1. Wichtiges Identitätsmerkmal eines Volkes: das gemeinsame Band der (Hoch-) Sprache
überarbeitete Fassung von Oktober 2018
Zweifellos ist die
gemeinsame Sprache eines der entscheidenden Merkmale eines Volkes und sie trägt
wiederum entscheidend dazu bei, das sich die Glieder eines Volkes als
Mitglieder einer gemeinsamen Kultur verstehen. (siehe 1.21 Volk, Nation, Staat - Definition der Begriffe und 1.22 Ethnien, Volksgruppen, nationale Minderheiten, Nationalitäten)
Josef Beuys hat deshalb
richtigerweise festgestellt: „....Der Begriff des Volkes ist auf eine
elementare Weise verknüpft mit seiner Sprache. Wohlgemerkt, ein Volk ist keine
Rasse“.[1] Der
bekannte französische Experte für nationale Minderheiten, Guy Héraud, bringt es auf den Punkt: „Die Sprache ist
die wichtigste unter den objektiven Komponenten des Volkstums...sie ist der
Mittler einer Kultur, sie ist der Spiegel der Empfindungswelt, sie erweist sich
als das Allerheiligste der ethnischen Werte“.[2]
Eine von mehreren Schautafeln zum Thema "Sprache" in Leeuwarden, der Hauptstadt der multilingualen niederländischen Provinz Friesland, der Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2018.
Und der bekannte amerikanische Linguist Benjamin Lee Whorf geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er feststellt: „Das Denken selbst geschieht in einer Sprache… Und jede Sprache ist ein eigenes riesiges Struktursystem, in dem die Formen und Kategorien kulturell vorbestimmt sind, auf Grund dessen der einzelne sich nicht nur mitteilt, sondern auch die Natur aufgliedert, Phänomene und Zusammenhänge bemerkt und übersieht, sein Nachdenken kanalisiert und das Gehäuse seines Bewusstseins baut.
Ernst von Glaserfeld, der Mitbegründer des Radikalen Konstruktivismus, ist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, wenn er schreibt, dass man mit einer Muttersprache stets so verbunden sei, dass die Art und Weise, in der diese Sprache die Erlebniswelt aufteilt, ordnet und bescheibt, selbstverständlich der wirklichen Wirklichkeit entspricht. Je tiefer ein Denker in seiner Muttersprache verankert ist, um so schwerer ist es für ihn, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass andere die Welt auf andere Weise sehen, kategorisieren und somit erkennen könnten. Ihn selbst habe seine Mehrsprachigkeit (er wuchs mit vier Sprachen auf) genau davor bewahrt und ihm die Einsicht ermöglicht, dass es verschiedene Wirklichkeiten gibt[3]
Eine von mehreren Schautafeln zum Thema "Sprache" in Leeuwarden, der Hauptstadt der multilingualen niederländischen Provinz Friesland, der Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2018.
Und der bekannte amerikanische Linguist Benjamin Lee Whorf geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er feststellt: „Das Denken selbst geschieht in einer Sprache… Und jede Sprache ist ein eigenes riesiges Struktursystem, in dem die Formen und Kategorien kulturell vorbestimmt sind, auf Grund dessen der einzelne sich nicht nur mitteilt, sondern auch die Natur aufgliedert, Phänomene und Zusammenhänge bemerkt und übersieht, sein Nachdenken kanalisiert und das Gehäuse seines Bewusstseins baut.
