Mehrere Aktualisierungen -, letzte Aktualisierung März 2021
1. Vorwort – Einführung
Wenn der FC Barcelona – auch bekannt unter dem
Kurznamen Barça – mit seiner weltweit bekannten Fußballmannschaft im Stadion
Camp Nou vor mehr als 90.000 Zuschauern spielt, erschallt nach genau 17 Minuten
und 14 Sekunden der donnernde Ruf „In-Inde-Independència“. Mit diesem Ruf nach
Unabhängigkeit will man der ganzen Welt mitteilen: „Wir sind keine Spanier, wir
sind Katalanen“. Dazu wird ein Meer von katalanischen Fahnen mit 5 goldgelben
und 4 roten Streifen geschwenkt. Das
bedeutet für jeden Barça-Fan Gänsehaut pur.
Dieser Ruf ist umso lauter, wenn es
gegen den Erzrivalen in der spanischen Meisterschaft - Real Madrid - geht, denn
ein Sieg gegen Madrid ist auch immer ein politischer Sieg.
Zur Bedeutung der Zahlen 17 + 14 siehe unter 4.Geschichte.
Dieser Post soll daher etwas mehr Hintergründe zu
den Bestrebungen der Katalanen nach mehr Autonomie bzw. Unabhängigkeit liefern,
denn man muss wissen, dass dieses Streben eine lange Geschichte hat.
2. Lage und Zahlen
Am bedeutendsten und bekanntesten ist für viele
Ausländer die heutige spanische Region Katalonien, aber katalanische Sprache
und Kultur ist nicht auf dieses namensgebende Gebiet beschränkt. Dies
verdeutlichen die folgenden Karten und Zahlen:
|
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Katalanische_Sprache
|
Karten: Katalanische Sprach- und Dialektgebiete
Tabelle: Gebiete, in denen die Katalanische Sprache
Amtssprache ist
Gebiet
|
Einwohner
|
Katalanisch sprechende
|
%
|
Katalonien
|
6.502.880
|
5.698.400
|
87,6
|
Valencia
|
3.448.368
|
2.407.951
|
69,8
|
Balearen
|
852.780
|
706.065
|
82,8
|
Andorra
|
62.013
|
57.395
|
92,6
|
Alguer
|
34.525
|
26.000
|
75,3
|
Gesamt:
|
10.900.566
|
8.895.811
|
81,6
|
Die Zahlenangaben sind allerdings sehr schwankend,
weil man oft nicht zwischen Muttersprachlern und katalanisch sprechenden bzw.
katalanisch verstehenden differenziert bzw. überhaupt differenzieren kann. Kennzeichnend
dafür ist eine Erhebung der balearischen Regionalregierung aus dem Jahre 2003, die ergab z. B., dass ca.
jeweils die Hälfte der Einwohner der balearischen Inseln über 15 Jahren
katalanisch und spanisch als Muttersprache angaben, 93 % der Befragten gaben an katalanisch zu
verstehen, 74,6% es zu sprechen, 79,6% es lesen und 46,9% es schreiben zu
können.
Man kann wohl mit Sicherheit davon
ausgehen, dass es im gesamten katalanischen Sprachgebiet mindestens 6 Millionen katalanische Muttersprachler und
ca. 12 Millionen Menschen gibt, die täglich mehr oder weniger aktiv Kontakt mit
der Sprache haben, sie sprechen oder zumindest gut verstehen. Damit ist das
Volk der Katalanen eindeutig die größte Minderheit in Europa mit einem
geschlossenen Siedlungsgebiet. Die Zahl der katalanischen Muttersprachler ist
größer als die Zahl der Einwohner von 12 souveränen Mitgliedsländern der EU.
Genau genommen darf man allerdings nicht sagen, es sei eine Minderheit ohne
Staat, denn in dem kleinen Staatsgebiet von Andorra ist Katalanisch offizielle
Landessprache.
Wie die Karten und die Tabelle verdeutlichen, geht
das katalanische Sprachgebiet weit über die spanische Region Katalonien hinaus.
Im einzelnen gehören folgende Gebiete zum katalanischen Sprachgebiet, zu den so
genannten Katalanischen Ländern (Països
catalans):
2.
2.1 Andorra
Das 468 km2 große Staatsgebiet des unabhängigen
Andorra in den östlichen Pyrenäen, wo Katalanisch offizielle Amts- und
Landessprache ist. Daneben wird aber auch spanisch und französisch gesprochen
und verstanden.
Andorra ist offiziell ein konstitutionelles Fürstentum,
das auf ein Abkommen von 1278 gründet, das zwischen dem Bischof von La Seu d'Urgell (Seo de Urgel) und dem
Grafen von Foix geschlossen wurde und in dem festgelegt wurde, dass sich beide
die Herrschaft teilen. So sind auch heute noch der Bischof von La Seu d'Urgell
und der französische Staatspräsident (als Nachfolger der Grafen von Foix)
gleichberechtigte Kofürsten (Staatsoberhäupter). Das Parlament besteht aus 28
Abgeordneten, wovon die Hälfte direkt und die andere Hälfte in jeder Gemeinde
(7 x 2 Sitze) gewählt werden. Das Parlament wählt den Regierungschef (“Cap
de Govern”).
Im Fürstentum leben heute ca. 77.000 Einwohner, von
denen nur noch ca. die Hälfte der alteingesessenen katalanischen Bevölkerung
angehören. Die andere Hälfte entfällt auf dort wohnende Spanier, Franzosen,
Portugiesen, Briten und auch 314 Deutsche sowie viele Personen weiterer
Staatsangehörigkeit. Es gibt 4
Tageszeitungen, 3 Rundfunkanstalten und ein Nationales Fernsehen (Andorra Televisó)
in katalanischer Sprache.
2.2 Region Katalonien
Die bereits
erwähnte autonome Region Katalonien (besehend aus den Provinzen
Barcelona, Tarragona, Girona und Lleida) mit der Hauptstadt Barcelona.
