 1970 gab es 9 Schulen mit sorbisch als Unterrichtssprache und 85 Schulen mit sorbischem Sprachunterricht.14
Die Zusammenarbeit mit der SED hatte ihren Preis. Ab Mitte der 50er Jahre wurde in der Lasitz vermehrt Braunkohle abgebaut und bis zur Wende 1989 fielen 46 Dörfer und 27 Ortsteile der Braunkohle zum Opfer. Neben dem Wegfall sorbischen Lebensraumes kam es zu vermehrtem Zuzug deutscher Arbeitskräfte. Parallel dazu änderte die SED ihre Sorbenpolitik („Die Lausitz wird sozialistisch“ statt „Die Lausitz wird zweisprachig“) Der Unterricht in sorbischer Sprache wurde völlig freigestellt und in die Nachmittagsstunden verlegt. All das führte zu einem massiven Rückgang der sorbischen Sprache an Schulen.
Die Kritik aus der Domowina nahm zu. Schon 1957 war der Schriftsteller Juri Brezan aus der Domowina-Führung wegen Kritik an der SED-Politik ausgeschlossen worden, aber erst in den 80er Jahren gab es offene Kritik aus der Domowina Führung. Es kam zu einem Dialog mit den Kirchen und sorbische Intellektuelle wehrten sich gegen den Braunkohlenabbau und den damit verbundenen Niedergang der sorbischen Kultur.15

3.5 Nach der Wende

Die Domowina-Führung blieb in der Wendezeit zunächst untätig so dass sich eine Oppositionsgruppe Sorbische Volksversammlung bilden konnte, die sich für die Rechte der sorbischen Volksgruppe einsetzte. Im Einigungsvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR wurde 1990 der Schutz der sorbischen Identität und Sprache zugesichert.16 Erst 1991 wurde die Domowina mit neuem Programm neu formiert und fungiert seitdem wieder als Dachverband aller sorbischen Vereine. Ebenfalls 1991 wurde gemeinsam vom Bund und den Ländern Brandenburg und Sachsen die Stiftung für das sorbische Volk gegründet. Diese Stiftung wurde 1998 durch einen Staatsvertrag der Länder Sachsen und Brandenburg auf eine tragfähige Grundlage gestellt. Der Bund beteiligt sich mit regelmäßigen Zuwendungen und ist mit einem Vertreter im Stiftungsrat vertreten. Die Stiftung fördert alle Maßnahmen, die zur Erhaltung der sorbischen Sprache und Kultur notwendig erscheinen. Der Haushaltsplan wird von einem 15köpfigen Stiftungsrat beschlossen, dem 6 Vertreter des sorbischen Volkes angehören. Gefördert wird insbesondere die Arbeit des Dachverbandes Domowina einschließlich des Domowina-Verlags, des Sorbischen Schulvereins, der sorbischen Museen in Bautzen und Cottbus und das sorbische Nationalensemble.17

4. Kultur und Schule

Wie man beim Besuch des Spreewalds unschwer feststellen kann, wird dort sorbisch/wendisch praktisch nicht mehr gesprochen.18 Es werden zwar einige sorbische Ausdrücke benutzt und es gibt zweisprachige Ortsschilder - die Muttersprache und die gesprochene Sprache ist jedoch deutsch. Etwas günstiger sieht es in der Oberlausitz aus. wo es noch einige Ortschaften mit sorbisch als Mutter- und Kommunikationssprache gibt. Unabhängig vom Sprachgebrauch fühlen sich viele Sorben und Wenden aber der sorbischen Kultur verbunden und pflegen sorbische Traditionen und Bräuche. Besonders bekannt sind die Osterfeuer in der Niederlausitz und das Osterreiten in Prozessionen in der katholischen Oberlausitz. Am 25. Januar wird die Vogelhochzeit gefeiert. Kinder stellen (wie beim Nikolaus) Teller an die Fenster und finden darin am nächsten Morgen allerlei Naschsachen. Damit bedanken sich die Vögel für die Fütterung im Winter. Besonders gefeiert werden (regional unterschiedlich) auch das Erntedankfest und der Barbaratag am 4. Dezember. Bei festlichen Anlässen wird besonders von den Frauen die sorbische / wendische Tracht getragen.