Ernst von Glaserfeld, der Mitbegründer des Radikalen Konstruktivismus, ist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, wenn er schreibt, dass man mit einer Muttersprache stets so verbunden sei, dass die Art und Weise, in der diese Sprache die Erlebniswelt aufteilt, ordnet und bescheibt, selbstverständlich der wirklichen Wirklichkeit entspricht. Je tiefer ein Denker in seiner Muttersprache verankert ist, um so schwerer ist es für ihn, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass andere die Welt auf andere Weise sehen, kategorisieren und somit erkennen könnten. Ihn selbst habe seine Mehrsprachigkeit (er wuchs mit vier Sprachen auf) genau davor bewahrt und ihm die Einsicht ermöglicht, dass es verschiedene Wirklichkeiten gibt[3]
Wilhelm von Humboldt betont,
dass die Verschiedenheit der menschlichen Sprachen auch eine Verschiedenheit
der Weltsichten mit sich bringt. Er sieht in der Sprache das Urvermögen des
Menschen, sich seine Welt zu bilden.[4]
Und der amerikanische Ethnologe und Linguist Edward Sapir stellt fest: „Wir
sehen und hören und machen überhaupt unsere Erfahrungen in Abhängigkeit
von den Sprachgewohnheiten unserer Gemeinschaft, die uns gewisse
Interpretationen vorweg nahelegen“.[5]
Der bekannte deutsch-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum macht eine
noch weitergehende Feststellung, auf die ich im Zusammenhang mit dem Thema Sprache für Europa/Verkehrssprache noch zurückkomme: „Jeder Mensch denkt in seiner
eigenen Sprache mit den ihr eigenen Nuancen. Die Sucht vieler Deutscher nach
englischen Brocken erzeugt dagegen Spracharmut, Sprachgulasch. Ideen können so
nicht entstehen“.[6]
2. Abgrenzung Hochsprache – Umgangssprache – Dialekt
Nicht nur große Völker
(Deutsche, Franzosen, Engländer, Italiener, Russen, Spanier einschließlich des
spanisch-sprachigen Südamerika u. a.) weisen in den verschiedenen Bereichen
ihres Sprachgebietes viele regionale Besonderheiten auf. So unterteilen wir z.
B. das deutsche Volk in Stämme, (Bayern, Schwaben, Sachsen, Holsteiner,
Westfalen, Alemannen u.a.) die unterschiedliche Dialekte sprechen. Die Dialekte
haben häufig wieder Untergliederungen bis hin zum Ortsdialekt. Siehe dazu
ausführliche Betrachtungen unter 1.232 „Die Deutsche Sprache“.
Als Beispiel für eine
kleinere Sprachgemeinschaft verweise ich auf das Dänische. Im Dänischen gibt es
bei ca 5,3 Millionen Muttersprachlern drei Hauptdialekte, nämlich Jütisch oder
Festlandsdänisch (das wiederum in Südjütisch = sonderjysk, Westjütisch und
Ostjütisch aufgesplittert ist), Inseldänisch mit dem Kopenhagener Dialekt, der
als Basis der Reichsdänischen Standardsprache dient, und Ostdänisch, das auf
Bornholm gesprochen wird und wiederum mit Südschwedisch (in Schonen) eng
verwandt ist. Hinzu kommt noch die Verwandschaft mit Schwedisch und Norwegisch.
Alle Sprecher dieser nordgermanischen Sprachen können gut miteinander
kommunizieren – es fehlt aber eine gemeinsame überdachende Hochsprache.
Die Wechselbeziehung
Dialekt zu Hochsprache nennen wir Diglossie. Unter Diglossie versteht man die
Koexistenz einer Hoch- bzw. Kultursprache, die in Behörden und Ämtern, der
Kirche, in der Rechtssprechung und in der Literatur verwendet wird und einer
Sprache des Alltags (Dialekt oder Umgangssprache). Wenn man diesen
Diglossie-Situationen nachgeht, stellt man fest, dass es eine reine Diglossie
selten gibt, sondern dass es sich meist eher um eine Polyglossie handelt. Je
nach Sprachsituation und Gesprächsteilnehmer wird vom Dialekt zur regional
gefärbten Umgangssprache oder zur Hochsprache gewechselt. Häufig spielen dabei
auch noch die sozialen Stellungen der Gesprächsteilnehmer eine wichtige Rolle.[7]
Das Kennzeichen einer
solchen Diglossie (Dialekt – Hochsprache) ist es aber, dass der Dialektsprecher
die Hochsprache nicht als Fremdsprache in Verhältnis zu seiner Muttersprache
(Dialekt oder Umgangssprache) wahrnimmt.[8]
Vielmehr ist er sich bewußt, dass die Hochsprache ein wichtiges Bindeglied auf
vielen Ebenen des Lebens darstellt, angefangen von der Alphabetisierung über
die Wissensaneignung in Schule und Weiterbildung, in der beruflichen
Kommunikation und besonders wichtig im kulturellen und religiösen Raum. Martin Luther
hat dies erkannt und mit seiner Bibelübersetzung einerseits die Ausbildung der
deutschen Hochsprache gefördert, andererseits damit aber auch die Vorausetzung
für eine schnelle Verbreitung seiner religiösen Thesen geschaffen. Auch
Zeitungen, Zeitschriften und Bücher konnten nur so an eine breite Leserschaft
gelangen. Mit der Industriealisierung im 19. Jahrhundert, den damit verbundenen
Wanderungsbewegungen und dem zunehmenden Handel in immer größeren
Wirtschaftsräumen, wuchs auch die Bedeutung der Hochsprachen.