Katalanisch ist neben Spanisch (kastilianisch - castellano) Amtssprache. Seit 2006 ist neben diesen Hauptsprachen auch das Aranesische Amtssprache in ganz Katalonien. Aranesisch ist ein Dialekt des Okzitanischen und wird im Val d'Aran in den Pyrenäen gesprochen. Bei der Volkszählung 1996 gaben 65% der ca. 6.000 Einwohner des Tales d'Aran an, Aranesisch zu sprechen, 90% verstehen die Sprache.
Weitere Hinweise zur Sprachsituation und zur politischen Lage in der Region Katalonien siehe unter 5. Neuere Geschichte - heutige Situation und Perspektiven und 6. Neue Eskalation im Jahre 2017.
c. 2.3 Region Valencia
In weiten Bereichen der autonomen Region Valencia
mit der Hauptstadt Valencia wird Valencianisch gesprochen, das zum
Katalanischen gehört und hierzu einige Abweichungen hat. Valencianisch
(katalanisch) ist neben Spanisch Amtssprache.
d 2.4 Region Balearische Inseln
Die autonome Region der
Balearischen Inseln (Mallorca, Ibiza, Menorca, Formentera). Auch hier
sind Katalanisch und spanisch gleichberechtigte Amtssprachen. Auf den einzelnen
Inseln werden spezifische Dialekte des Katalanischen gesprochen
(Mallorquinisch, Menorquinisch, Ibizenkisch). Zum Gebrauch des Katalanischen siehe oben unter 2. Lage und Zahlen.
e
2.5 Franja de Ponent – östliche Gebiete
der Region Aragonien
Die östlichen Randgebiete (der Gebietsstreifen von
Franja de Ponent und die Stadt Fraga) der Region Aragonien gehören ebenfalls
zum katalanischen Sprachgebiet. Im „Sprachengesetz von Aragón“ (Ley de Lenguas
de Aragón), vom 9. Mai 2013 hat das aragónesische Regionalparlament die katalanische
Sprache für den eigenen Regierungsbereich als Lengua aragonesa propia del
área oriental (LAPAO) bezeichnet
f. )
2.6 Nord-Katalonien (Catalunya del Nord)
Auf französischem Territorium liegt das Département Pyrénées-Orientales, auch als Nord-Katalonien (Catalunya del Nord) bezeichnet
und besser bekannt als Roussillon (Rosellò) mit der Hauptstadt Perpignan
(Perpinyà). Das Rosellò war einst Teil des Königreichs von Malllorca und fester
Bestandteil der katalanischen Länder. Nach einem Krieg zwischen Frankreich und
Spanien im 17. Jahrhundert musste das Roussillon im sogenannten Pyrenäenfrieden
1659 an Frankreich abgetreten werden.
Frankreich verfolgte als Zentralstaat – wie im übrigen Land – eine rigide
Sprachpolitik, die dazu führte, das die Lage der katalanischen Sprache in
„Nordkatalonien“ nicht gut aussieht. Erst in den letzten Jahrzehnten konnte die
katalanische Sprache wieder etwas an Boden gutmachen. Für viele Erstklässler
gibt es zweisprachigen Unterricht und ca. 14% der Kinder besuchen die privaten
zweisprachigen sogenannten „La Bressola“-Schulen. Dieser Erfolg ist vor allem
der Initiative der Sprachbewegung „Federacio per la llengua i la cultura
catalanes“ zu verdanken. Trotz jahrhundertelanger Repressalien spricht immer noch eine Mehrheit
von ca. 200.000 Einwohnern (von 362.000) im Département Pyrénées-Orientales
katalanisch.
g. 2.7 Alghero auf Sardinien
Die katalanische Sprache in der Stadt Alghero (katalanisch: L’Alguer) im Nordwesten
Sardiniens geht auf das Jahr 1354 zurück, als das Haus Aragon die Stadt
eroberte und zur Festung ausbaute. Der König von Aragon schickte katalanische
Untertanen aus Barcelona als getreue Außenposten nach Sardinien. Von den ca.
44.000 Einwohnern sprechen noch heute ca. 18.000 den katalanischen Dialekt von
Barcelona, durchsetzt mit Sardismen und Italianismen. Die Sprache ist aber,
trotz entsprechender Richtlinien zum Minderheitenschutz in der italienischen
Verfassung, vor Ort nur schwach geschützt. Verschiedene Vereinigungen fördern
die Sprache und die Kultur, wie z. B. das Maria-Montessori-Zentrum
und das Kulturwerk von Alghero. Die katalanischen Einwohner von Alghero sprechen
natürlich neben ihrer Muttersprache auch
Italienisch und verstehen zumindest die lokalen sardischen Dialekte.
3. Sprache und Kultur
Die katalanische Sprache (català) gehört zur
Familie der romanischen Sprachen. Am nächsten ist sie mit dem Okzitanischen in
Südfrankreich verwandt, jedoch bestehen auch große Ähnlichkeiten zum Spanischen
(Castellano), Französischen und Italienischen. Entgegen
der Propaganda z. Zt. Francos handelt es sich um eine eigenständige Sprache und
nicht um einen Dialekt des Spanischen.
