3.103 Roma in Osteuropa



1. Allgemeiner Überblick


In meinem Post 3.100 Roma in Europa - Punkt 1b und 5)  habe ich bereits auf die besondere Problematik der Roma in Osteuropa hingewiesen. Daher soll dieser Post ihre besondere Situation schildern, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Roma in allen Staaten Osteuropas  diskriminiert werden und der Großteil von ihnen am Rande der Gesellschaft lebt.
Auch in den osteuropäischen Staaten verstehen sich Roma weder als ein einheitliches Volk noch als  eine staatsübergreifende nationale Minderheit. Roma sind aufgesplittert in sehr differenzierte Gruppen und Sippen, je  nach Herkunft, Sprache,  handwerklicher Tätigkeit, Handel und sozialer Stellung. Aufgrund dieser Situation ist es auch sehr schwierig genauere Angaben über die  Zahl der Roma in den verschiedenen Staaten zu machen. Die offiziellen Zahlen  von Volkszählungen oder Landesstatistiken sind in der Regel wesentlich niedriger, als die Angaben von Minderheits-Organisationen oder anderen neutralen Stellen. Der Grund liegt darin, dass viele Roma aus Furcht vor Diskriminierung bei Volkszählungen oder Befragungen angeben, zur Mehrheitsbevölkerung zu gehören. Oft ist auch gar kein nationales oder ethnisches Bewusstsein vorhanden, da viele Roma in diesen Staaten auch nur die Sprache der Mehrheitsbevölkerung sprechen und ihre traditionelle Romanes-Sprache gar nicht oder nur passiv kennengelernt haben. Die folgende Karte gibt einen Überblick über die ungefähre geschätzte Zahl der Roma in osteuropäischen Staaten und farblich dargestellt ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung.
 

 

2. Geschichte

Zur Herkunft der Roma und ihrer Geschichte nach der Einwanderung nach Europa verweise ich auf meinen Post Roma in Europa.  Im 14. und 15. Jahrhundert eroberten die Osmanen nach und nach das oströmische Reich von Byzanz. Im Zuge dieser Eroberungskriege  siedelten sich immer mehr Roma aus dem byzantinischen Reich kommend auf dem Balkan an. Einige zogen weiter nach Norden. Um 1500 wurden die Fürstentümer Moldau und Walachei von den Osmanen erobert, später auch Serbien und Teile Ungarns. Die örtlichen Fürsten behielten aber eine gewisse innere Selbständigkeit, waren jedoch den Osmanen tributpflichtig. Um die Tributzahlungen aufbringen zu können, wurden in weiten Bereichen des Balkans Roma versklavt.  Dabei gab es allerdings zwei sehr unterschiedliche Sklavenarten:

a) sogenannte Haus-Sklaven = Vatrasch, die in Hausgemeinschaft mit ihren Herren als Diener, Haushaltshilfen und Arbeiter lebten und

b) den Tribut-Sklaven = Lajasch. Diese konnten sich im Land frei bewegen, aber durften kein Land erwerben. Sie lebten als umherwandernde Händler oder Handwerker von ihren Dienstleistungen. Dazu gehörten vor allem das Herstellen und der Verkauf von Haushalts- und Metallwaren, Reparaturen, Pferde beschlagen oder als Musiker oder Gaukler auftreten. Aus den verschiedenen Handwerks-Gruppen entstanden später Sippen wie z. B. als bekannteste die Kalderash (Kesselhersteller) . Einmal im Jahr, am Fest des Heiligen Dimutru mussten sie ihrem Herrn den fälligen Tribut zahlen, wobei es diesem egal war, wie sie das Geld aufbrachten. 

In Ungarn (einschließlich dem heutigen Siebenbürgen und der Slowakei) gab es zwar keine Sklaven, die dort lebenden Roma hatten aber im wesentlichen das gleiche Schicksal wie die Lajasch-Sklaven in den Fürstentümern Moldau und Walachei. In Ungarn bildete sich  die besondere Sippe der Lovara heraus (= Pferde-Beschläger von ungarisch Lo = das Pferd).