Sowohl im MDR als auch im RBB gibt es Hörfunk und Fernsehsendungen in sorbischer Sprache. Siehe mehr dazu unter
https://www.mdr.de/sorbisches-programm/rundfunk/programm/artikel75924.html und
https://www.rbb-online.de/radio/sorbisches_programm/sorbisches_programm.html

Sorbisch als Muttersprache wird noch an sechs Sorbischen Grundschulen in den Landkreisen Bautzen und Kamenz unterrichtet. Als Wahl-Unterrichtsfach wird es in Brandenburg an 23 Grundschulen und in Sachsen an 29 Grundschulen angeboten. Auch im Sekundarbereich gibt es in beiden Ländern Angebote entweder als Alternative zur 1. oder 2. Fremdsprache oder als zusätzliche Fremdsprache. In Bautzen gibt es ein Sorbisches Gymnasium, das eine vertiefte sorbischsprachige Bildung anbietet.19   In Cottbus gibt es ein Niedersorbisches Gymnasium, in dem Sorbisch als 2. Fremdsprache belegpflichtig ist. Bilingualer Unterricht wird ab Klasse 7 oder Klasse 9 in 2 Fächern erteilt.

Eine Auflistung sorbischer Institutionen, Schulen, Kultur- und Spracheinrichtungen und Medien findet man unter
https://www.domowina.de/kontakt/links/#c805
Hervorzuheben ist insbesondere die 5x wöchentlich erscheinende Zeitung  "Serbske Nowiny" (Sorbische Zeitung) . Einmal im Monat gibt es eine deutschsprachige Ausgabe. Die Zeitung hat etwa 2000 Abonnenten und wird durch die Stiftung für das sorbische Volk unterstützt. Monatlich erscheint eine obersorbische und niedersorbische Kinderzeitschrift Plomjo / Plomje (Flamme).

5. politische Situation

Während der Weimarer Republik hat sich eine politische Partei der Sorben gebildet. Nach der Wende wurde dieser Versuch wiederholt,20 jedoch in beiden Fällen blieben sie bedeutungslos. Sorben versuchen vielmehr politischen Einfluss über die großen Parteien zu gewinnen. So ist Maria Michalk aus Spreewiese bei Bautzen mehrfach über die Liste der CDU in den Bundestag gewählt worden (übrigens als einzige Abgeordnete einer Minderheit). Frau Michalk versteht sich daher auch als Vertreterin für die Belange der Dänen, Friesen sowie Sinti und Roma.21
Auf Gemeindeebene wurden seit 1994 sorbische Wählervereinigungen mit wechselndem Erfolg gebildet. Insbesondere durch die Gebietsreform und die Schaffung größerer Kreise und Gemeinden befinden sich die Vertreter dieser Wählervereinigungen stets in der Minderheit.

Ungünstig für die Vertretung sorbischer Interessen wirkt sich nach wie vor die Aufteilung des Siedlungsgebietes auf zwei Bundesländer aus. Der sächsische und der brandenburgische Landtag wählen jeweils für die Dauer einer Legislaturperiode einen Rat für sorbische bzw. sorbisch/wendische Angelegenheiten, dem jeweils 5 Vertreter der Sorben angehören. Diese Räte behandeln alle für das sorbische Volk wichtigen parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzentwürfe und nehmen dazu Stellung.22