Die katalanische Sprache entwickelte sich wie die
anderen romanischen Sprachen aus dem Vulgärlatein, d. h. dem Latein wie es im
Nordosten der Iberischen Halbinsel und im Süden Frankreichs beiderseits der
Pyrenäen gesprochen wurde. Nach dem Zerfall
des Weströmischen Reiches und im Zuge der großen germanischen Völkerwanderungen
sind es die Westgoten, die vom 5.-7.Jh. weite Teile der iberischen Halbinsel
beherrschen. Im 8.Jh. erobern die Araber das Land. Aber schon 785/803 werden
Girona und Barcelona befreit und es entwickelt sich in dieser Zeit die
katalanische Sprache. Nach Vereinigung der Grafschaft Barcelona mit dem Königreich Aragon 1137 zur "Krone
Aragon" und im Laufe der "Reconquesta" erobern katalanische
Heere, vor allem unter Führung von Jaume I. el Conqueridor, zwischen 1229 und
1235 die Balearen und 1238 València. In den nachfolgenden Jahrhunderten erlangt
die Krone von Aragon eine Vormachtstellung im westlichen Mittelmeer. (siehe
auch unter 4. Geschichte) Katalanisch ist in jener Zeit verbreitete offizielle
Verwaltungssprache. Die ersten, z.T. noch fragmentarischen katalanischen Texte
stammen aus dem 12.Jh. Begründer
der katalanischen Schrift- und Prosasprache war der Philosoph, Wissenschaftler
und Schriftsteller Ramon Llull (lat. Raimundus Lullus, ca.1235-1316). Durch
ihn, der als erster ein relativ reines Katalanisch schrieb, wird das
Katalanische zur ersten romanischen Sprache, in der philosophische und
wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben wurden. Die Zeit zwischen 1350 und
1500 kann als das Goldene Zeitalter der katalanischen Literatur gelten. Die weitere Entwicklung siehe unter 4. Geschichte.
Es gibt eine reichhaltige Literatur in
katalanischer Sprache - rund
1500 Autoren schreiben in dieser ca. 1000 Jahre alten Sprache Katalanisch. Ein
Drittel der Verlage in Spanien publizieren ihre Werke in Katalanisch. Es gibt zahlreiche Tageszeitungen in katalanischer Sprache, so z. B. die in
Barcelona erscheinenden Blätter AVUI und El Periòdic und die Zeitung Diari de Balears auf den
balearischen Inseln Außerdem gibt es Fernsehsender, die
Katalanisch senden, in Katalonien ist es der Sender TV3 und in
Valencia Canal 9. Dazu kommen zahlreiche lokale Rundfunksender.
Vor
allem in Katalonien und auf den Balearen – aber auch in den anderen Gebieten
der katalanischen Sprache - ist diese ein wesentliches Identitätsmerkmal.
Darüberhinaus gibt es viele weitere kulturelle Besonderheiten. So werden in
rund 5000 folkloristischen Vereinen die traditionellen Bräuche gepflegt. Bei
den vielen Dorffesten werden Drachen, Teufel, Riesen (sogenannte „Dickköpfe“)
durch die Straßen getragen und vor allem bildet man die sogenannten Castells,
das sind Menschenpyramiden, deren Aufbau nach bestimmten örtlichen Regeln
erfolgt und oft im Wettbewerb verschiedener Gruppen gebildet werden. Seit dem 16. November 2010 gehören sie
zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO.
Katalonien_Castells
Eine bedeutende
Rolle für die Kultur der Katalanen spielt die Benediktinerabtei Santa
Maria de Montserrat . Sie liegt auf 721 Metern Höhe etwa 40 km
nordwestlich von Barcelona. Heute leben dort etwa 80 Mönche. Im Kloster wird
die aus dem 12. Jahrhundert stammende Mariendarstellung „Unsere liebe Frau von Montserrat“, im Volksmund
La Moreneta („Die Braune“ – auch schwarze Madonna) genannt, von
zahlreichen Wallfahrern verehrt. Als bedeutendes Zentrum katalanischer Kultur
ist Montserrat auch über die katholische Kirche hinaus von hoher symbolischer
Bedeutung.
Hier wurde auch in den Jahren der Franco-Herrschaft català gesprochen,
Oppositionelle trafen sich hier und organisierten den Widerstand. Im Museum
finden sich wichtige Objekte zur Archäologie des Heiligen Landes, liturgische
Gegenstände und Gemälde von bedeutenden Künstlern wie El Greco, Caravaggio,
Luca Giordano, Tiepolo, Claude Monet, Edgar Degas, Pablo Picasso, Ramon Casas i
Carbó oder Salvador Dalí.
Montserrat - Quelle: https.www.heiligenlexikon.de
Katalonien
ist wie die übrige Mittelmeerküste uraltes Siedlungs- und Kulturland. Nach
Karthagern und Griechen nahmen die Römer nach einem Sieg über Karthago 218 v.
Chr. das heutige Katalonien in Besitz. Im Bereich des heutigen Barcelona
entstand Barcino und auf dem Gebiet des heutigen Tarragona die Siedlung
Tarrago. Von der römischen Zeit zeugen viele Denkmäler wie das Amphitheater von
Tarragona
Nach
dem Zusammenbruch des Römerreichs eroberten die Goten das Gebiet und machten
Barcelona zu ihrer Hauptstadt. Es folgte die Invasion der Mauren und das Ende
des Westgotenreichs. Ein weiteres Vordringen der Mauren wurde durch den Sieg
der Karolinger unter Karl Martell in der Schlacht bei Tours und Poitiers 732
verhindert. Für Karl den Großen und die Karolinger bildete in der Folge
Katalonien eine Pufferzone zum Maurenreich. Hier konnten die Grafen von
Barcelona in der Folge ein autonomes Königreich begründen. Wilfried I (gest.
897), genannt der Haarige, gilt daher als der Gründer Kataloniens. Nach einer
zwischenzeitlichen Vormacht Frankreichs verweigerte Borrell II (947 – 992) im
Jahre 988 die Erneuerung des Vasalleneids gegenüber dem König von Frankreich,
wodurch die Unabhängigkeit Kataloniens hergestellt wurde. Der übernächste
Nachfolger Ramòn Berenguer I (1035 – 1076) gab dem Land ein eigenes
Rechtssystem (die Usatges = Gewohnheiten).