Hinzu kam im 19.
Jahrhundert der Einfluss der Romantik. Beeinflusst insbesondere durch Johann
Gottfried Herder meinte man, dass die Volksseele und die Bindung an ein Volk
und eine Sprache im Menschen angelegt sei. Tatsächlich haben aber bei vielen
Völkern nur wenige „Erwecker“ dieser Volksseele eine echte Sprach- und
Kulturgemeinschaft geformt. Meist waren es Dichter, Philosophen, Historiker,
Philologen oder andere Intellektuelle. Es waren oft Sprachschöpfer am Werk, wie
der griechische Arzt Adamantios Korais (1748-1833), der aus der damaligen
griechischen Volkssprache und Elementen des Altgriechischen die moderne
Staatssprache Griechenlands entwickelte. Sprachschöpfer in diesem Sinne waren
auch der slowakische katholische Priester Anton Bernolak (1762-1813), der die
slowakische Grammatica slavica schuf und der serbische Dichter Vuk Stefanovic
Karadzic (1787-1864), der eine Volksliedersammlung, eine serbische Grammatik
und ein serbisches Wörterbuch verfasste. So wurden viele nationale Hoch- / Kultursprachen
erst im 19. Jahrhundert geschaffen und standartisiert. Im ersten italienischen
Parlament, das sich 1861 in Turin versammelte, sprach man noch französisch. Dem
Dichter Alessando Manzoni (1785-1873) ist es zu verdanken, dass er ein
volkstümliches lombardisches Geschichtswerk in eine überarbeitete toskanische
Hochsprache übertrug und dadurch aus der Umgangssprache des Florentiner
Bildungsbürgertums den Standard der italienischen Nationalsprache geschaffen
hat.[9]
Im 20. Jahrhundert hat
sich dieser Trend hin zur Hochsprache mit dem Vormarsch von Radio, Fernsehen
und digitalen Medien sogar noch verstärkt. Durch die Folgen des 2. Weltkriegs,
durch Vertreibung, Flucht, Aus- und Umsiedlung großer Bevölkerungsgruppen hat
sich die Notwendigkeit, die gemeinsame Hochsprache zu benutzen, auch als
wichtige integrierende Maßnahme gezeigt. Hinzu kam, dass lange Zeit im 20.
Jahrhundert der Dialekt als minderwertige Sprache betrachtet wurde und Eltern
bemüht waren, mit ihren Kindern nur die Hochsprache zu benutzen, um deren
späteres berufliches Fortkommen damit zu untestützen. Leider sind dadurch viele Dialekte verschwunden, vom Aussterben
bedroht oder zumindest rückläufig im Gebrauch – eine bedauerliche Entwicklung,
denn gerade die Vielfalt macht die Stärke eines Volkes aus.[10]
Inzwischen wurde diese Fehlentwicklung zwar erkannt, aber sie ist wohl kaum zu
korrigieren.
Probleme ähnlicher und dennoch verschiedener Art haben Migranten besonders der 2. und folgenden Generation, deren Haus- und Muttersprache die Sprache ihres Herkunftslandes ist, die in der Schule in Deutschland aber in der deutschen Sprache alphabetisiert werden. Hier ist es wichtig, dass diese Kinder zwischen beiden Sprachen unterscheiden lernen. Es ist wenig hilfreich, wenn ihre Eltern versuchen mit ihnen Deutsch zu sprechen, das zwangsläufig ein falsches Deutsch mit falschen Akzenten sein muss. Besser ist es, diese Kinder lernen zu Hause ein einwandfreies Türkisch und kommen früh im Kindergarten, in der Kindertagesstätte, im Sportverein und später in der Schule mit der deutschen Sprache in Berührung. Siehe dazu meinen ausführlichen Post Migration - Integration - Assimilation.
Probleme ähnlicher und dennoch verschiedener Art haben Migranten besonders der 2. und folgenden Generation, deren Haus- und Muttersprache die Sprache ihres Herkunftslandes ist, die in der Schule in Deutschland aber in der deutschen Sprache alphabetisiert werden. Hier ist es wichtig, dass diese Kinder zwischen beiden Sprachen unterscheiden lernen. Es ist wenig hilfreich, wenn ihre Eltern versuchen mit ihnen Deutsch zu sprechen, das zwangsläufig ein falsches Deutsch mit falschen Akzenten sein muss. Besser ist es, diese Kinder lernen zu Hause ein einwandfreies Türkisch und kommen früh im Kindergarten, in der Kindertagesstätte, im Sportverein und später in der Schule mit der deutschen Sprache in Berührung. Siehe dazu meinen ausführlichen Post Migration - Integration - Assimilation.