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ging der Einfluss der Osmanen zurück und die Fürstentümern Moldau und Walachei gerieten unter russischen Einfluss. 1850 wurde die Leibeigenschaft formal aufgehoben, aber aufgrund der Vergangenheit blieben die Roma weiterhin in ihrer benachteiligten Situation. Nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg 1856 endete die russische Vorherrschaft und 1862 wurden die beiden Fürstentümer Moldau und Walachei unter dem Namen Rumänien selbständig. Nach dem ersten Weltkrieg fiel Siebenbürgen und das östliche Banat an Rumänien. 
Deshalb besteht auch  heute noch ein großer Unterschied  zwischen den Roma in Alt-Rumänien (Moldau und Walachei) und den Roma-Gruppen in Siebenbürgen und dem Banat, die erst nach dem 1. Weltkrieg zu Rumänien kamen. Es leuchtet ein, dass die ehemaligen Haussklaven viel von ihrer Identität verloren haben und praktisch nur noch rumänisch als ihre Muttersprache beherrschen.
In der Zeit des Kommunismus fand eine weitere Entwurzelung der Roma durch Abwanderung vom Land in die Städte statt. In den sozialistischen Staatssystemen wurden alle Roma in den Arbeitsprozess eingebunden. Aufgrund mangelnder Bildung verrichteten Roma vor allem einfache Tätigkeiten im Bergbau, in der Bauindustrie, in der Ziegelproduktion, im Straßenbau und bei der Straßenreinigung. So kann man mit Recht die Roma als die größten Verlierer der Wende bezeichnen, denn - so makaber es klingt - unter den kommunistischen Regimen wurden sie zwar auch diskriminiert, aber sie hatten Arbeit in den staatlichen Betrieben. Nach der Wende und der Umstrukturierung der Wirtschaft gingen diese Arbeitsplätze als erste verloren, und die Roma waren die ersten, denen gekündigt wurde. Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes verarmten sie, konnten oft ihre Miete nicht bezahlen und gelangten so in die Slums am Rande der großen Städte.

3. Situation der Roma in den verschiedenen Staaten Osteuropas

Vorab verweise ich auf meinen Post https://euro-ethnien.blogspot.com/2013/01/3100-roma-und-sinti.html#more und dort vor allem auf den Punkt 5. Politische Situation und Perspektiven. Um die Lage der Roma in den Staaten Osteuropas zu verbessern, ist es notwendig, dass die EU ihr beschlossenes „Roma-Strategie“-Papier in den folgenden Jahren konsequenter als bisher umsetzt, um die Lage der Roma in den osteuropäischen Staaten entscheidend zu verbessern. Die prekäre  Situation der Roma in den verschiedenen Staaten Osteuropas schildere ich nun in den folgenden Abschnitten oder verweise auf die entsprechenden Länder-Posts.

3.1 Roma in Rumänien 

3.11 Lage und Zahlen

Besonders schwierig ist es, genaue Zahlenangaben zu den Roma-Angehörigen in Rumänien zu bekommen.
Bei der letzten Volkszählung im Jahre 2011 erkärten 619.007 Personen, zur Volksgruppe der Roma zu gehören, 2002 waren es 535.140[1]. Bereits Mitte der achtziger Jahre schätzten Experten  ihre Zahl auf 1 Million, heute schwanken die Schätzungen zwischen 2 und 3 Millionen. Eine andere Quelle geht sogar von einer Schwankungsbreite zwischen 2 und 5 Millionen Roma in Rumänien aus. [2]
Die Differenzen sind, wie im Übersicht-Blog  3.100 Roma in Europa und und oben unter 1. bereits angesprochen, sowohl mit der Furcht vor Diskriminierung,  als auch im fehlenden ethnischen Bewußtsein und mit mangelnder Bildung zu erklären.
Norbert Mappes-Niediek berichtet von Rosia bei Hermannstadt in Siebenbürgen, für jeden und alle aus den Nachbarorten klar und unmissverständlich ein Roma-Dorf mit 1200 Zigeunern und etwa 200 Rumänen. Bei der Volkszählung haben sich jedoch nur zwei Dutzend Einwohner als Roma deklariert. Manche sind zwar nicht im Melderegister verzeichnet, bekommen auch keine Sozialhilfe und ihre Kinder gehen nicht zur Schule, aber eine plausible Erklärung außer der Angst vor Diskriminierung und vor jeglicher Art von Erfassung kann keiner geben, obwohl ja die Diskriminierung durch die Selbstdeklaration nicht geringer wird.(3)
Dabei bilden auch in Rumänien die Roma keine Einheit. Sie sind zersplittert in viele Gruppen, die sich z. T. auch untereinander bekämpfen.  Die Roma in Alt-Rumänien (Moldau / Walachei) sprechen überwiegend rumänisch und nur zum Teil zusätzlich im Familienbereich Romani. Demgegenüber sind die Roma in Siebenbürgen und dem Banat in der Regel zwei- oder mehrsprachig. Sie sprechen neben ihrem Romani-Dialekt rumänisch und/oder ungarisch, früher häufig auch deutsch. Besonders schlecht ist hingegen die Situation der sogenannten Csángó-Ungarn (Roma, die die ungarische Sprache angenommen hatten. Sie leben im äußersten Nordosten Rumäniens - getrennt vom übrigen ungarisch-sprachigen Siebenbürgen. Sie sprechen heute kaum noch ihre Sprache und ihre Namen wurden romanisiert. Die rumänisch-katholische Kirche leistete bei der Assimilierung einen wichtigen Beitrag.