Einer seiner Nachfolger Ramon Berenguer IV heiratete 1137 die Infantin
Petronila von Aragon, wodurch es zur Vereinigung des Königreichs von Aragon und
der Grafschaft Barcelona kam, beide Länder aber ihre eigene Verwaltung
behielten. 1258 erkannte auch der französische König Ludwig IX formell die
Herrschaft Aragons an und verzichtete auf seine Ansprüche. In der Folgezeit
blühte Katalonien unter den Königen von Aragon zu großer wirtschaftlicher Blüte
auf und wurde eine bedeutende Seemacht im westlichen Mittelmeer. Katalanisch wurde die offizielle Hof- und
Gelehrtensprache. Die Literatur blühte. Der katalanische Ritterroman
"Tirant lo Blanc" galt als das beste Buch der Welt. Valencia, die Balearen, Sardinien und
Sizilien gehörten bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts zum Königreich von Aragon.
Das
Jahr 1469 ist eine erste und entscheidende Zäsur für die katalanischen Länder,
denn Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien heirateten und damit wurde
ein Großteil Spaniens unter einer Krone in Personalunion vereint. 1513 kam auch
das Königreich Navarra unter diese gemeinsame Krone und 1516 wurden alle 3
früher unabhängigen Gebiete als Königeich Spanien vereint. In der Folge gingen
viele Privilegien Kataloniens und seine wirtschaftliche Potenz verloren. So kam
es zwischen 1640 und 1652 im sogenannten „Krieg der Schnitter“ zum
Volksaufstand in Katalonien gegen den spanischen König. Frankreich unterstützte
den Aufstand und kurzzeitig wurde eine katalonische Republik unter der
Schirmherrschaft Frankreichs ausgerufen. Die folgenden Auseinandersetzungen
zwischen Spanien und Frankreich wurden im sog. Pyrenäenfrieden 1659
beigelegt - auf Kosten Kataloniens, das
geteilt wurde. Die nordkatalonischen Gebiete des Roussillon gehören seitdem zu
Frankreich.
Die
nächste entscheidende Zäsur für Katalonien brachte der Spanische Erbfolgekrieg.
Hinsichtlich Spanien konnte sich Frankreich durchsetzen und Philipp V aus dem
Hause der Bourbonen als spanischen König einsetzen. Die Katalanen hatten auf
die falsche Partei des Habsburger Thronprätendenten Erzherzog Karl gesetzt und
standen nun isoliert den Franzosen und Spaniern gegenüber. Gegen Ende dieser
ganz Europa umfassenden kriegerischen Handlungen wurde Barcelona, das sich
weiter tapfer gegen die Oberherrschaft Spaniens wehrte, belagert und am 11.
September 1714 von den vereinten Armeen der bourbonischen Könige Frankreichs
und Spaniens erobert. Dieses Datum hat sich fest im kollektiven Gedächtnis und
Bewusstsein der Katalanen verankert
(siehe Einleitung – FC Barcelona), denn danach wurde Katalonien fest in den
spanischen Zentralstaat eingebunden, alle regionalen Institutionen und
Privilegien wurden aufgehoben und die katalanische Sprache in der
Öffentlichkeit verboten, Seitdem war der 11. September in Katalonien
(inoffizieller) nationaler Trauertag und nach der Franco-Diktatur wurde er in
der Region Katalonien offizieller Staatsfeiertag der Region.
Begünstigt
durch die europäische Romantik kommt es im 19. Jahrhundert trotz der
Einwirkungen des Zentralstaats zu einem neuen Aufblühen der katalanischen
Sprache und Kultur, die sogenannte Renaixença. Es entstehen viele
Veröffentlichungen und literarische Werke aller Richtungen in katalanischer
Sprache. Durch eine Sprachreform im Jahre 1907 unter besondeerem Einfluss von
Pompeu Fabra (1868 – 1948) wird eine Normierung der katalanischen
Schriftsprache durchgeführt, die zur Stärkung der katalanischen Identität beiträgt. Parallel
dazu entwickelt sich Katalonien zur wichtigsten Industrieregion Spaniens, was
allerdings den Zuzug vieler Nicht-Katalanen aus anderen Gebieten Spaniens – vor
allem Andalusiens – zur Folge hat
Nach
Errichtung der spanischen Republik im Jahre 1931 erhält die Region wieder einen
Autonomie-Status innerhalb Spaniens. 1932 beschließt
die Cortes, das Parlament in Madrid, das Autonomiestatut. Es sicherte
Katalonien eine eigene Landesregierung, Generalitat genannt, ein eigenes
Wirtschaftsbudget und Kulturhoheit zu. Leider dauerte die gewonnene Freiheit nur für kurze Zeit. Lluis Companys war von 1934 bis 1940 Regierungschef in Katalonien. Bereits im Oktober 1934 wurde er verhaftet, weil er einen katalanischen Staat ausgerufen hatte. Zwei Jahre später - 1936 - kam er nach dem Wahlsieg der Linken in Spanien wieder frei.
Im
folgenden spanischen Bürgerkrieg 1936 – 1939)
unterliegen die Republikaner den Truppen des Faschisten Franco, der die
Autonomie Kataloniens wieder aufhob und die katalanische Sprache wiederum in
der Öffentlichkeit verbot und ihren Gebrauch rigoros unterdrückte. Companys ging nach der Besetzung Barcelonas durch Franco-Truppen nach Frankreich ins Exil. Dort wurde er 1940 festgenommen und an Spanien ausgeliefert. Das Franco-Regime machte ihm wegen "Unterstützung einer Rebellion" den Prozess, verurteilte ihn zum Tode und ließ ihn in Barcelona hinrichten. Heute ist er Volksheld in Katalonien, viele Straßen und Plätze und das Olympia-Stadion von Barcelona sind nach ihm benannt.
Spanien
war in der Franco-Zeit (1939-1975) ein zentralisierter Staat, der jede Äußerung
eines regionalen Selbstbestimmungsrechts brutal unterdrückte. Das hinderte die
Katalanen aber nicht, weiterhin ihre Sprache zu pflegen und während der
gesamten Zeit der Franco-Diktatur demonstrativ zivilen Ungehorsam zu leisten,
z. B. indem man offizielle Formulare in katalanischer Sprache ausfüllte. - Welch viele Parallelen zu heute!