Aufgrund der vorstehenden
Entwicklungen ist zwar häufig ein Rückgang der Dialektsprecher zu beobachten,
aber umso mehr werden umgangssprachliche Formen der Hochsprache benutzt. Von
Sonderfällen (z.B. Deutsch-Schweiz) abgesehen, wird heute bei überregionalen
Anlässen die Hochsprache des Landes benutzt. Die genormte Form ist jedoch
häufig nur der Schrift vorbehalten (und dem Nachrichtensprecher in Funk und
Fernsehen). Im Unterschied zur Schriftsprache wird beim mündlichen
Gebrauch eine regionale „Einfärbung“
bei vielen Anlässen nicht als störend, sondern als bereichernd empfunden.
Allerdings muss man auch
feststellen, dass die Grenzen zwischen Dialekten und selbstständigen
Hochsprachen schwer zu definieren sind. Die Sprachwissenschaft liefert keine
eindeutigen Antworten und bei einer offiziellen Entscheidung spielen
sozio-psychologische und politische Faktoren eine Rolle. So hat man bei der
Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen darauf verzichtet,
eine Liste der europäischen Sprachen aufzustellen, weil man unnötige
Diskussionen befürchtete. Dies ist sicher eine Schwäche der Charta, zeugt aber
auch von politischem Realismus.[11]
Beispielhaft sei auf die Slawo-mazedonische Sprache hingewiesen, die von den
Bulgaren als ein Dialekt des Bulgarischen angesehen wird. An anderer Stelle
habe ich auf die Problematik hingewiesen, den moselfränkischen Letzeburger
Dialekt zur Staatssprache Luxemburgs zu machen.[12]
►Eine Delle im Auto bedeutet für den Deutschen einen kleinen Karosserieschaden. Im niederländischen ist „Del“ aber eine ordinäre, sittenlose Frau, eine Schlampe oder Nutte / Hure. Wenn man einem Niederländer also sagt: „Du hast eine Delle im Auto“, so wird der über eine solche angebliche Mitfahrerin sicher irritiert reagieren.
Bei entfernteren Sprachen wie deutsch und polnisch kommt hinzu, dass jede Sprache ein eigenes kulturspezifisches Bedeutungssystem hat. Darauf weist Izabela Bawej in ihrem lesenswerten Aufsatz „Der fremdsprachliche Fehler im Kontext der Kultur“ hin.[12a)]
Sprache ist zugleich die Kultur und das Produkt der Kultur des jeweiligen Sprachraums. So gibt es in jeder Sprache Sprichwörter, Phrasen, Aphorismen und Märchen / Sagen / Anekdoten, die Ausdruck der jeweiligen Sprachgemeinschaft sind. Bestimmte Wörter haben einen Bedeutungsinhalt, der anderen Sprachgemeinschaften fremd oder unbekannt ist. Denken wir nur an Deutsche Weihnachten, Deutscher Wald oder deutsche Gemütlichkeit, Begriffe die man mit ihrem spezifisch deutschen Inhalt in andere Sprachen nicht übersetzten kann. Siehe dazu meinen Post "Deutsche Sprache". Bestimmte Wörter oder Sätze kann man nur begreifen, wenn man den kulturellen Hintergrund kennt. Izabela Bawej schildert einige Beispiele Polnisch / Deutsch, wenn der Deutsch lernende Pole in einem Gespräch mit Deutschen versucht, bestimmte Redewendungen wörtlich zu übersetzen:
►“Jak cię widzą tak cię piszą“ wird zu „Wie du gesehen bist, so bist du beschrieben“ statt Kleider machen Leute
3. Beispiele kultureller Verschiedenheiten
Der
bereits erwähnte Benjamin Lee Whorf stellt in seinem Buch „Sprache – Denken –
Wirklichkeit“ fest, dass das Denken der Menschen aus verschiedenen Sprach- und
Kulturkreisen eine höchst rätselhafte Sache ist, über die man ausschließlich
durch das vergleichende Sprachstudium mehr erfahren kann. Dabei komme man zu
der Erkenntnis, dass die Formen des persönlichen Denkens durch unerbittliche
Strukturgesetze der eigenen Sprache
beherrscht werden.