3.12 Heutige Situation

Erst durch die Zuwanderung vieler Roma nach dem Beitritt Rumäniens zur EU und der Öffnung der Grenzen ist vor allem das Armutsproblem der rumänischen Roma in den Blickpunkt der Deutschen und der Westeuropäer gerückt. Bevor man sich ein abwertendes Urteil aufgrund katastrophaler Verhältnisse in den Unterkünften der ungebetenen Zuwanderer bildet, sollte man die Ursachen bedenken, die diese Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen haben.  Da sie oft keine oder nur eine schlechte Schulbildung haben (um die Jahrtausendwende waren 44 % der Männer und 59 % der Frauen Analphabeten) ist ihre Chance auf einen Arbeitsplatz gering und so ist ein überproporzionaler Teil von ihnen arbeitslos.  Sie leben z. T. unter unwürdigen Bedingungen am Rande der Städte (teilweise in Unterkünften ohne Strom und fließendem Wasser) und werden bei vielen Gelegenheiten diskriminiert. Viele Kinder leben auf der Straße.[4] Eine ausführliche Schilderung dieser Verhältnisse geben die unter Fußnote  2  und 3 bereits angeführten Veröffentlichungen. Im Hauptblog 3.100 Roma in Europa ist unter Pkt.5 eine ausführliche Darstellung des Armutsproblems von Norbert Mappes-Niediek nachzulesen. Da die wirtschaftliche Situation auch für andere Rumänen nicht rosig ist, schüren autonome Nationalisten den Hass auf die Roma. Das schlechte Beispiel einiger Roma-Clanführer, die vor allem durch Schrotthandel reich wurden und den Reichtum zur Schau stellen, unterstützen mit ihrem Negativ-Beispiel die Rechtsaußen bei ihren Attacken auf die Roma als die angeblichen Schmarotzer der Gesellschaft. Besonders abstoßend fällt dabei eine Aktion dieser extremen Nationalisten auf, die jeder Roma-Frau eine Belohnung von 300 Lei (rund 70 Euro) versprechen, wenn sie einen von einem Arzt beglaubigten Sterilisationsnachweis vorzeigt.[5]

3.13 Perspektiven

Viele rumänische Roma sehen für sich und ihre Familie in Rmänien keine Perspektive, da sie in diesem Staat – bis heute mit stillschweigender Billigung der Behörden – diskriminiert und benachteiligt werden. Wie schon an anderer Stelle betont, muss seitens der westeuropäischen Regierungen viel mehr Druck auf die rumänische Regierung ausgeübt werden, diese Benachteiligungen zu beenden. Tatsächlich werden EU-Hilfsgelder von der rumänischen Regierung gar nicht abgerufen, zum Teil wegen der fehlenden Co-Finanzierung, zum Teil fehlt es am politischen Willen und zum Teil liegt es aber auch daran, dass es die Behörden in Rumänien nicht schaffen, entsprechende Projekte nach den EU-Vorschriften zu beantragen und  auf die Beine zu stellen (WAZ vom 14. 1. 2014). Hier wäre auch eine wirksame Hilfestellung vor Ort durch die EU vorzugeben und zu organisieren. Nach Ansicht vieler Kenner der örtlichen Szene ist vor allem Wert auf schulische und berufliche Bildung der Roma zu legen, weil hierdurch mehr erreicht wird, als wenn irgendwo Häuser für Roma gebaut werden, die zudem noch den Neid der übrigen Bevölkerung hervorrufen.