5. Neuere Geschichte - heutige Situation und Perspektiven
Nach dem Tod Francos (1975) kehrt Spanien zurück
zur Demokratie. Am 29. 12. 1978 hatte das spanische Parlament eine durch
Referendum bestätigte neue Verfassung beschlossen, die bis heute gilt. Die neue
Verfassung von 1978 schreibt vor, dass kulturelle Eigenheiten der verschiedenen
autonomen Gemeinschaften zu schützen sind. Katalonien und das Baskenland waren
die ersten Regionen Spaniens, die ein Autonomiestatut erhielten. Allerdings
waren die entsprechenden Bestimmungen über die unterschiedlichen Regionen und
Nationalitäten Spaniens nicht eindeutig, wodurch das Verhältnis zwischen
Zentralstaat und Regionen – besonders den sprachlich abweichenden Regionen
Katalonien und Baskenland – nach wie vor mit großen Konflikten belastet ist.
Dies liegt vor allem an Art. 2 der Verfassung, der sowohl die „unauflösliche
Einheit der spanischen Nation“, als auch das Recht auf Autonomie der
„Nationalitäten und Regionen“ bestätigt, ohne jedoch die Begriffe eindeutig zu
formulieren. Außerdem hat man den Regionen zwar bestimmte Rechte in ihrem
Zuständigkeitsbereich gewährt, verweigert ihnen aber eine Mitsprache an
gesamtstaatlichen Entscheidungen.
Spanien besteht heute aus 17 autonomen Regionen(Comunidades
Autónomas), – siehe nachstehende Karte –
die jedoch sehr unterschiedliche Kompetenzen und Rechte haben. In Katalonien wird z.B. bemängelt, dass die Regionen Baskenland und Navarra über uneingeschränkte Steuerhoheit verfügen und für die Leistungen des Zentralstaats nur eine Art Grundgebühr entrichten. Die beiden Regionen kamen in den Genuss dieser Privilegien, weil sie unter günstigen politischen Bedingungen diese 1978 vor Verabschiedung der Verfassung durchsetzen konnten, den Katalanen wurde dieses Recht später mit Hinweis auf die Verfassung verweigert.
Karte: Spaniens Regionen
Deshalb gibt es in Spanien sehr unterschiedliche regionale Autonomiestatute.
Gemäß Artikel 147 der
Verfassung sind die Autonomiestatute die Grundordnungen der Autonomen
Gemeinschaften. Da diese aber keine Verfassungshoheit besitzen, muss bei jeder
Statutänderung der Zentralstaat mitwirken. Es gibt auch kein allgemeines
Homogenitätskriterium für die Autonomiestatute. Von Anfang an wiesen die verschiedenen Gemeinschaften
unterschiedliche Zuständigkeiten auf, was zu einer außerordentlich hohen Zahl an Kompetenzkonflikten vor dem
Verfassungsgericht führte. In Bezug auf die Ungleichheit der Autonomen
Gemeinschaften wird deshalb im Fall Spaniens auch von einem „asymmetrischen
Staat“ gesprochen.
Nur Basken und Katalanen gelang es in den zurückliegenden Jahrzehnten politische Massenbewegungen zur Durchsetzung ihrer
„nationalen“ Rechte zu mobilisieren. Auch den Andalusiern gelang es, in einem neuen Statut die Bezeichnung "Nationalität" durchzusetzen und die Balearen wurden inzwischen als
„historische Nationalität“ anerkannt. In anderen Regionen – selbst in der
sprachlich besonders geprägten Region Galicien – gibt es nur wenig Wiederstand
gegen den zentralistischen Kurs Madrids. Hinsichtlich
der in Spanien häufig diskutierten Frage "Was ist eine Nation, was eine
Nationalität?" verweise ich auf meinen Post http://euro-ethnien.blogspot.de/2013/05/121-volk-nation-staat-definition-der.html
Am 30. 9. 2005 verabschiedete das katalanische
Parlament nach langen und leidenschaftlichen Diskussionen ein neues
Autonomiestatut mit einer Mehrheit von fast 90%. Die Verfassungskommission in
Madrid stellte jedoch fest, dass eine Reihe von Formulierungen nicht mit der
Verfassung von 1978 vereinbar sind. Die damals in Madrid regierenden
Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero einigten sich darauf im Jahre
2006 mit dem größten katalanischen Parteienbündnis CiU
(Convergència i Unió, „Konvergenz und Union“) auf einen überarbeiteten Entwurf,
der allerdings dem katalanischen Koalitionspartner ERC (Esquerra Republicana de
Catalunya, „Republikanische Linke Kataloniens“) zu viele Zugeständnisse
enthielt und nicht weit genug ging. Vor allem ging es allen katalanischen
Parteien um den Begriff der Nation und so hieß es im ursprünglichen Text:
„Katalonien ist eine Nation“. Demgegenüber lautete die Endfassung: „Katalonien
als Nationalität übt seine Selbstregierung in der Form einer Autonomen
Gemeinschaft in Übereinstimmung mit der Verfassung und mit dem vorliegenden
Statut aus, das seine grundlegende Identitätsnorm darstellt.“ Lediglich in der
Präambel wird noch ausgedrückt, dass sich Katalonien entsprechend dem Fühlen
und Wollen seiner Bürger als Nation definiert. Und in Artikel 8 wird Katalonien
als nationale Symbole die eigene Flagge, Hymne und ein Staatsfeiertag
zugestanden. Zur Gleichrangigkeit der Sprachen heißt es: „Das Katalanische ist
die offizielle Sprache Kataloniens“; „auch das Kastilische ist offizielle
Sprache.“ Der Kompromiss wurde vom spanischen Parlament mit großer Mehrheit
verabschiedet, aber die damals in der Opposition stehende Volkspartei (PP) beantragte
beim Verfassungsgericht eine Normenkontrollklage, um feststellen zu lassen, dass 114 von 223 Artikeln des neuen Statuts
als nicht verfassungsgemäß zu beanstanden seien. Das Gericht brauchte vier
Jahre, um schließlich 2010 ein für die Katalanen unbefriedigendes Urteil zu
fällen. Es stellte fest, dass 14 Artikel
verfassungswidrig sind und 27 weitere „verfassungskonform“ auszulegen seien.