Die
mit ihrer Sprache und Kultur aufgewachsenen Menschen denken und handeln nach
bestimmten Regeln, die für das Verstehen innerhalb der jeweiligen Gesellschaft
unentbehrlich sind. Wer eine Fremdsprache lernt, muss sich der Tatsache bewusst
sein, dass jede Sprachgemeinschaft anders denkt und die objektive Wirklichkeit
in ihrer Sprache anders ausdrückt. Wer eine Fremdsprache lernt und sich nur Vokabeln
und Grammatik einprägt, ohne die
kulturelle Tradition einer Sprachgemeinschaft kennen zu lernen, wird häufig
Kommunikationsprobleme haben und kann sich peinlichen Missverständnissen
aussetzen.
Um
dieses Phänomen zu verdeutlichen möchte ich nun einige Beispiele anführen.
Falsche Freunde (engl.: false friends, franz.: les faux amis)
Beim
vergleichen zweier oder mehrerer Sprachen treffen wir immer wieder auf Worte,
die eine gleiche oder ganz ähnliche Form haben, so dass man fälschlicherweise
glaubt, sie würden auch dasselbe bedeuten. Dies führt zur falschen Verwendung
und ist eine unversiegbare Quelle von sprachlichen Fehlleistungen und damit
Missverständnissen.
►
das englische „Exit“ ist uns als Ausgang oder „Emergency Exit“ (Notausgang) von
internationalen Flughäfen und Bahnhöfen geläufig. Im spanischen und
portugiesischen bedeuten aber el éxito /
o éxito das gute Gelingen, den glücklichen Ausgang (einer Sache)
►éventuellement
(franz.) und eventuell (deutsch) bedeuten „unter Umständen, möglich, etwaig“.
Im Englischen bedeutet „eventually“ jedoch „am Ende, schließlich.
►Das
deutsche Wort „Gift“ ist im englischen keineswegs eine gefährliche Substanz, sondern
der Empfänger freut sich über ein Geschenk. (im Deutschen erinnert an diese
Bedeutung noch das Wort „Mitgift“).
Falsche
Freunde lauern überall und gerade dort, wo sich Sprachen sehr ähnlich sind.
Wenn sich Deutsche und Niederländer, Italiener mit Spaniern, Dänen mit Schweden
oder Polen mit Tschechen unterhalten, begegnen sie den Gesprächspartnern immer
wieder und führen entweder zum Lachen oder zur Peinlichkeit.
►deutsch
Uhr ist niederländisch klok, während niederländisch uur deutsch die Stunde
bedeutet, aber im Deutschen sagen wir auch es ist 4 Uhr. Im Englischen dagegen steht
clock / o’clock für Uhr und Stunde.
Der
deutsche Struwelpeter wird im niederländischen zum Piet de Smeerpoets (oder
Smeerpoes) was rückübersetzt soviel wie Dreckfink, Dreckspatz, Schmierfink
bedeutet. Wer in Holland in einer Gaststätte einen sterke oder strak Max
(„Strammen Max“) bestellt wird ebenso
ungläubig angeschaut, wie der Holländer, der in Deutschland einen Rausschmeißer
(uitsmijter) ordert.
Alexandra
Kleijn hat in ihrem Blog https://www.buurtaal.de/blog/falsche-freunde
eine ganze Liste falscher
Freunde aufgeführt, die wechselseitig für Deutsch- und Niederländischsprachige
unbeabsichtigt zu komischen, manchmal auch peinlichen Situationen führen
können. Nur zwei davon möchte ich zitieren:
►
In Deutschland bellen
(meist) die Hunde, in den Niederlanden die Menschen. „Bellen“ heißt dort
nämlich telefonieren,
anrufen oder klingeln. Die
unterschiedliche Bedeutung kann in beiden Ländern für Erheiterung sorgen. Denkt
der Niederländer beim Ausdruck “Bellende Hunde beißen nicht” sofort an telefonierende
Haustiere, so ist der Deutsche sicherlich irritiert, wenn er den von
Niederländern gern benutzten Abschiedsgruß “We bellen” (wir telefonieren noch) hört.►Eine Delle im Auto bedeutet für den Deutschen einen kleinen Karosserieschaden. Im niederländischen ist „Del“ aber eine ordinäre, sittenlose Frau, eine Schlampe oder Nutte / Hure. Wenn man einem Niederländer also sagt: „Du hast eine Delle im Auto“, so wird der über eine solche angebliche Mitfahrerin sicher irritiert reagieren.