6. Ausblick

Wird die sorbische Sprache und Kultur überleben? Der äußere Druck ist gewaltig. Nach der Wende dezimierte eine Abwanderungswelle aus wirtschaftlichen Gründen in den Westen Deutschlands den Bestand der Sorben.  Hinzu kommt seit DDR-Zeiten bis heute der Braunkohle-Abbau in der Lausitz, dem manches sorbische Dorf weichen musste. Auch die Sorben sind hier in einem Dilemma: Einerseits gibt ihnen die Braunkohlenindustrie Arbeitsplätze, andererseits geht durch den Braunkohleabbau der Zusammenhalt in gewachsenen Dörfern verloren, denn wo ein Dorf verschwindet, werden Bewohner umgesiedelt und ein Stück sorbischer Heimat und Identität verschwindet.
Nichtsdestoweniger hängt die Zukunft der Sorben auch von der Minderheitsbevölkerung selbst und ihrem Überlebenswillen ab. Es gibt dazu Hoffnungszeichen, wie das Projekt WITAJ (Willkommen), das es Eltern ermöglicht ihre Kleinkinder in Kindertagesstätten zu geben, wo sie auf spielerische Weise die sorbische Sprache erlernen. Viele Eltern erkennen die Chance, dass sorbisch eine gute Voraussetzung zum Erlernen weiterer slawischer Sprachen ist. Manche sorbische Gemeinde hat auch erkannt, dass der Erhalt sorbischer Traditionen ein großes Plus für den Tourismus und damit neue Arbeitsplätze  darstellt. Gestärkt fühlen sich die Sorben auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Minderheitsorganisationen, insbesondere der FUEV. So waren Sorben in 2012 Gastgeber der zweiten Fußball-EM der Minderheiten.  Der Sieger des Turniers (die Deutschen aus Südtirol) erhielten einen Pokal aus Granit und Lindenholz, der neben einem Fußball auch ein Lindenblatt zeigt, das Nationalsymbol der Sorben.23









1 Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 7
2 http://www.spreewald-info.de/de/land_leute/geschichte/sorben_wenden/index.php
3 Die Sorben in der Lausitz, 2. Auflage, Domowina-Verlag 2003, S. 35ff und www.serbski-institut.de
4 Man nimmt an, dass etwa zwei Drittel des Wortschatzes der slawischen Sprachen übereinstimmen oder große Ähnlichkeit aufweisen (Fischer-Lexikon „Sprachen“)
5 1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, S. 6f
6 Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 9ff – dtv-Atlas zur deutschen Sprache, S. 74f – Neben der Lausitz wurde im Wendland (Kreis Lüchow-Dannenberg) noch bis etwa 1750 ein drawänopolabischer Dialekt gesprochen, der dem sorbischen sehr ähnlich war (Elbe-Jeetzel-Zeitung v. 21. 8. 1991)
7 Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 31ff
8 Die Sorben in der Lausitz, S. 18ff und www.serbski-institut.de
9 Die Sorben in der Lausitz, S. 24ff
10 Institut für Sorabistik der Uni Leipzig (www.uni-leipzig.de)
11 wie vor
12 Eine beeindruckende Schilderung dieser Zeit gibt der sorbische Schriftsteller Jurij Brešan in seiner Autobiografie „Mein Stück Zeit“
13 „Die Sorben in der Lausitz“ – Domowina-Verlag 2003
14 „Die Sorben in der Lausitz“ – Domowina-Verlag 2003 und Peter Kunze: „Kurze Geschichte der Sorben“, S. 65ff
15 wie vor und Jurij Brezan „Mein Stück Zeit“
16 Zusatzprotokoll zu § 35 des Einigungsvertrages
17 1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, S38f
18 Christel-Lehmann-Enders u. Ute Henschel: Das Spreewalddorf Lehde, S. 15
19 1. Bericht der BRD gem. Art. 15, Abs. 1 der Europ. Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, S93ff
20 Pogrom Nr. 3/2005
22 1. Bericht der BRD gem. Art. 25, Abs. 1 des Rahmenabkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten (1999)
23 dapd 24. 5. 2012

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