Das Urteil löste in Katalonien große Empörung aus. Am 10. Juli
2010 kam es zu Massenprotesten. Mehr als eine Million Katalanen gingen auf die
Straße und demonstrierten für mehr
Autonomie – manche auch für die Unabhängigkeit. Insbesondere empörte die
Katalanen, dass die Richter die Einstufung Kataloniens als Nation in der
Präambel als ohne rechtliche Bindung herabstuften und demzufolge Katalonien
sich nicht als echte eigenständige Nation verstehen dürfe. Bereits im Dezember 2009 gab es symbolische
Referenden in 160 Gemeinden Kataloniens mit der Fragestellung, ob Katalonien
ein unabhängiger Staat der EU werden soll. Im September 2013 bildete sich eine
400 km lange Menschenkette durch ganz Katalonien, mit der Hunderttausende den
katalanischen Weg zur Unabhängigkeit forderten. Die Unzufriedenheit der Katalanen
gipfelte dann im November 2014 in einer nicht genehmigten
Volksbefragung zur Unabhängigkeit Kataloniens. Wie die katalanische
Regionalregierung in der Nacht nach der Auszählung fast aller Stimmen bekannt
gab, stimmten 80,7 Prozent in dem nicht bindenden Votum für die
Unabhängigkeit.
Regionalpräsident
Artur Mas sprach von einem "vollen Erfolg". Katalonien habe
"einmal mehr gezeigt, dass es sich selbst regieren will". Alle
Nationen der Erde hätten ein Recht darauf, über ihre Zukunft zu entscheiden.
"Wir möchten das für uns tun." Er bat die Weltgemeinschaft um Hilfe
und Unterstützung, insbesondere bei der Organisation eines legalen Referendums.
Die spanische Regierung wies
demgegenüber darauf hin, dass die Einheit des Landes in der Verfassung
festgeschrieben sei. Über eine Änderung des Grundgesetzes könne nur das gesamte
spanische Volk entscheiden. Die spanische Staatsanwaltschaft wollte sogar den
katalonischen Regierungschef und mehrere Minister vor dem obersten Gerichtshof
verklagen.
Seitdem
bleibt das Thema „Unabhängigkeit oder mehr Autonomie“ für Katalonien auf der
Tagesordnung. Der damalige katalanische Präsident Artur Mas wollte die Region Katalonien bis
2020 in die Unabhängigkeit führen. Pedro Grau, ein katalanischer
Schriftsteller, der in Deutschland lebt, weist darauf hin, dass spanische
Beamte, die in Katalonien eingesetzt werden – z. B. Richter – nicht verpflichtet
sind Katalanisch zu sprechen und zu verstehen. Er meint, es sei doch z. B.
unvorstellbar, dass Schweizer Richter in Genf oder Lugano eingesetzt werden,
ohne französisch oder italienisch zu verstehen.
Die
Frage des künftigen Status von Katalonien bleibt offen, auch die Fragen, die sich durch eine Unabhängigkeit erst ergeben würden, z. B. ob dies
für Katalonien, die übrigen Katalanen und ganz Spanien und Europa sinnvoll und vorteilhaft ist.
Tatsächlich würde eine Abspaltung Kataloniens neue Probleme schaffen, die in
ihrem Ausmaß z. Zt. noch gar nicht zu überblicken sind. Nur beispielhaft sei
gefragt, was ist die Antwort der EU?, wie reagieren die Katalanen in den
übrigen katalanischen Ländern und Gebieten? Entsteht nicht in Katalonien eine
neue Minderheit der Spanisch-Sprachigen, die sich z. Zt. gut in Katalonien
aufgehoben fühlen? Ist nicht auch die Wirtschaftskrise Spaniens ein Motor der
Unabhängigkeit? Eine ganz neue Dimension
in der Frage der Unabhängigkeit könnten Protestparteien bringen, die bei der
Kommunalwahl am 24. 5. 2015 überraschend stark abgeschnitten haben.
Aus
vielerlei Gründen ist z. B. für den Historiker Joaquim Coll die Unabhängigkeit
keine Option. Er schlägt statt dessen eine tiefgreifende Verfassungsreform vor,
die einen spanischen Bundesstaat nach deutschem Vorbild vorsieht. Nach seiner Meinung
und der Ansicht seiner Unterstützer besteht das größte Problem Spaniens z. Zt.
darin, dass der Zentralstaat zu sehr in die Kompetenzen der Regionen hinein
regiere und die Regionen keinen politischen Einfluss auf den Zentralstaat
haben. Deshalb plädieren Coll und der
Politologe Cesáreo Rodríguez-Aguilera für die Schaffung einer zweiten Kammer,
eines Senats (entsprechend dem deutschen Bundesrat) mit eigenen Hoheitsrechten.
Diese und andere Kenner der spanischen Situation wollen die Anerkennung Kataloniens
als Nation, aber sie weisen darauf hin, dass diese Nation auch durch alle
Völker Spaniens geformt wurde. Der große Reichtum katalanischer Kultur bestehe
auch in der Tatsache, dass hier viele Identitäten harmonisch zusammen leben.
Diesem
Urteil kann ich mich nur anschließen und hoffen, dass die verantwortlichen
Politiker Spaniens – vielleicht unter dem Druck von innen und außen – den Weg
zu einer echten Föderalisierung Spaniens beschreiten. Wie
sich die Beziehungen zwischen dem spanischen Staat und den
verschiedenen Regionen und Nationalitäten weiter entwickeln werden ist
z. Zt. noch völlig offen.