Bei entfernteren Sprachen wie deutsch und polnisch kommt hinzu, dass jede Sprache ein eigenes kulturspezifisches Bedeutungssystem hat. Darauf weist Izabela Bawej in ihrem lesenswerten Aufsatz „Der fremdsprachliche Fehler im Kontext der Kultur“ hin.[12a)]
Sprache ist zugleich die Kultur und das Produkt der Kultur des jeweiligen Sprachraums. So gibt es in jeder Sprache Sprichwörter, Phrasen, Aphorismen und Märchen / Sagen / Anekdoten, die Ausdruck der jeweiligen Sprachgemeinschaft sind. Bestimmte Wörter haben einen Bedeutungsinhalt, der anderen Sprachgemeinschaften fremd oder unbekannt ist. Denken wir nur an Deutsche Weihnachten, Deutscher Wald oder deutsche Gemütlichkeit, Begriffe die man mit ihrem spezifisch deutschen Inhalt in andere Sprachen nicht übersetzten kann. Siehe dazu meinen Post "Deutsche Sprache". Bestimmte Wörter oder Sätze kann man nur begreifen, wenn man den kulturellen Hintergrund kennt. Izabela Bawej schildert einige Beispiele Polnisch / Deutsch, wenn der Deutsch lernende Pole in einem Gespräch mit Deutschen versucht, bestimmte Redewendungen wörtlich zu übersetzen:
► „szewski
poniedziałek“ wird zu „Schusters Montag“ statt blauer Montag
►“pracować
jak wół“ wird zu „arbeiten wie ein Ochse“ statt arbeiten wie ein Pferd►“Jak cię widzą tak cię piszą“ wird zu „Wie du gesehen bist, so bist du beschrieben“ statt Kleider machen Leute
►Wenn
andererseits ein Pole aus deutschem Munde hört, dass er Schwein hat, muss er
wissen, dass diese Wendung bedeutet, dass er Glück hat. Polen, die nur geringe
Kenntnisse der deutschen Sprache haben, fühlen sich sonst entweder beleidigt (sie
meinen, dass man sie als Schwein bezeichnet hat) oder wundern sich, warum
jemand meint, er hätte ein Schwein als Haustier.
Besonders
schwierig ist es gute Dichtung und Literatur von einer Sprache in die andere zu
übertragen. Mario Wandruska [12b] schreibt: „Dichtung ist das schöpferische Spiel mit
der (Mutter-) Sprache, in dem jeder Laut, jede Silbe, jedes Wort, jeder Satz
und das ganze Werk so und nicht anders ihren besonderen Sinn ergeben." Als
Beispiel nennt er das aus sieben Silben bestehende Gedicht des Italieners
Giuseppe Ungaretti:
M’ILLUmino
D’IMMENSO
Er denkt dabei an einen Sonnenaufgang über
dem Meer, den Blick hinunter ins Tal und hinauf zum Horizont. Ingeborg Bachmann
hat dafür die bestmögliche deutsche Übersetzung gefunden:
Ich erleuchte mich
durch Unermessliches
Aber jeder Leser – auch wenn er die
italienische Sprache gar nicht kennt – wird erahnen, welche Unterschiede in der
Aussage und dem gefühlten Nachklang vorliegen. Um gute Übersetzungen leisten zu
können, muss man in zwei Sprachen leben, in einer zweifachen verstehenden
Mehrsprachigkeit. Geglückte Übersetzungen sind daher stets auch Neuschöpfungen,
die die kulturelle Verschiedenheit in der übersetzten Sprache einfangen und mit
neuem Leben füllen.
4. Welche Sprache für Europa? Englisch als Weltsprache?
So fragt Claude Hagège in seinem gleichnamigen Buch[13]
und fügt als Untertitel hinzu „Verständigung in der Vielfalt“. Dem kann ich
mich nur aus voller Überzeugung anschließen. Europa ist nicht Amerika, wo es
sicher richtig war eine gemeinsame Sprache für die unterschiedlichen
Einwanderer anzustreben (Englisch, spanisch, portugiesisch), zumal in allen
amerikanischen Staaten die vorhandenen einheimischen Sprachen schnell in der
Minderheit waren und zudem von den europäischen Einwanderern nur schwer zu
erlernen waren, auch waren sie zu zersplittert und es war kein Standard für sie
vorhanden.