Dass durch gezielte wirksame Hilfe vor Ort die Situation verbessert werden kann und damit auch eine Ausreise nach Westeuropa unterbleibt, zeigen die Erfolge privater Hilfsorganisationen. So leben z. B. in dem früher überwiegend von Deutschen (Siebenbürger Sachsen) bewohnten Probstdorf (rumänisch Stejaris) in der Nähe von Hermannstadt (Sibiu) heute überwiegend Roma, die die Häuser der nach Deutschland gezogenen Siebenbürger Sachsen übernommen haben. Mit Hilfe der Stiftung Au-Ro (Österreich-Rumänien) wurden verschiedene Maßnahmen in Gang gesetzt, die vor allem eine fundierte Berufsausbildung sowohl der Erwachsenen wie auch der Roma-Kinder zum Ziele haben. Hier gibt es seitdem keine Schulabbrecher mehr und im Dorf herrscht inzwischen im Vergleich zum übrigen Land ein relativer Wohlstand. Zwar fahren einige Bewohner zur Erntezeit nach Deutschland, um als Erntehelfer zusätzliches Geld zu verdienen, sie kommen aber ausnahmslos zurück.[6]

Ein ähnliches Projekt hat der Verein TransSilvania E.V. aus Dorsten (Westfalen) in Rupea (deutsch: Reps, ebenfalls in Siebenbürgen) initiiert. Zunächst hat man mit  Hilfstransporten aus Deutschland versucht, die dortige Not zu lindern. Nun  hat man aber mit Spendengeldern den Bau einer Qualifizierungswerkstatt für Holzverarbeitung finanziert und damit Hilfe zur Selbsthilfe gegeben. Z. Zt. gibt es dort schon 18 Ausbildungsplätze. Mit jeder weiteren Spende aus Deutschland kann der positive Trend verstärkt werden. Wer das Projekt unterstützen möchte kann dies mit einer Spende auf das folgende Konto von TransSilvania e.V. Dorsten machen:   IBAN: DE43 426501500016016016

Allen Helfern ein herzliches Danke!

3.2 Roma in Ungarn

3.21 Namen, Zahlen und Sprache

Beim Zensus von 2001 haben sich 190.046 zur Roma-Minderheit bekannt. Die Minderheiten-Organisationen schätzen die Zahl der ungarischen Roma jedoch auf bis zu 400.000, einige Schätzungen gehen sogar von bis zu 1.000.000 in Ungarn lebender Roma aus.
Man unterscheidet in Ungarn drei Hauptgruppen der Roma-Minderheit. Die größte ist mit ca. 70 % die Gruppe der Rumungre oder Romungrók (auch Ungo-Rom), die zur ältesten Schicht der Einwanderer im Mittelalter zählt und inzwischen hauptsächlich ungarisch als Muttersprache sprechen, teilweise noch das Romungre-Romani oder das Vend-Romani vermischt mit vielen ungarischen Bestandteilen. Die Olah-Roma (auch Lovara) sind mit ca. 20 % die zweitgrößte Gruppe und sprechen Romani (in der Lovara-Variante) als Muttersprache. Schließlich gehören 8 – 10 % zu den Beas-Zigeunern, die eine archaische Romanes-Sprache verwenden und nicht als Roma bezeichnet werden möchten.

Vorstehende Zahlen und  weitere Angaben zur Geschichte, Kultur, Minderheitenpolitik in Ungarn u. a.  können  unter http://de.wikipedia.org/wiki/Roma_in_Ungarn abgerufen werden.