Bei den Regionalwahlen am 27. 9. 2015 kamen die Allianz Junts pel Si (Gemeinsam fürs Ja) des katalanischen Regierungschefs Artur Mas auf 62 und die ebenfalls für eine Unabhängigkeit plädierende Linkspartei CUP auf 10 Mandate, das bedeutet eine absolute Mehrheit von72 der insgesamt 135 Mandate des Regionalparlaments. Die Spanische Regierung weist aber darauf hin, dass diese Mehrheit nicht die Mehrheit der Stimmen repräsentiert und nur durch die Wahlkreiseinteilung zustande kam. Dennoch verabschiedete das katalanische Parlament am 9. 11. 2015 eine Resolution zu Abspaltung der Region von Spanien mit dem Tenor, dass bis spätestens 2017 eine eigene unabhängige Republik Katalonien erstehen soll. Die spanische Zentralregierung hat daraufhin wie angekündigt sofort das Verfassungsgericht angerufen, um alle Aktivitäten hinsichtlich einer Unabhängigkeit Kataloniens stoppen zu lassen lassen. Erwartungsgemäß hat das spanische Verfassungsgericht die Resolution zur Eröffnung des Unabhängigkeits-Prozesses am 1. 8. 2016 für verfassungswidrig erklärt, was der Zentralregierung in Madrid die Möglichkeit einräumt, strafrechtlich gegen die Verantwortlichen in Katalonien vorzugehen.(17)
6. Neuere Entwicklungen seit 2017
Ungeachtet der harten Haltung der Madrider Zentralregierung setzte die katalanische Regionalregierung unter ihrem Präsidenten Puigdemont für den 1. Oktober 2017 ein Referendum über die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien an. Im Vorfeld demontrierten in der gesamten Region hunderttausende von Katalanen für die Unabhängigkeit. Siehe dazu das folgende Bild mit Demonstanten, die katalanische Fahnen schwenken.
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Demonstration mit katalanischen Fahnen - Quelle: Stern.de - bearbeitet |
Die Zentralregierung in Madrid unter dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy reagierte sofort mit Verboten und stufte das Referendem als illegal ein. Ein massives Aufgebot der spanisch Staatspolizei Guardia Civil wurde nach Katalonien entsandt, um die Wahl zu verhindern. Dabei kam es zu schweren Auseinandersetzungen.
Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont twitterte "Die
Zentralregierung in Madrid versuche, "Ideen einzusperren, aber sie machen
die Notwendigkeit von Freiheit größer", Tatsächlich liegt die Zuspitzung der Lage m. E. vor allem an der Starrköpfigkeit der Zentralregierung, die jeden Dialog über eine Reform der Autonomie verweigert, erst recht über eine Neuordnung des Staates hinsichtlich einer Mitsprache der Regionen an Entscheidungen des Zentralstaates. Die Einrichtung einer zweiten Kammer ähnlich dem deutschen Bundesrat hätte gewiss schon längst eine Entspannung gebracht. Ebenso ein Zugeständnis an die Katalanen, dass sie zumindest die gleichen Rechte bei der Finanzhoheit erhalten wie die Basken.
So kam es am 1. Oktober 2017 zu einem Referendem unter massiven Behinderungen durch den spanischen Zentralstaat. Wahllokale wurden gewaltsam durch spanische Polizisten geschlossen und Stimmzettel beschlagnamt. Dennoch wurde das Referendum durchgeführt, es verwunderte aber niemand, dass nur 43% der Bevölkerung Kataloniens an der Abstimmung teilnahmen. Diese sprachen sich mit 90% für eine Abspaltung Kataloniens von Spanien aus. Spaniens Ministerpräsident Rajoy bezeichnete die Abstimmung sofort als ungültig, lehnte jeden Dialog ab und veranlasste die Inhaftierung von Aktivisten der Abspaltungsbewegung wegen Rebellion
Der Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier seiner Minister entzogen sich der Verhaftung durch Flucht ins Exil nach Belgien.
Die Zentralregierung stellte die Region Katalonien zunächst unter Zwangsverwaltung durch den Zentralstaat, erlaubte aber Neuwahlen zum katalanischen Regionalparlament am 21. Dezember 2017. Dabei gab es wiederum ein Ergebnis, dass keine klaren Verhältnisse schaffte.
Die Parteien der Unabhängigkeit kamen bei minimalen Einbußen wiederum auf knapp 47,5% der Stimmen, während die Gegner der Unabhängigkeit zusammen auf 43% kamen.Hinzu kommt die kleine Linkspartei "En Comú" mit 8%, die zwischen den Fronten steht und für ein Einvernehmen mit der Zentralregierung plädiert. Wegen des katalanischen Wahlgesetzes haben die Befürworter der Abspaltung im Parlament jedoch wieder eine knappe Mehrheit mit 70 Sitzen, immerhin deutlich über der absoluten Mehrheit von 68 Sitzen. Auch
die Gegner einer Abspaltung von Spanien können mit dem Wahlergebnis
nicht zufrieden sein, allen voran die konservative Volkspartei (PP) des
Ministerpräsidenten Rajoy stürzte von 11 Sitzen auf nunmehr drei ab,
wahrlich eine Ohrfeige für Rajoy. Gewinnerin der Wahl ist die
Ciudadanos-Protestpartei mit 37 Mandaten, die für den Verbleib
Kataloniens bei Spanien plädiert. Dem gegenüber konnten die
katalanischen Sozialisten unter Miquel Iceta nur 1 Mandat hinzugewinnen.
Aber auch im Lager der Separatisten gab es große Verschiebungen. Einen
Denkzettel erhielt auch die linksradirale CUP-Partei, die sich in der
Vergangenheit besonders kompromisslos bei der Verfolgung der
Unabhängigkeit zeigte (nur noch 4 statt 10 Sitze). Dem gegenüber konnten
die Parteien von Puigdemont und Junquereas ihre Position ausbauen.