Anders
in Europa, wo wir als Ergebnis der Geschichte eine Vielfalt gewachsener und
traditioneller Sprachen haben, die alle zur kulturellen Vielfalt unseres
Kontinents ihren mehr oder weniger großen Beitrag geleistet haben. Unter diesem Eindruck hat bisher die
Europäische Union die Sprachenvielfalt zu ihrer Grundlage gemacht, auch wenn
dies einen erheblichen Aufwand für den Übersetzungsdienst und die
Veröffentlichungen bedeutet. Deshalb kommt der bereits zitierte Claude Hagège zu dem Ergebnis, dass die Europäer neben ihrer
Muttersprache möglichst viele Fremdsprachen beherrschen sollten und führt
wörtlich aus: „Als Bürger eines vielsprachigen Kontinents müssen die Europäer
für die polyphone Botschaft der
menschlichen Sprachen aufnahmebereit bleiben. Das Hinhören auf den anderen, der
seine eigene Sprache spricht, ist die unabdingbare Voraussetzung, wenn man eine
konkrete Solidarität schaffen will.[14]
Es
gibt aber auch immer wieder Tendenzen, das Englische als verbindende oder gar
verbindliche Gemeinschaftssprache festzulegen. Leider vermisse ich hier
manchmal den entschiedenen Widerspruch der Deutschen (siehe meinen Post 1.232Deutsche Sprache“), aber auch der Franzosen, Spanier oder Italiener.
Erfreulicherweise unterstützte eine im Jahre 2008 von der
EU-Kommission einberufene Gruppe europäischer Intellektueller diese Tendenz
keineswegs,
Hans
Joachim Meyer schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift „Hirschberg“,[15]
dass
er als Anglist gewiss frei von jedem antienglischen Affekt sei. Dennoch sage er
voller Überzeugung, wäre ein Ruf nach einem „English only for Europe“
erfolgreich, dann wäre unser Europa bald eine Dependance des „American Way of
Life“. Er betont an anderer Stelle, dass die kulturelle Vielgestaltigkeit
Europas untrennbar verbunden ist mit seiner Mehrsprachigkeit. Kulturelle
Vielgestaltigkeit und Mehrsprachgkeit seien geradezu europäische
Wesensmerkmale. Dieser europäische Vorzug drohe unter dem imperialen Druck des
Englischen verloren zu gehen. Er stellt fest, dass die Brüsseler Kommission
linguistisch nicht besonders intelligent sei und diese Tendenz gedankenlos
unterstütze.
Vielmehr forderte diese Gruppe die Abkehr vom
Englischen als zentraler europäischer Verkehrssprache. Aus dem mit „Rettet das
Englische - Europäische Intellektuelle fordern den Verzicht auf die schwer
strapazierte Sprache“ übertitelten Artikel der Welt[16]
zitiere ich nachstehend:
Die Europäer sollten die sprachliche Vielfalt
ihres Kontinents nicht als Last, sondern als Reichtum begreifen und mindestens
eine "persönliche Adoptivsprache" als "zweite
Muttersprache" lernen. In den Beziehungen der EU-Staaten untereinander
solle auf Englisch als Drittsprache verzichtet werden.
Der englischen Sprache wird das gut tun.
Jedem ihrer wirklichen Liebhaber bereitet es doch Seelenqualen, dass sie von
allzu vielen unberufenen Mündern herumgekaut, entstellt und am Ende gedankenlos
ausgespuckt wird. Längst hat das Englische den Charakter einer Sprache
verloren. Es gilt zwar als Weltsprache, aber es ist nur noch ein allen
kulturellen und geschichtlichen Fleisches entkleidetes Kommunikationsmittel.
Und mit diesem Skelett einer Sprache bearbeiten sich Geschäftsleute, Politiker,
Wissenschaftler und ganz normale Touristen überall zwischen Ulan Bator und den
Bahamas. Es ist zum Fürchten.
Deshalb ist es uneingeschränkt zu begrüßen,
dass Europa sich nun endlich ermannt, diese "Kulturschande" zu
beenden. Deutsche und Franzosen sollen künftig deutsch und französisch
miteinander reden, Polen und Ungarn polnisch und ungarisch und so weiter.