3.22 Heutige Situation der Roma in Ungarn

Die kritische Lage der ungarischen Roma hat sich seit der letzten Wahl, die zur Regierungsübernahme durch die rechtsgerichtete Regierung Orban führte,  weiter verschlechert. Die rechtsextreme Jobbik-Partei schürt bewußt  mit alten Vorurteilen Ängste in der Bevölkerung und will daraus politisches Kapital schlagen. Demgegenüber hat die rechtsnationale Regierung Orban zwar eine Nationale Roma-Strategie ausgearbeitet, um  vor allem die soziale Lage der Roma zu verbessern. Ob diese Strategie auch umgesetzt wird, ist z. Zt. allerdings noch völlig offen, was von neutralen Beobachtern  angezweifelt oder kritisiert wird. Über die neue Situation  berichtete der Deutschlandfunk in seiner Sendung Europa heute. Siehe: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1929915/

3.3 Roma in Mazedonien

Eine Schilderung über die Lage der Roma gibt mein Post 2.181 Mazedonien - Volksgruppe der Roma bes. unter Pkt. 5
 

3.4 Roma, Aschkali und "Balkan-Ägypter" im Kosovo

Nach den Kosovo-Kriegen und der neuen Staatlichkeit des Kosovo leiden die verschiedenen Roma-Gruppen nach wie vor unter Diskriminierungen. Einzelheiten beschreibt mein Post
2.022 Kosovo, Kosovo-Albaner - Pkt. 5 Ethnien im Kosovo 

3.5 Roma in Albanien 

siehe  dazu Angaben unter Punkt 5.4 in meinem Post 2.021Albanien - albanisches Volk

3.6 Roma in Bulgarien

3.61 Lage und Zahlen

Bulgarien hatte im Jahre 2017  ca. 7 Millionen Einwohner, davon zählten gemäß der Volkszählung von 2011 ca. 4,9%zur Volksgruppe der Roma, also ca. 345,000. Demgegenüber wird die Zahl der Roma vom Europarat jedoch wesentlich höher eingeschätzt, nämlich auf rund 800.000, d. h. fast 12%. Wie auch in anderen Balkanstaaten machen Roma aus Angst vor Diskriminierungen falsche Angaben zu ihrer Nationalität und bekennen sich entweder als Bulgaren oder Türken.(7)

3.62 Heutige Situation

Die frühesten Berichte über Roma in Bulgarien stammen aus dem 11. Jahrhundert, von größeren Ansiedlungen berichten Quellen aus dem 12. Und 15. Jahrhundert. Traditionell waren Roma als Handwerker (Schuhmacher, Kesselflicker, Korbmacher, Metzger u. a.) oder als Wanderschauspieler, Tänzer und Musiker beschäftigt. Erst in der Zeit des Kommunismus nach 1945 änderte sich diese Situation. Der autoritäre Staat zwang die Roma zur Aufgabe ihrer traditionellen Berufe und die noch umherziehenden Nomaden wurden sesshaft gemacht. Sie wurden vorwiegend in der sozialistisch-planwirtschaftlich organisierten Industrie oder in staatlichen Organisationen für untergeordnete Arbeiten eingesetzt, z. B. in der Müllabfuhr. Als Ergebnis der staatlichen Programme verbesserte sich auch der Bildungsgrad und die Gesundheitsversorgung der Roma, so dass Ende der 1980er-Jahre eine verhältnismäßig gute Integration in die Gesellschaft erreicht wurde.(8)


Doch nach der politischen Wende nach 1989 wurde diese Fürsorge des Staates für alle Bürger aufgegeben. Staatliche Betriebe wurden privatisiert, kamen aber wirtschaftlich nicht voran, so dass Arbeitsplätze eingespart werden mussten. Dies traf vor allem die Roma, da sie wegen geringer Qualifikation zum einen in weniger wichtigen Bereichen tätig waren zum anderen von der Mehrheitsbevölkerung als Sündenböcke herhalten mussten. Roma werden seitdem in Bulgarien überall diskriminiert. Es herrscht eine kollektive Verachtung, was in einigen Regionen zu separaten Behandlungsräumen in Krankenhäusern und zu getrenntem Unterricht in einigen Schulen geführt hat. Bei der Arbeitssuche werden Roma stets als letzte berücksichtigt, so dass die Arbeitslosenquote bei ihnen besonders hoch ist. 60 bis 70% haben keine geregelte Arbeit. Lediglich in der Müllabfuhr und Straßenreinigung sind sie noch überproportional vertreten.

Rechte Parteien machen Stimmung gegen Roma und der Hass hat an manchen Orten schon zu Gewaltakten geführt. So z. B. in Gabrowo im gebirgigen Norden Bulgariens. Hier herrschten Anfang 2019 pogromartige Zustände, Roma-Familien wurden bedroht und aus der Stadt gejagt, Häuser wurden niedergebrannt. Die Regierung in Sofia sprach durch den stellvertretenden Premierminister Krassimir Karakatschanow von „immer unverschämteren Zigeunern“ und die Stadtregierung von Gabrowo ließ angeblich illegal von Roma errichtete Häuser durch Bagger abreißen. 

Unter der Überschrift "Bulgarien: Bulldozer gegen Roma-Hütten" hat der Spiegel einen erschütternden Bericht über die Roma-Feindlichkeit in Bulgarien veröffentlicht. Es geht zunächst um Ausschreitungen in dem Dorf Garmen im südwestgbulgarischen Rhodopen-Gebirge, aber der Artikel zeigt auf, dass es derartige Zwischenfälle im ganzen Land (wie in anderen Ländern Osteuropas) gibt und die Regierungen bei der Roma-Frage völlig versagt haben. (9)

Das schlechte Image der Roma wird allerdings auch durch einige skrupellose Geschäftsleute befördert. Christo Warbanow , genannt der „Papst“, ist Chef der Organisation Meschare. Er ernannte  sich selbst zum Roma-Richter von Plowdiw und kam vor Gericht, weil er einen Geschäftsmann 500.000 Euro erpresst haben soll. Ein anderer – Zwetelin Kantschew, genannt Don Zezi, ist Chef der Partei Euro-Roma und und musste für 2 Jahre wegen Entführung ins Gefängnis. Besonders aufgefallen ist Kiro Raschkow, der landesweit als Schmuggler und Schwarzhändler agiert und und sich als Roma-König feiern ließ. Er hat Kontakt zu korrupten Politikern, die er mit Schmiergeldern für sich einnimmt und gehörte nach 1990 zum Kreis der „Unberührbaren“, denen die Polizei nichts anhaben konnte. Trotz nachgewiesener Schwarzbrennerei wurde er vom Gericht auf Kaution freigelassen. In Stolipinowo hat er auf einem riesigen Areal ein pompöses Anwesen errichtet, das von aufgebrachten Dorfbewohnern angezündet wurde, als herauskam, dass er den Enkel der Bürgermeisterin durch einen „Beauftragten“ überfahren ließ. Der Zwischenfall sorgte im ganzen Land wieder für Hass auf  die Zigeuner und wurde voön rechten Parteien für ihre Zwecke ausgeschlachtet. Der kriminelle Oligarch nutzte diese Situation sogar für sich aus, indem er von Diskriminierung  und Verfolgung armer Roma sprach. Leider ist dies auf dem Balkan kein Einzelfall. Lokale selbsternannte Roma-Könige kontrollieren ihre Reviere und gehen dabei sicher, weil sie ihre Macht mit Bestechungen absichern.(10)

3.63 Perspektiven

Neben all diesen negativen Erscheinungen gibt es aber auch positive Beispiele. Die Bildungsreinrichtung Amalipe hat mit ihrem Leiter Dejan Kolew mit ca. 280 Schulen in Bulgaien einen Kooperationsvertrag geschlossen, um Kindern aus Romafamilien eine Ausbildung zu garantieren. Im Stadtteil Stolipinowo von Plowdiw - der Kulturhauptstadt Europas 2019 – hat sich eine Roma-Stiftung gebildet. Sie unterstützt seit Jahren finanziell benachteiligte Roma bei Amtsgängen, dem Ausfüllen von Formularen und gibt Familienberatung. Auch wurde dafür gekämpft, dass Wohnhäuser mit EU-Geldern saniert werden, die häufig von der Regierung nicht abgerufen oder nicht dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Hier muss die EU wirksamer einschreiten!

Einen Ausweg sehen viele Roma in der Migration ins Ausland, wo es ihnen trotz vieler Schwierigkeiten immer noch besser geht als in Bulgarien. Viele von ihnen zieht es nach Deutschland und hier besonders in Ruhrgebiet, wo bereits Verwandte auf sie warten, die allerdings auch hier häufig von skrupellosen Geschäftemachern ausgebeutet werden. (11)

3.7 Roma in der Ukraine

siehe dazu Angaben unter Punkt 6.4 in meinen Post 
http://euro-ethnien.blogspot.de/2014/05/232-ukrainer-ukrainisch-ukraine.html  

3.8 Roma im ehemaligen Jugoslawien

siehe dazu meine Posts:
+
+
siehe dort Punkt 5.2
 
Diese Länderinfos werde ich im Laufe der Zeit weiter ergänzen

4. Literaturhinweise 


Einen Überblick über die Situation der Roma in Osteuropa (teilweise auch zu Gesamt-Europa oder westeuropäische Staaten) geben folgende Drucksachen bzw. Veröffentlichungen im Internet:

-   Aus Politik und Zeitgeschichte – herausgegeben von der Bundeszentrale für poitische Bildung (www.bpb.de/apuz) - Heft 22/23 v. 30. 5. 2011 zum Thema „Sinti und Roma“ u. a. mit den Artikeln:
     ●   Markus End „Bilder und Sinnstruktur des Antiziganismus“
     ●   Herbert Heuss „Roma und Minderheitenrechte in der EU“
     ●   M- Demir, J. Orsós, V. Rodriguez, G. Caldararu, E. Elmazi „Die  
          größte Minderheit in Europa"
-    Eine sehr überzeugende Schilderung der Lage der Roma in Osteuropa gibt  
     der  Journalist Norbert Mappes-Niediek mit seinem Buch "Arme Roma, böse  
     Zigeuner", der vor allem darauf hinweist, dass Armut das Hauptproblem der
     Roma in Osteuropa ist. Eine Leseprobe finden Sie unter 3.100 Roma in Europa
     Punkt 5
-     Gesellschaft für bedrohte Völker (http://www.gfbv.de/volk.php?id=1) mit Angaben zu vielen Artikeln über die Roma in Osteuropa
-     Freie Universität Berlin – Osteuropa-Institut (http://www.oei.fuberlin.de/Projektkurse/2006_7/reinventing/teilprojekte/roma/roma_in_osteuropa_studie.pdf) „Roma in Osteuropa – Transformation des Romabildes im wissenschaftlichen Diskurs“
-       http://www.welt.de/kultur/article12158567/So-sind-sie-halt-die-Zigeuner.html - „Die Welt“ vom 15. 1. 2011 - Schriftsteller und Fotograf Rolf Bauerdick suchte in Osteuropa die freiheitswilden Roma – und fand ein Volk, das sich selbst ausbeutet
-    Unicef-Information "Roma in Europa" als PDF-Dokument über Google abrufbar.

Anmerkungen

[1] Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien:  http://www.adz.ro/artikel/artikel/die-deutschen-und-ungarn-erreichten-historisches-tief/
[2] http://anti-ziganismus.de/artikel/roma-in-rumaenien/ und http://de.wikipedia.org/wiki/Roma_in_Rumaenien                                                                                                                       [3] Norbert Mappes-Niediek: „Arme Roma, böse Zigeuner“ – Bundeszentrale für politische Bildung Band 1385, Bonn 2013
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Strassenkinder_in_Rumaenien
[5] http://www.taz.de/Roma-Diskriminerung-in-Rumaenien/!108873/

[6] http://www.dw.de/dorfleben-mit-perspektive-für-roma/a  - eINE  sENDUNG DER dEUTSCHEN wELLE 
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Bulgarien#Ethnien
(8) Nation und Minderheit in Bulgarien – Magisterarbeit von Konstantin Sachariew 2006 (pdf)
(9) http://www.spiegel.de/politik/ausland/bulgarien-mobilmachung-gegen-roma-a-1041544.htm  

(10) Norbert Mappus-Niediek: „Arme Roma, böse Zigeuner“ – Bundeszentrale für politische Bildung – Schriftenreihe Band 1385, S. 196f

(11) https://www.derstandard.de/story/2000090007319/im-vergessenen-roma-viertel-bulgariens und https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/bulgarien-roma-angriffe-diskriminierung-rechtsradikalismus-gabrowo-eu-wahlen
 


 
 

 


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