Der als Abgeordneter wiede gewählte Regionalpräsident Carles Puigdemont bleibt weiter im Exil in Belgien. Bei einer Einreise nach Deutschland wurde er aufgrund des internationalen Haftbefehls verhaftet. Das zuständige deutsche Gericht untersagte jedoch eine Auslieferung an Spanien wegen Rebellion. Daraufhin zog Spanien den internationalen Haftbefehl zurück. Puigdemont lebt seither wieder in Belgien im Exil. Puigdemont gab dem Spiegel (Ausgabe 33 v. 11. 8. 2018) ein Interview über seine Flucht, seine Zeit in deutscher Haft und die Zukunft der Unabhängigkeitsbewegung.
Wie kann eine Lösung der verfahrenen Situation aussehen?
Nach Bekanntgabe der Urteile gab es damals in
Barcelona tagelange Proteste und Unruhen.
Nun sprach das oberste Gericht am 28. 9. 2020 erneut ein Urteil, das den schwelenden Konflikt erneut zur Eskalation bringen kann. Es hat den Regierungschef der Region
Katalonien, Quim Torra, wegen Ungehorsams des Amtes enthoben. Das Oberste Gericht
Spaniens bestätigte ein entsprechendes Urteil des katalanischen
Oberlandesgerichts vom vergangenen Dezember, wonach Torra eineinhalb Jahre lang
kein öffentliches Amt bekleiden darf. Der Grund: Der 57-Jährige hatte sich vor
der spanischen Parlamentswahl vom 28. April vergangenen Jahres geweigert, am
Sitz seiner Regierung in Barcelona und an anderen öffentlichen Gebäuden Symbole
der Unabhängigkeitsbewegung zu entfernen, obwohl die Wahlbehörde dies
angeordnet hatte.
Entsprechend der gerichtlichen Mitteilung muss Torra das Amt des
regionalen Ministerpräsidenten an seinen bisherigen Vize, Pere Aragonès,
abtreten. Das wird nach Medienberichten innerhalb der nächsten sieben Tage
geschehen. Es gilt als sicher, dass Aragonès anschließend für Anfang 2021
Neuwahlen ausrufen wird.
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils kam es in Katalonien zu Protestkundgebungen. Selbst unabhängige Beobachter, wie der Universitätsminister der Zentralregierung, Manuel Castells, reagierten auf das Urteil mit Unverständnis und bezeichneten es als Provokation in einer ohnehin schon sehr komplizierten Lage. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, aber es könnte für Spanien und Katalonien erneut einen heißen Herbst geben.
Neue Situation nach den Regionalwahlen im Februar 2021?
Am 14.
Februar 2021 fanden in Katalonien erneut Wahlen zum Regionalparlament statt.
Das Ergebnis veranschaulicht die folgende Grafik.
Die
ersten Schlagzeilen und Kommentare in den Medien stellten vor allem heraus,
dass die Parteien für eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien wieder eine
deutliche Mehrheit im Regionalparlament errungen haben. Das Wahlergebnis
verdient aber eine weitergehende Analyse. Größte Zugewinne bei den Wahlen
verbuchten jedoch die in Madrid regierenden Sozialisten(PSOE), deren
katalanischer Zweig unter dem Namen PSC
mit dem spanischen Gesundheitsminister Salvador Illa als Spitzenkandidat
antraten. Sie konnten ihr Ergebnis von 2017 fast verdoppeln und haben nun 33
Sitze im katalanischen Regionalparlament, ebenso viele wie die moderaten
Separatisten von der ERC. Diese gewannen einen Sitz dazu, während die
kompromisslosere Separatisten-Partei JuntsxCat des früheren Regionalpräsidenten
Carles Puigdemont 2 Sitze einbüßte und nun mit 32 Abgeordneten knapp an dritter
Stelle steht. Zum Lager der Separatisten gehört noch die linksgerichtete CUP
mit 9 Sitzen, so dass die für eine Unabhängigkeit eintretenden Parteien mit
insgesamt 74 von 135 Abgeordneten nun eine klare Mehrheit haben. Wahrscheinlich
werden sie auch wieder eine Regierung bilden.
Damit
würde aber die Chance für eine friedliche Lösung des Katalonien-Konfliktes
vertan. Tatsächlich sind die Sozialisten zu Verhandlungen über eine weitergehende
Autonomie Kataloniens bereit und im Madrider Parlament sind sie auf die
Unterstützung durch die ERC angewiesen. Das gute Abschneiden der Sozialisten
und der moderateren Separatistenpartei ERC stärkte die Kräfte, die auf Verhandlungen
statt auf Konfrontation setzen. Eine Mehrheit für eine pragmatische Lösung wäre
also möglich. Dies umso mehr, als die größte spanische Oppositionspartei, die konservative
Volkspartei PP, die während ihrer Regierungszeit mit aller Härte gegen die
katalanische Unabhängigkeit vorging, bei den Regionalwahlen eine empfindliche
Niederlage erlitt und nur noch 3 Abgeordnete im Regionalparlament stellt. Auch die
liberale Ciudadanos-Partei büßte nach
einem Rechtsschwenk 30 ihrer bisher 36 Sitze ein. Davon profitierte allerdings
die rechtspopulistische VOX.
Es
bleibt zu hoffen, dass sich die moderaten und friedliebenden Kräfte
letztendlich durchsetzen und eine Befriedung der zerrissenen Region
herbeiführen. Dazu gehört einerseits der Mut der moderaten Separatisten, ihren
Wählern klar zu machen, dass eine völlige Unabhängigkeit illusorisch ist und
auf der anderen Seite der Mut der Sozialisten, den Katalanen eine wirkliche
Autonomie zu gewähren, die sich z. B. am Modell Südtirol orientiert.
http://www.spanien-bilder.com/katalonien/katalanische_sprache.php
http://de.wikipedia.org/wiki/Balearische_Inseln#Deutsche_BevölkerungsanteileBalearische
Inseln
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Andorra_node.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Alghero
http://www.romanistik.uni-freiburg.de/pusch/katalan.htm
http://www.planet-schule.de/spielederwelt/spiele/pyramiden/
https://de.wikipedia.org/wiki/Spanischer_Erbfolgekrieg
erschienen in APuZ – Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr. 36-37/2010 – v. 6. 9. 2010
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