Allerdings, das gehört zu Europa wie der Schimmel zum Gorgonzola, warnen die
europäischen Intellektuellen vor jeglichem Eurozentrismus. Heute sieht man ja,
wo man hinschaut, nichts als Migrationshintergründe. Die Europäer sollten also darüber
nachdenken, ob sie statt Lettisch oder Slowenisch lieber Arabisch, Kisuaheli
oder Mandarin adoptieren. Das wird ein Reichtum! Und das Englische kann sich
endlich erholen.
Dem ist nicht
nicht viel hinzuzufügen, außer der Anmerkung, dass es sicher richtig war aus
praktischen Gründen drei Arbeitssprachen für die EU festzulegen. Aber auch hier
kommt es darauf an, dass Französisch und Deutsch ihren Platz nicht gedankenlos
an das Englische abgeben.
Ein weiterer
Gesichtspunkt ist jedoch zusätzlich vor allem für Wissenschaftler zu beachten,
die das Ergebnis ihrer Arbeit inzwischen nicht in ihrer Muttersprache sondern
auch in Englisch publizieren. Auch sie tun damit weder sich noch der übrigen
Fachwelt einen Gefallen, denn im Grunde genommen publizieren sie nicht in
Englisch, sondern in „Globisch“. So nennt es Dpl. Ing. Oliver Baer in seinem
Buch[17].
Er sagt, dass die meisten Benutzer des Englischen ja keine Muttersprachler sind
und daher reden und schreiben, wie sie es können, es bleibt aber ein
beschränktes Englisch, das mit der englischen Hochsprache nicht in einem Topf
verrührt werden sollte.
Stattdessen
sollten Deutsche sich auf Deutsch besinnen. Der Aufwand für Englisch von der
KiTa bis zur Hochschule, das modische Geschwätz in Wirtschaft und Medien blockieren
nach Meinung Baers nur unsere Wahrnehmung der deutschen Sprache.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen sollten unbedingt in der Muttersprache
abgefasst werden, weil man nur in dieser denkt und umfangreich seine Gedanken
niederlegen kann. Wenn man darüberhinaus dann in Englisch publizieren möchte,
sollte man einen muttersprachlichen Übersetzer einschalten.
Selbst
der muss dann aber noch darauf hinweisen, dass Angelsachsen z. B. eine andere Einleitung gewohnt sind als wir
Deutschen. Ihre ist wie ein Plädoyer vor Gericht, unsere besteht aus einer
Begriffsbestimmung. Das guckt sich der Harvardkollege an und – legt es weg. Die
Angelsachsen denken anders als wir – nicht besser, nicht schlechter: anders!
Und wir müssen die Einleitung für sie neu schreiben.[18]
Es bleibt zu hoffen, das möglichst viele Politiker, Wissenschaftler und
Geschäftsleute sich diesen Appell zu Herzen nehmen und umdenken.
[2] Guy Héraud: „Die Völker als Träger Europas“ S. 17
[3] Benjamin Lee Whorf: „Sprache – Denken –
Wirklichkeit“ Rowohlt Taschenbuch 1985,
S. 52f -
Ernst von Glasersfeld: Wissen, Sprache und Wirklichkeit, Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus. Braunschweig/ Wiesbaden 1987, S. XII. – siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Glasersfeld
Ernst von Glasersfeld: Wissen, Sprache und Wirklichkeit, Arbeiten zum radikalen Konstruktivismus. Braunschweig/ Wiesbaden 1987, S. XII. – siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Glasersfeld
[4] zitiert
nach Mario Wandruszka: „Die Mehrsprachigkeit des Menschen“, S. 143
[7] Mario Wandruszka: „Die Mehrsprachigkeit des Menschen“
, dtv-Sachbuch, S. 24 u.a.
[8] Sprachenpolitik in Mittel- und Osteuropa, darin
Konrad Schröder: „Sprachen und Sprachenpolitik im Europäischen Haus“ , S. 113
[9] Diese Angaben fand ich in dem Buch von Hagen
Schulze: „Staat und Nation in der europäischen Geschichte“, Verlag C.H.Beck,
München 1995, S. 174-177
[10] Den bereichernden Einfluss der Dialekte auf die
deutsche Sprache siehe unter 1.232 Deutsche Sprache
[11] Volksgruppen im Spannungsfeld von Recht und
Souveränität in Mittel- und Osteuropa (Ethnos Schrift Nr. 40) S. 292
[13] Claude Hagège „Welche Sprache für Europa“
Campus-Verlag 1996
[16] Die Welt v. 1. 2. 2008, Eckhard Fuhr: Rettet das
Englische“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen